Tichys Einblick
Atami

Regen, Erdrutsch und Naturgewalten in Japan

Die Menschen in Japan leben seit jeher mit Naturkatastrophen. Das Land am pazifischen Feuerring mit seinen Regenzeiten, Vulkanen und heftigen Ausbrüchen sowie Tsunamis ist gefährdeter als so manches andere Land. Als Folge des Klimawandels wird das außerhalb von Japan dargestellt.

IMAGO / Kyodo News

Heftige Regenfälle lösten im japanischen Atami, einem Badeort in der Präfektur Shizuoka, einen schweren Erdrutsch aus, bei dem zwei Menschen getötet wurden und 20 weitere noch vermisst werden. Die beiden Personen wurden wahrscheinlich auf das Meer hinausgeschwemmt, wie Heita Kawakatsu, der Gouverneur von Shizuoka, auf einer Pressekonferenz berichtete. Dort jedenfalls fand sie die japanische Küstenwache.

Die Schlammmassen zerstörten Häuser, mindestens zehn wurden nach ersten Berichten vollständig zerstört, 300 weitere beschädigt. Der Bürgermeister von Atami Sakae Saito sagte, dass wahrscheinlich zwischen 100 und 300 Haushalte von dem Erdrutsch betroffen seien. Die Präfekturbehörden richteten eine Task Force ein, dreißig Mitglieder der Selbstverteidigungskräfte, die in Gotenba in der Präfektur stationiert sind, wurden entsandt, um bei den Rettungsarbeiten zu helfen.
Dicht daneben verläuft die Schnellbahnstrecke der japanischen Hochgeschwindigkeitszüge Shinkansen, die am Samstagmorgen für eine kurze Zeit still standen – ebenso wie die Nahverkehrszüge.

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— The World Reviews (@tworldreviews) July 3, 2021

Die Wassermassen beschädigten sogar eine Brücke über den Fluss Kisegawa.

Google Maps zeigte bereits Satellitenbilder des Hanges, von dem die Erdmassen abrutschten. Deutlich zu erkennen die Spur des Erdrutsches.

Die Naturkatastrophe lief offenbar rasend schnell ab. Ein Anwohner berichtete laut Asahi Shimbun, er habe gesehen, wie eine Reihe von Häusern im Laufe von etwa zehn Minuten von den Erdmassen verschlungen wurde. Einige Bewohner wurden in das nahe gelegene MOA-Kunstmuseum evakuiert.

Auch in Nachbarregionen wurden zehntausende von Einwohnern zur Evakuierung aufgefordert. Denn die sintflutartigen Regenfälle überschwemmten ebenso die Kanto- und Tokai-Regionen. Die Stadtverwaltung von Hiratsuka in der Präfektur Kanagawa, die an Tokio grenzt, gab ebenfalls einen Evakuierungsbefehl heraus. Sie befürchtete, dass der Fluss Kanamegawa über die Ufer tritt. Die Evakuierungsanordnung betrifft etwa 200.000 Menschen.

Die Japanische meteorologische Agentur zeichnete in Atami in den vergangenen 48 Tagen 315 Millimeter Regen auf. Diese Mengen liegen weit über dem durchschnittlichen monatlichen Niederschlag für Juli von 242,5 mm. Die Behörden warnten vor weiteren schweren Regenfällen in den kommenden Tagen.

Zwischen Mai und Juli herrscht in Japan Regenzeit, Tsuyu, »Pflaumenregen«. Schwere Regenfronten ziehen über mehrere Tage über die Inseln und lassen heftige bis sintflutartige Regenfälle niederkommen. Vor genau einem Jahr trafen heftige Regenfälle Zentraljapan, forderten in der Region Kyushu mehr als 50 Todesopfer und löste höchsten Warnstufen aus. Am 4. Juli 2020 wurde sogar die 322 Meter lange Kumagawa-Brücke von den Fluten hinweggespült. Diese Brücke aus dem Jahr 1937 galt als eines der Kulturgüter Japans.

Warnsysteme stoppen sämtliche Züge rechtzeitig.

Das hält Medien hierzulande nicht davon ab, diese jüngste Naturkatastrophe als Folge des Klimawandels darzustellen. Noch 2014 meldeten der Weltkatastrophenbericht von Rotkreuz- und Roter-Halbmond-Gesellschaften, dass die Zahl der Naturkatastrophen so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr gewesen ist.

Die Münchner Rückversicherung Munich RE meldet 2015 noch: »Die Schäden aus Naturkatastrophen sind 2015 erneut niedriger ausgefallen als im Vorjahr.«

Für das vergangene Jahr berichtet sie von gestiegenen Naturkatastrophenschäden des Jahres 2020, die deutlich über denen des Vorjahres gelegen hätten und fügt an: »Rekorde bei relevanten Gefährdungen machen nachdenklich. Ob die besonders heftige Hurrikansaison, extreme Waldbrände oder Gewitterserien in den USA: Bei all diesen Gefahren wird langfristig der Klimawandel eine zunehmende Rolle spielen. Vor fünf Jahren hat sich die Welt in Paris das Ziel gesetzt, die Erderwärmung deutlich unter 2°C zu halten. Es ist Zeit zu handeln.«

Und Versicherungen abzuschließen. Denn, so stellt Munich Re fest, der nicht versicherte Anteil bei Naturkatastrophenschäden 2020 habe bei rund 60 Prozent gelegen. »Erneut zeigte sich, dass gerade in den aufstrebenden Ökonomien Asiens nur ein geringer Teil der Schäden abgesichert ist: Die teuerste Naturkatastrophe des Jahres war ein schweres Hochwasser in China während des Sommermon-suns. Die Gesamtschäden betrugen rund 17 Mrd. US$, nur etwa 2% waren versichert.«

Auch der jüngste »Weltkatastrophenbericht« liest sich wieder wesentlich alarmistischer: Im Weltkatastrophenbericht 2020 »warnt« das DRK: »Klimabedingte Naturkatastrophen nehmen zu.«

Währenddessen leben die Menschen in Japan mit Naturkatastrophen. Das Land am pazifischen Feuerring mit seinen Regenzeiten, Vulkanen und heftigen Ausbrüchen sowie Tsunamis ist gefährdeter als so manches andere Land. Naturkatastrophen passieren häufig, die Erde wackelt permanent irgendwo.

Ein eindrucksvolles Beispiel kann man auf der Insel Oshima Island besichtigen, eineinhalb Stunden mit dem Schnellboot südlich Tokios. Eine Vulkaninsel, dessen Vulkan Mihara alle 100 bis 200 Jahre auszubrechen pflegt.

Im Süden der Insel liegt der Hafen Habuminato. Diese Hafeneinfahrt war ursprünglich vollständig von Landmassen verschlossen. Früher war dies ein kleiner vulkanischer See – bis ein gewaltiger, 40 Meter hoher Tsunami mit unvorstellbar grober Gewalt einschlug. Der spülte einen kompletten Landstrich ins Meer und riss die Lücke zum Meer ins Land. Das war im Jahr 1703. Seitdem ist der See verbunden mit dem offenen Ozean. In den tiefen Gewässern legen heute große Frachter an. Die Fischer, die an den Hängen über dem Hafen wohnen, werden mit jedem Blick aus dem Fenster an die verheerenden Naturgewalten erinnert. Belohnt werden sie auf einem vulkanischen Feuerstuhl sitzend mit üppig wuchernder Natur.

 


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