Tichys Einblick
Virus als "Soldat Allahs"

Radikale Prediger und Islamisten nutzen Coronakrise für ihre Zwecke

Während das Coronavirus um die Welt geht, Leben bedroht und kostet, wird diese Situation von radikalen Predigern für ideologische Zwecke ausgenutzt: Das Virus wird zum „Soldat Allahs“ erklärt. Gleichzeitig sieht der IS darin seine Chance.

Zu den Betroffenen des Coronavirus gehören unter anderem China, die USA, Europa und auch Israel. Eine Situation, die von radikalen Predigern erkannt und zum ideologischen Zweck genutzt wird. Während weltweit gegen das Virus gekämpft wird, führen radikale Imame einen anderen Kampf fort. So auch im Gazastreifen, dort herrscht neben dem gewaltsamen Kampf gegen Israel ein ideologischer, populistischer Kampf der fundamentalistischen Hamas gegen all ihre erklärten Feinde.

Gazastreifen: „Soldier of Allah“ 

Das Coronavirus sei ein „Soldat von Allah“ – sagte der Gazaner Imam Jamil Al-Mutaw, der zur Hamas gehört, im Hamas-Fernsehen Al-Aqsa TV. Das Center East Media Study Institute (MEMRI) veröffentlichte und übersetzte diese Predigt.

Imam Jamil Al-Mutaw in Gaza

Screenshot, Center East Media Study (MEMRI) Institut

Al-Mutaw beginnt seine Predigt damit, dass „Allah“ nur einen „Soldaten“ [das Coronavirus] geschickt habe, der alle 50 Staaten von Amerika getroffen habe. Er dankt Gott dafür – „Allah sei gepriesen“ – , dass 25 Millionen Menschen in Kalifornien infiziert werden würden. „Schau wie jeder, der gegen die Al-Aqsa Moschee intrigiert, von den Soldaten Allahs in Stücke gerissen wird“. 

Al-Mutaw beteuert, es sei die Bestrafung und Rache von Gott an den USA und Israel: „Schau, wie leer die [israelischen] Städte sind. Schau, wie leer ihre Straßen sind und schau, wie voll diese Moschee ist. Wer hat uns beschützt und ihnen geschadet? Es ist Allah. Oh Allah, halte das [Corona-] Virus von uns fern, wehr es von uns ab und entfessle es gegen die Menschen hinter dem bösen Deal“. Die beiden von Hamas geschworenen Feinde werden von dem Imam angegriffen, er predigt dafür, dass die Menschen des „bösen Deals“ – gemeint ist der von der Trump-Regierung vorgelegte Friedensplan für den Nahen Osten – sprich die amerikanische und israelische Bevölkerung vom Virus stark getroffen werden.

Er bejaht, das Coronavirus sei echt, schädlich und tödlich, und fährt fort: „Sind die Menschen mit dem Coronavirus infiziert? Allah sei gepriesen! Die Zahl in Italien, gestern 450 Opfer, dort ist alle 8 Minuten ein Opfer. Im Iran gibt es alle 8 Minuten ein Opfer. China liegt mit 3.300 Opfern an zweiter Stelle nach Italien. Was ist los? Allah sei gepriesen! Dies ist die Größe Allahs.“

Der radikale Prediger Al-Mutaw dankt Allah dafür, dass die Leute in Europa, im Iran und in China sterben. Er bezeichnet die Toten gar als „Opfer“. Erklären lässt sich das damit, dass in der radikal-islamischen Vorstellung in Europa „Ungläubige“ leben und Europa zum Westen gehört, der gegen Terrororganisationen agiert. Der Iran, der eigentlich ein Verbündeter und Unterstützer der Hamas ist, wird hier wahrscheinlich genannt, aufgrund der Taten, die sunnitischen Muslimen im Irak, im Jemen, und in Syrien zugefügt worden sind. Denn das würde sich mit anderen Vorfällen gleichen, von denen Edy Cohen in israel heute berichtet: Als das Virus den Iran erreichte, sei die arabische Welt begeistert gewesen, Bilder von Iranern, die am Virus erkrankten, seien rege verbreitet worden; „Auch im Iran sei der Zorn Allahs zum Tragen gekommen, behaupteten viele Araber, diesmal wegen der grausamen Taten, die den sunnitischen Muslimen […] angetan worden sind.“ Über China fällt offensichtlich aus Ansicht des Imams die Rache Gottes, weil die chinesischen Behörden Millionen  muslimischer Uiguren verfolgt und interniert haben. 

„Die Muslime sind die Menschen, die am wenigsten infiziert sind“, so begründet der radikale Kleriker das Virus als „Soldat von Allah“. „Das einzige Land, in dem niemand gestorben ist. Als ich diese Moschee betrat, erhielt ich eine SMS, dass die 56 Menschen, die in Bethlehem unter Quarantäne gestellt worden waren, durch die Gnade Allahs vollständig geheilt wurden. Brüder, bevor ich die Moschee betrat, kontaktierte ich leitende Ärzte und sie sagten mir, dass es derzeit keinen einzigen Fall in Gaza gibt.“

Die radikale Predigt entspricht nicht der Realität: Längst gibt es die ersten Covid-19-Fälle im Gazastreifen. Aber sie ist typisch im Gazastreifen. Sie folgt der Logik der Charta der Hamas: „Israel existiert und wird weiter existieren, bis der Islam es ausgelöscht hat, so wie er schon andere Länder vorher ausgelöscht hat. (Präambel)“ Ideologie kennt keine Pause, selbst nicht, wenn die Welt wegen eines gefährlichen Virus still steht. Das Virus wird hier fundamentalistisch eingesetzt: Der Gott des Islam, Allah, schickt den Feinden ein tödliches Virus als „Soldat“, um Vergeltung zu üben sprich um sie auszulöschen.

Es erinnert umso mehr an den antisemitischen Muslimbruder-Prediger Sayyidd Qutb, der 1950 schrieb: „Allah hat Hitler gebracht, damit er über sie [die Juden] herrscht, und Allah möge wieder Leute schicken, um Juden die schlimmste Art der Strafe zu verpassen; damit wird er sein eindeutiges Versprechen erfüllen“. Der radikale Qutb teilte die Welt in Zwei, in einen Raum der Ungewissheit – Christen, Juden, Nichtmuslime – und den anderen Raum des Islams. Nach seiner Ideologie ist eine Kooperation beider Teile unmöglich: „Der Islam sollte sich unbedingt über die Welt mittels des Schwertes ausbreiten“, schrieb er in seinem Buch „Wegzeichen“ – einer der Hauptinspirationsquellen islamistischer Bewegungen. Dies erklärt die Logik radikaler Geistlicher, die das Virus als einen „Soldaten“, geschickt von Allah, verstehen und vermitteln. 

Prüfung für Gläubige, Bestrafung für Sünder 

Al-Mutaw ist nicht der einzige, der so predigt. Ein nicht identifizierter Prediger wurde im offiziellen PA-Fernsehen (Palästinensische Autonomiebehörde) ausgestrahlt. Das Palestinian Media Watch Institute (PMW) ist darauf aufmerksam geworden. 

Nicht identifizierter Prediger, ausgestrahlt im PA-Fernsehen Screenshot, Palestinian Media Watch Institute (PMW)

Er predigte: die „wahre Bedeutung“ der Epidemie sei eine Prüfung für die Gläubigen und eine Bestrafung für die Sünder durch „den Almmächtigen Allah“. „Wenn die Epidemie Ungläubigen unter den […] Angreifern schadet, dann ist das Bestrafung.“ Wer als Moslem während der Prüfung sterbe, „verdient die Belohnung des Martyriums, so der allmächtige Allah will“. Auch sagt er, dass die Übertragung von Kranken auf Gesunde eine wissenschaftliche Tatsache sei und zitiert Prophet Muhammed: „Flieh vor dem Leprösen, wie du vor einem Löwen fliehen würdest“. Da er von Ungläubigen und Sündern spricht bezeichnet er offensichtlich die Kranken als Ungläubige (Aussätzige bzw. von Gott gestrafte Sünder), die das Virus übertragen, auf Gesunde, die wahren Gläubigen. Auch er nennt den Coronavirus „Allahs Krieger“, die er gegen jene frei setzte, die seine Gläubigen angreifen.

Frankreich: „Allah hat Soldaten, einschließlich Engel, Viren und Seuchen“

Béchir Ben Hassen, ein in Frankreich lebender Tunesier, ist ein salafistischer Prediger und sehr aktiv auf Facebook, wo er 500.000 Follower hat. Er postete ebenfalls, dass das Virus ein Soldat Allahs sei, der die Chinesen für deren Umgang mit den muslimischen Uiguren bestrafe: „Allah hat Soldaten, einschließlich Engel, Viren und Plagen. Und wenn er sie auf die Bevölkerung loslässt, kann das niemand, auf Himmel und auf Erden, aufhalten … So wie er die Armee des Pharaos im Meer ertränkte, so sorgt er für den Sieg der Uighuren über China durch das Coronavirus.“ Die Chinesen könnten kein Heilmittel finden, „weil dies der Wille Allahs“ sei. 

Islamischer Staat ruft zur Befreiung der Lager aus

Als Sprachrohr des Islamischen Staats (IS) fungiert der von der Zeitung Al-Naba herausgegebene Newsletter. Zwei Ausgaben davon beziehen sich Mitte März auf die Pandemie. Ersterer enthält „Shari’i-Richtlinien zur Bekämpfung von Epidemien“. Der Forscher Aymenn Jawad Al-Tamimi übersetzte sie. Darin heißt es, Krankheiten schlügen durch „den Befehl und das Dekret Gottes“ zu. Eine der Richtlinien ist „die Verpflichtung, die Ursachen von Krankheiten […] zu vermeiden“. Wie beim Prediger Al-Mutaw heißt es hier: „Flieh vor dem Leprösen, wie du vor einem Löwen fliehen würdest“. Hamas und ISIS argumentieren also ähnlich. Man solle auf Gott vertrauen, Zuflucht bei ihm suchen und es folgt ein Ahmad-Zitat: „Oh Gott, ich suche Zuflucht bei dir vor Lepra“. Der IS benutzt dieselbe Logik: Wer ein wahrer Gläubiger ist, wird von dem Coronavirus verschont.

al-Naba‘ Newsletter, „Shari’i-Richtlinien zur Bekämpfung von Epidemien“, Aymenn J. Al-Tamimi www.aymennjawad.org

In dem darauffolgenden Newsletter ist es wieder Allah, der götzendienerischen Nationen eine schmerzhafte Qual auferlegt habe, „Allah sei gepriesen“. „Wir bitten Allah, ihre Qualen zu erhöhen, die Gläubigen vor allem zu retten“. Der Dschihad, was der Gehorsam gegenüber Gott sei, wende den Zorn Gottes ab. Den Dschihad durchzuführen, schütze also vor dem Coronavirus. 

„Am Rande einer großen wirtschaftlichen Katastrophe“ sei die westliche Welt. Die „Kreuzfahrernationen“ – westliche Länder, die an der Anti-IS-Militäroperation beteiligt sind – seien mit der Sicherheit ihres Landes beschäftigt. Die „Kreuzfahrer“ seien dem Druck ihrer Militäreinsätze ausgesetzt, weshalb IS-Kämpfer konkret im Newsletter dazu aufgerufen werden, Gefangene in den Lagern im Nordosten Syriens zu befreien. Die IS versucht hier, ein „Chaos“ auszunutzen. Momentan ist der IS noch geschwächt. Laut Aaron Y. Zelin des Washington Institute for Near East Policy ist der IS – seit der großen Niederlage in Baghuz – in Syrien und im Irak aktiv, verübte mehr als 1000 Angriffe oder Anschläge. Die Anzahl der Kämpfer ist gering; der IS wartet auf einen Moment, um wieder erstarken zu können.

Die Pandemie beeinflusst tatsächlich momentan das Vorgehen gegen jene Terrorgruppe: Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace reduzierte den Einsatz britischer Truppen, da die NATO beschloss, das Training für Soldaten um 60 Tage auszusetzen; die Mitglieder der Anti-IS-Koalitonen versuchen Vorkehrungen im Irak und in Syrien zu treffen zur Verhinderung eines Virus-Ausbruches innerhalb der Truppen, da das Virus in Syrien angekommen ist. Lokale Bemühungen gegen den IS sind somit erschwert. Die Pandemie zieht jegliche Aufmerksamkeit und Ressourcen auf sich, wodurch die Bekämpfung des IS geschwächt wird. Problematisch wird es, wenn sich in Haftanstalten das Virus ausbreitet, denn auf diese dann eintretende Schwachstelle spekuliert der Islamische Staat. Er versucht gerade während der Zeiten des Coronavirus ihren Kampf fortzuführen. Am 30.03.2020 berichtete das syrische Staatsfernsehen, dass bereits zwölf IS-Kämpfer eigenständig, gewalttätig aus einem Gefängnis im Nordosten Syriens geflohen seien.

Anzeige
Die mobile Version verlassen