Carola Rackete ist vorerst in Deutschland auf freiem Fuß, wird es wohl auch bleiben und rehabilitiert sich gerade mit der Geschäftsführung der Sea-Watch quasi selbst in ihrer Auffassung von Recht. Dass sie überhaupt von einer Inhaftierung verschont blieb – oder einem längeren Arrest entgangen ist, verdankt sie allein einer Richterin auf Sizilien, Alessandra Vella.
Liest man die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft von Agrigent, vertreten durch Luigi Patronaggio und dessen Stellvertreterin Gloria Andreoli, die eindeutig ausfällt, dann dürfte es für die weitere Karriere von Alessandra Vella nach dem Fall um Racketes Freilassung etwas schwieriger bestellt sein. Richterin Vella, so scheint es, habe nur aufgrund eigener persönlicher Gefühlslage und aus Angst vor der Meinung der Weltöffentlichkeit entschieden, wie sie entschieden hat. Die Richterin zeigte ihr großes Herz oder – wie Carola Rackete damals meinte – habe erkannt, „dass kein Unrecht“ begangen wurde. Viele Italiener vertreten die Auffassung, dass bei der Urteilsfindung von Vella mehr Herzschmerz und Gefühle überwogen haben als Recht und Gesetz.
Die Staatsanwaltschaft nimmt die Freisprechung der Carola Rackete durch Alessandra Vella (in erster Instanz) detailliert auseinander. Sie plädiert darauf, dass der obere italienische Gerichtshof darüber zu entscheiden habe, weil eklatant gegen Recht und Gesetze verstoßen wurde. Diese einfach getroffene Entscheidung habe das Gesetz und das anschließende Urteil „trivialisiert“. Daten und Fakten seien einfach nicht berücksichtigt worden, aus welchem Grund auch immer. Es wurde ein Urteil gefällt, das eigentlich sogar über die Befugnisse eines Richters hinausgegangen sei.
Dass das Patrouillenboot der Zollfahnder nicht als Militärboot berücksichtigt wurde, sei ebenfalls nicht rechtens. Eben dieses Motorboot, das gegen den Kai geschlagen wurde und beinahe fünf Menschenleben gekostet hätte, wurde in der Urteilsfindung quasi unterschlagen.
Die Berufung setzt sich auch mit der Tatsache auseinander, dass sich Rackete sogar über die Entscheidung des Gerichtshofes der EU hinweggesetzt habe und zudem 15 Tage nicht willens war, eine Lösung zu finden. Fakt sei außerdem (und dies sei ebenfalls von der Richterin unterschlagen worden), dass die Migranten vor Lampedusa „keiner unmittelbaren Gefahr für ihr Leben und ihre Sicherheit“ mehr ausgesetzt waren.
Kurz zusammengefasst – für Richterin Vella in der Gesamtheit eine Reihe von Tiefschlägen, die auch eindeutig belegen, dass die Deutsche das Leben nicht nur der Migranten unnötig in Gefahr brachte, sondern auch das der Zollfahnder auf dem Motorboot.
Richterin Vellas Entscheidung wird komplett auseinandergenommen, sie sei widersprüchlich sowie falsch und unzureichend begründet worden. Statt eines vernünftigen und geräuschlosen Urteils hat sie somit den Medienrummel erst recht entfacht.