Nach der Wahl von Donald Trump kursieren Videos aus dessen Wahlkampf, in denen der neue Präsident seine radikalen Pläne für die Präsidentschaft vorstellt. Doch während er ankündigt, den tiefen Staat zu entmachten, umgibt er sich bereits jetzt mit den Lobbyisten, die zu bekämpfen er vorgibt.
Für viele Politiker gilt: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Für Donald Trump, dessen zweite und letzte Amtszeit nun bevorsteht, gilt das nicht, denn eine weitere Wiederwahl steht für ihn nicht ins Haus. Er trägt stattdessen nichts weniger als die Erwartungen einer ganzen Nation – und einiger sehr mächtiger Unterstützer – auf seinen Schultern, die nun hoffen, dass er seine Versprechungen auch wahr macht.
So zirkulieren seit dem Ende der Wahl in den USA Videos von Trump auf X, in denen der kommende US-Präsident seine radikalen Pläne vorstellt, mit denen er das Land wieder auf Kurs bringen möchte. Ein Video, in dem Trump erklärt, wie er den sogenannten „zensur-industriellen Komplex“, jenes zensurfreudige Gebilde aus regierungsnahen Organisationen, Medien und NGOs, das im Rahmen der Twitter-Files traurige Berühmtheit erlangte, zerschlagen möchte, wurde selbst von Elon Musk höchstpersönlich mit einem groß geschriebenen YES! (JA!) verbreitet.
Allerdings handelt es sich dabei keineswegs um neue Ankündigungen. Die Videos sind mittlerweile fast zwei Jahre alt und Teil der Wahlkampagne Trumps unter dem Titel „Project 47“ (da Trump nach seiner Wiederwahl nun der 47. Präsident der Vereinigten Staaten wird). Die darin präsentierten Ankündigungen haben es in sich, Trump erklärt in den kurzen Videos zu verschiedenen Themen oftmals sehr detailliert seine geplanten Maßnahmen, die gut und gerne als sein Wahlprogramm durchgehen können. Umso bemerkenswerter, dass diese Inhalte erst nach der Wahl vermehrt in den Fokus rückten, während der Wahlkampf der letzten Wochen und Monate vor allem aktuelle Bilder und Emotionen von McDonald’s-Auftritten und Müllwagenfahrten in den Vordergrund stellte.
So legte Trump, der bereits vor seiner ersten Amtszeit versprochen hatte, den „Sumpf in Washington trocken zu legen“, in einem der Videos in zehn kurzen Punkten dar, wie er gedenkt, der Schattenherrschaft des tiefen Staates ein Ende zu bereiten.
Aggressives Vorgehen gegen den tiefen Staat
So wolle er seinen Erlass aus 2020 wieder auflegen, der die Autorität des Präsidenten wiederherstellt, um „abtrünnige Bürokraten“ aus Ämtern zu entfernen, eine Vollmacht, die Trump ankündigte, „aggressiv“ einsetzen zu wollen. Ebenso wolle Trump alle „korrupten Akteure“, derer es viele gebe, aus den Sicherheits- und Geheimdiensten entfernen. Auch die sogenannten FISA courts (Foreign Intelligence Surveillance Courts – Gerichte zur Überwachung der Auslandsgeheimdienste) würden „komplett überarbeitet“ werden, da diese „so korrupt sind, dass es den Richtern scheinbar egal ist, wenn sie in Anträgen auf Haftbefehle belogen werden“.
Trump kündigte entschlossen an, die zahlreichen „Falschmeldungen und Machtmissbräuche, die unser Land zerrissen haben“ zu entlarven. Eine eigene Kommission solle dafür gegründet werden, die Fälle von „Spionage des tiefen Staates, Zensur und Korruption“ offen legen soll. „Und, Junge, Junge, sind das viele“, so Trump lapidar.
Dazu gehörte allerdings auch der Kampf gegen undichte Stellen innerhalb der Regierung, die mit den „Fake News zusammenarbeiten, um absichtlich falsche Narrative zu erzeugen“ und damit die „Regierung und unsere Demokratie“ zu unterwandern.
Dezentralisierung und Kampf gegen die Korruption
Während Demokraten vor allem eine übermäßige Zentralisierung der Macht befürchten, weisen die von Trump geplanten Schritte vielmehr in Richtung einer Dezentralisierung der Macht. Ein wichtiger Punkt ist dabei das von Trump angeführte Ziel, jedes Büro der Generalinspektoren unabhängig und örtlich getrennt von den zu überwachenden Abteilungen zu machen, damit diese „nicht die Beschützer des tiefen Staates“ werden.
Dieses Bestreben kommt auch in der Absicht zum Ausdruck, „Teile der wuchernden föderalen Bürokratie“ an neue Orte außerhalb des „Washingtoner Sumpfs“ an Orte zu verlegen, in denen „Patrioten tätig sind, die Amerika lieben“. Weiters soll eine Regelung kommen, die es Bundesbürokraten verbietet, Arbeit bei Firmen anzunehmen, mit denen sie zusammenarbeiten und die sie regulieren. Er bezeichnete diese Interessensüberschneidung als ein „ständiges Problem“ und nannte dabei „Big Pharma“ als ein Beispiel dafür.
Den Kongress kündigte Trump an, darum zu bitten, ein unabhängiges Überwachungssystem zur konstanten Prüfung der Geheimdienste einzuführen, um sicher zu gehen, dass amerikanische Bürger nicht ausspioniert oder Opfer von Desinformationskampagnen würden.
All diese Schritte dienen, so Trump, der Zerschlagung des „tiefen Staates“ und der Wiederherstellung einer Regierung durch das Volk und für das Volk.
Erste Postenvergaben mit Fragezeichen
Weitere Videos aus Trumps Wahlprogramm beinhalten unter anderem die Ankündigung, dem Transgender-Wahn ein Ende zu bereiten, den Krieg in der Ukraine zu beenden, das Bildungssystem zu reformieren, so wie die Durchführung einer „Great American State Fair“ zum 250. Jubiläum der USA im Jahr 2026.
Dass all diese Videos direkt nach der Wahl die Runde machen, zeigt wieder einmal, wie groß die Erwartungshaltung ist. Während unter normalen Umständen nach gewonnener Wahl kaum ein Anhänger des Gewinners dessen Wahlkampfvideos von vor zwei Jahren teilt, ist dies bei Trump anders. Die Erwartung, nicht zuletzt bei Elon Musk, ist, dass diese Dinge tatsächlich umgesetzt werden, denn ansonsten dürfte das propagierte Bild der USA als Land der Freiheit nicht zu retten sein.
Es ist also nicht nur pure Begeisterung für Trump, die aus diesen Aktionen spricht, sondern auch das deutliche Zeichen an den Wahlsieger, dass die Menschen nicht vergessen haben, wofür er gewählt wurde. Denn andernorts mischen sich auch bereits die ersten Unkenrufe unter die Begeisterung, angesichts der angekündigten Postenbesetzungen durch Trump.
Während die Ernennung von Hardliner Tom Homan zum medienwirksamen „Grenz-Zar“ die Demokraten erwartungsgemäß in Aufruhr versetzte und die Republikaner Applaus spenden ließ, war die Berufung von Elise Stefanik zur UNO-Botschafterin weitaus kontroverser. Zwar kritisierten Demokraten und Medien Stefanik vor allem für ihre Rolle als „UN-Kritikerin“, doch auch im Lager der Republikaner ist nicht jeder überzeugt von Stefaniks radikal pro-israelischer Haltung – bis hin zu ihrer Bereitschaft zur unbegrenzten Lieferung von Geld und Waffen an Israel –, da ein Flügel der US-Konservativen diese Position im Widerspruch zur von Trump propagierten „America First“-Haltung sehen.
Doch spätestens bei der Ankündigung, dass Susie Wiles als erste Frau überhaupt Stabschefin des Weißen Hauses werden würde, bekamen einige Bauchgrimmen. Zwar freuten sich viele Anhänger Trumps, dass er damit die Vorwürfe von Frauenfeindlichkeit entschieden zurückgewiesen hätte, doch die Rolle der Stabschefin bei der Berufung des weiteren Kabinetts ist in den USA beträchtlich und wirft Fragen über diese Personalie auf.
Lobbyisten. Lobbyisten, überall.
Denn Wiles galt – so das Magazin Politico – als de facto Wahlkampfleiterin Trumps und zählt zu dessen engsten Verbündeten. Nachdem Wiles bereits 2016 Trumps Wahlkampf in Florida leitete, verhalf sie 2018 Ron DeSantis zum Gouverneursposten in eben diesem Staat. DeSantis bezeichnete damals Wiles als „die Beste in ihrem Fach“. Kurze Zeit später jedoch gingen DeSantis und Wiles getrennte Wege, nachdem DeSantis sie nicht in seinen inneren Kreis aufnahm, da er fürchtete, die von ihr geleitete Lobbyfirma würde die Besetzung von Posten übernehmen. Politico behauptet, Wiles sei einer der Gründe, warum Trump und nicht DeSantis die Vorwahl zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner 2024 gewonnen habe.
Damit nicht genug: Gleichzeitig mit der Ernennung von Wiles kündigte Mercury LLC die Beförderung von Toby Moffett in den Partnerstatus an. Moffett war vor seiner Karriere bei Mercury Abgeordneter der Demokraten und Bill Clinton plante, Moffett 1999 als Botschafter nach Argentinien zu entsenden. Doch der Prozess dauerte zu lange, sodass Moffett in Washington blieb, wo er von 1998 bis 2000 als internationaler Lobbyist bei Monsanto in Erscheinung trat. Danach machte Moffett sich selbstständig und wurde Vorsitzender der „Moffett Group“, mit der er for-profit und nonprofit Unternehmen – mit einer Spezialisierung auf erneuerbare Energien – vertrat. 2007 gründete er gemeinsam mit Tony Podesta – ja, jenem Tony Podesta aus der sogenannten „Pizzagate“ Verschwörung – die PLM Gruppe, mit der er vier Jahre lang die ägyptische Regierung vertrat. Und als wäre sein Portfolio mit der Ernennung zum Co-Vorsitzenden bei Mercury im Jahr 2020 noch nicht abgerundet, registrierte Moffett sich 2021 offiziell als „ausländischer Agent“, der Lobbyarbeit für Hikvision, eine staatliche chinesische Firma für Videoüberwachungsapparatur, betrieb. Ein Jahr später wurde dieser Moffett zum Partner von Mercury LLC ernannt, während gleichzeitig Susie Wiles als Co-Vorsitzende berufen wurde.
Wirtschaft, Grenzen und viel heiße Luft?
Was, wenn nicht der „Washingtoner Sumpf“ oder „tiefe Staat“ ist dieses Netzwerk aus Lobbyisten und ihren ineinander verschränkten Organisationen? Wie soll es gelingen, diesen Sumpf trockenzulegen, indem man eine der am besten vernetzten Vertreterinnen dieser Zunft zur Stabschefin ernennt? Zumal es bei Wiles keineswegs eine Jugendsünde ist, da ihre Ernennung zur Co-Vorsitzenden von Mercury LLC nicht nur Jahre nach der ersten Trump-Präsidentschaft und der DeSantis-Kampagne erfolgte, sondern auch während der schlimmsten Auswüchse der Corona-Impfkampagne.
Kritiker zweifeln bereits, inwiefern der impfskeptische Robert F. Kennedy Jr., sollte er, wie zu erwarten, das Gesundheitsresort erhalten, eine gründliche Aufarbeitung der Auswüchse der Pharmalobby durchführen können wird. Noch im April dieses Jahres schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social, dass RFKs Ansichten über Impfstoffe „FAKE“ wären. Gewiss, das war im Wahlkampf, doch es darf bezweifelt werden, dass sich Trump in der jetzigen Stimmung etwas vom abgeschlagenen dritten Kandidaten in seinem Kabinett vorschreiben ließe.
Vielleicht ließe er sich aber etwas von den mächtigen Lobbyverbänden und Wahlkampfspendern vorschreiben. Unter letzteren ist zwar ein Elon Musk, der öffentlich auf eine Umsetzung der Versprechen des „Project 47“ hofft, aber alle anderen scheinen auf altbewährte Methoden der Lobbyarbeit im Hintergrund zu setzen.
Ein Trend scheint sich bereits abzuzeichnen: Wirtschaftlich wird es unter Trump sicherlich bergauf gehen. Der energetische Umschwung von erneuerbaren Energien hin zu modernen und effizienten Energiegewinnungsformen wie Nuklearenergie und Fracking setzt nicht erst mit Trump ein, sondern wurde bereits mit dem Abschied großer Investoren wie BlackRock und JP Morgan aus ESG-Programmen zu Jahresbeginn eingeläutet. Es ist gewissermaßen kein direkter Erfolg Trumps, auch wenn die Ernte der Früchte in seine Amtsperiode fallen wird.
Und mit der Ernennung von Tom Homan hat Trump einen medienwirksamen Polterer gefunden, der der unbegrenzten Einwanderung einen Riegel vorschieben wird und damit dem Wahlvolk das gibt, was es sich bei dieser Wahl am meisten gewünscht hat: sichere Grenzen.
Doch hinter den Kulissen beginnt das Tauziehen mit den Lobbyisten. Videos mit markigen Ankündigungen sind für die Öffentlichkeit gedacht, doch Lobbyisten suchen gar nicht die Öffentlichkeit, im Gegenteil, sie lieben das Zwielicht. Es muss ihnen ein diebisches Vergnügen bereiten, noch während gewöhnliche Menschen auf X Videos über die Bekämpfung der Lobbynetzwerke teilen, selbst bereits einige der wichtigsten Posten der neuen Administration untereinander zu verteilen.
Was bleibt Außenstehenden da noch, außer die Feststellung: Die Worte Trumps höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube?
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