Tichys Einblick
Wer findet den Anschluss?

Qualifikationsprofil: Globaler Schülervergleich in Mathematik

Großbritannien verringert den Rückstand zu den Ex-Kronkolonien. Konztinentaleuropa fällt weiter ab. In Ostasien schafft es ein Drittel bis die Hälfte aller Kinder ins Spitzensegment. Sie stellen drei Viertel der Hochbegabten weltweit.

Londons Trennung von Kontinental-Europa wird nicht ohne Grund als Abnabelung von leistungsmäßig absinkenden Territorien gesehen. Brexiteers liebten den bösen Vergleich der EU mit „einem verwesenden Leichnam“, an den man gekettet sei. In der Tat bringt England beim globalen Schülervergleich in Mathematik (TIMSS 2015) 168 von 1.000 Kindern in die höchste Leistungsgruppe. Schotten und Nordiren stehen noch besser da. In Deutschland hingen sind es 53 und in Italien bzw. Frankreich sogar nur 42 bzw. 25 von 1.000 Schülern, die sehr gut abschneiden. Es sind diese essentiellen Minderheiten, die für ihre Nationen die Hightech-Konkurrenz mit Ostasien auszufechten haben. Dort schafft es ein Drittel bis die Hälfte aller Kinder ins Spitzensegment. Sie stellen drei Viertel der Hochbegabten weltweit.

Das Qualifikationsprofil entscheidet

Boris Johnson nennt Australien ausdrücklich als Vorbild für seinen Kampf um Migranten mit „außergewöhnlichen Talenten“. Sein Land ist hinter die Kronkolonien zurückgefallen. Der fünfte Kontinent verwirft bereits 1966 seine White Australia Policy. Seitdem darf jeder die Einwanderung beantragen, der »integrationsfähig ist und über Qualifikationen verfügt, die Australien Vorteile bringen.“ Der Racial Discrimination Act von 1975 stellt diese Linie auf Dauer. Sie gilt unverändert, wie Canberras zuständiger Minister Peter Dutton 2018 ohne jede Verstellung hervorhebt: „Wir sorgen dafür, dass Menschen, die Teil unserer australischen Familie werden, hier arbeiten und nicht von Sozialhilfe leben.“ Australien wird zum ersten westlichen Land, in dem die Zuwanderer kognitiv besser abschneiden als die Alteingesessenen.

SEPARATISMUS UND MIGRATION
Separatismus und Migration, Kompetenzfestungen und Zuwanderung
Kanada folgt den Australiern mit dem Immigration Act von 1976. Bis dahin dominieren die Interessen von Unternehmern, weshalb das Ministry of Mines and Resources zugleich als Einwanderungsbehörde dient. Von nun an steht die Zukunft der Gesamtnation im Vordergrund. Schließlich ist sie es, die nach einem Bankrott von Industrieunternehmen für die Entlassenen aufkommen muss, wenn sie sich als unqualifizierbar erweisen. Wer zur Belastung für die Sozial- oder Gesundheitsdienste werden könnte, darf deshalb nicht mehr über die Grenze.

Im Gegenzug entfallen Diskriminierungen von Rasse, Religion und sexueller Orientierung. Chinesen und Juden zum Beispiel, die man bis in die 1940er Jahre scharf ausgrenzt, werden jetzt akzeptiert. Bei nicht einmal einem Prozent der kanadischen Bevölkerung bedanken sich letztere mit 28 Prozent der kanadischen Nobelpreise.

Qualifikationsprofil? In Brüssel unbekannt

Die neue Immigrationspolitik dürfte dazu führen, dass der ostasiatische Raum den arabisch-afrikanischen Raum bei den Zuwanderern auf die britischen Inseln überflügelt. Schon heute beherbergt Großbritannien – auf die Gesamtbevölkerung bezogen – zweieinhalb mal so viele Chinesen wie die Bundesrepublik. Neuseeland, Kanada und Australien hingegen übertreffen Deutschland um die Faktoren 16, 20 und 22. Auch hier gibt es für Boris Johnson also erheblichen Nachholbedarf.

Im Anglo-Block hält jetzt nur noch Amerika seine Grenzen offen. Ob Schottland sich vom Vereinigten Königreich trennt, um weiterhin Unqualifizierte nach Edinburgh zu holen, bleibt abzuwarten. Da bei PISA-Mathematik 2018 die USA mit 478 Punkten eklatant hinter den Sprachvettern liegen (am besten Kanada mit 512), wird der Brexit auch zwischen Boston und San Diego die Umsteuerungswilligen bestärken . Die sich verschärfende Konkurrenz unter den Angelsachsen um optimale Einwanderungskonzepte wiederum bringt die Rest-EU unter Zugzwang. Man darf gespannt sein, ob Brüssel oder Washington zuerst begreift, dass die Zukunft fast nur vom Qualifikationsprofil bestimmt wird.


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