Tichys Einblick
Das Ende von PV?

„Project Veritas“ trennt sich von Gründer James O’Keefe

Die amerikanische Investigativ-Plattform "Project Veritas" trennt sich überraschend von ihrem prominenten Gründer und Aushängeschild James O'Keefe. Die Darstellungen von Gründer und Unternehmen gehen auseinander. Fans deuten indes an, mit O'Keefe gehen zu wollen.

James O`Keefe spricht auf einem Kongress für junge Konservative, Phoenix, USA, 18. Dezember 2022

IMAGO / ZUMA Wire

„Journalismus bedeutet, etwas zu veröffentlichen, von dem mächtige Menschen nicht wollen, dass es veröffentlicht wird. Alles andere ist Propaganda.“ Mit diesem George Orwell zugeschriebenen Zitat begann James O’Keefe, Gründer der amerikanischen Enthüllungsplattform Project Veritas eine Videoansprache, in der er erklärte, warum er seines Amtes als CEO enthoben wurde.

Seine Rede war reiner Sprengstoff. In der 44-minütigen Ansprache erklärte er kurzerhand den Vorstand seines Project Veritas zu Lügnern und die Gegner der Enthüllungsplattform für so mächtig, dass man ihn, den Gründer, CEO und das Herz des Projekts unter fadenscheinigen Gründen vor zwei Wochen rausgeworfen hätte – drei Tage nach der Veröffentlichung des mit geheimer Kamera mitgeschnittenen Pfizer-Videos, in dem ein hochrangiger Mitarbeiter des Impfstoffherstellers über verbotene Praktiken seines Arbeitgebers plaudert. Dieses Video wurde über 20 Millionen Mal angeschaut und war der größte Erfolg in der Geschichte der Enthüllungsplattform.

Project Veritas
Nächstes Video von Project Veritas bringt Pfizer weiter in Erklärungsnot
Auf YouTube, Twitter und anderen sozialen Medien wurde die Ansprache millionenfach geklickt. Überwiegend findet sich immer wieder die gleiche Frage: Wieso kündigt man jemanden nach einem derartigen Coup? Die Reaktionen auf die Personalie folgten prompt. Sponsoren erklärten, nicht mehr spenden zu wollen, was sich für PV als fatal erweisen könnte. Im Nachgang des Pfizer-Scoop von Project Veritas und der einmal mehr angewachsen Popularität um das Projekt, kam es unter anderem in einem Twitter Space im Zeitraum von einer Stunde zu einem sehr hohen Aufkommen an Spenden durch Nutzer – die von einem Investor dann noch einmal verdoppelt wurden.

Mit den aktuellen Neuigkeiten um das Ausscheiden von O’Keefe drückten bisher bereits zigtausende den „unfollow“-Button bei Project Veritas und wechselten zum Privataccount O’Keefes. Der Hashtag #Veritas war bei Twitter innerhalb weniger Stunden unter den Top Ten. Viele Prominente erklärten ihre Solidarität gegenüber dem Veritas-Gründer.

Wer James O’Keefe in Deutschland noch nicht kennen sollte – er ist im Prinzip ein amerikanischer junger Günther Wallraff. Das Besondere an seiner Arbeit: Sein Fokus ist konservativ, seine „Opfer“ sind Politiker der Demokratischen Partei, Abtreibungskliniken, Gewerkschaften, sogenannte progressive Einrichtungen. Mit versteckter Kamera und geschickter Schauspiel- und Schnitttechnik entlarvt er seit 15 Jahren, anfangs noch im Alleingang, Politiker und Firmen.

O’Keefe ist bekannt dafür, ungewöhnliche Wege zu gehen, oft am Rande der Moral und des Gesetzes. Vorschriften lässt er sich nicht machen, Autoritäten interessieren ihn nicht. „Im Prinzip zahlte ich ihm nur ein Gehalt, um das Recht zu haben, als Erster seine Videos veröffentlichen zu können“, sagt Andrew Breitbart einmal, für den O’Keefe 2010 kurzfristig arbeitete, bevor dieser dann Project Veritas gründete. Im August 2014 verkleidete er sich zum Beispiel als Osama bin Laden (der drei Jahre zuvor gestorben war) und überquerte die Grenze zwischen den USA und Mexiko in Texas in beide Richtungen, um „zu zeigen, dass unsere gewählten Beamten das amerikanische Volk über die Grenzsicherheit belügen“. Die Aktion wurde so populär, dass Senator John McCain in Anhörungen im Kongress darüber sprach.

Also was genau ist jetzt passiert? Hat Pfizer Druck gemacht? Hat O’Keefe sich nun mit den Falschen angelegt? Wollte man die unliebsame „Dreckschleuder“ mit allen Mitteln los werden? Glaubt man dem Vorstand, waren einzig interne Gründe ausschlaggebend für den Konflikt. Mitarbeiter hätten sich über seinen Führungsstil beschwert, außerdem hätte er private Ausgaben mit dem Geld der Sponsoren beglichen bzw. einen ausschweifenden Lebensstil gepflegt.

O’Keefe kontert dazu im Video, dass er sicher kein Chef sei, der sich nach privaten Befindlichkeiten seiner Mitarbeiter erkundige, er sei ein Arbeitstier und Zwischenmenschliches könne er zugegebenermaßen schlecht rüberbringen. Dafür sei er aber rund um die Uhr mit vollem Herzen und vollem Einsatz bei Project Veritas engagiert, immer „24/7“. Die angeblichen Unterschlagungen führt er ad absurdum mit einem Screenshot, in dem ihm vorgeworfen wird, eine hohe Summe Geld für seine Hochzeit verwendet zu haben. Er sei Junggeselle, niemals verheiratet gewesen und das Geld sei für die Weihnachtsfeier der Firma verwandt worden, erwidert er süffisant. Ihm sei es immer nur um die Sache gegangen und er wisse, dass etliche Mitarbeiter das ähnlich sehen. „Mir hat einmal ein Mitarbeiter gesagt, dass er lieber nachts bei Walmart noch die Regale auffüllte, als das Projekt zu verlassen.“

In den USA mehren sich Stimmen, dass noch weitaus mächtigere Kräfte hinter der Entlassung stehen können als nur das Pfizer-Management. Project Veritas war auch in die Enthüllungen des Tagebuchs von Joe Bidens Tochter involviert, in dem sie über gemeinsames Duschen mit ihrem Vater schrieb und darüber, wie sie als Kind bereits hypersexualisiert wurde. Zwar hat die Enthüllungsplattform das Tagebuch nicht veröffentlicht – was strafbar gewesen wäre –, war aber in die Beschaffung verwickelt. O’Keefes privates Apartment wurde vom FBI durchsucht, er selbst in Handschellen und Unterhosen abgeführt.

Weder O’Keefe noch die Plattform wurden angeklagt, aber der Druck nahm seither stetig zu. Sowohl Project Veritas als auch der Privataccount O’Keefes wurden von Twitter suspendiert und erst unter der neuen Führung von Elon Musk wieder aktiviert. Das Pfizer-Video war nach der Aktivierung gleich der erste Coup. Niemand weiß, was die Enthüllungsplattform noch in der Hinterhand hat.

Feiern, gar freuen sollten sich Kontrahenten indes noch nicht. O’Keefe hat bereits angekündigt, weitermachen zu wollen – mit einem neuen Namen und neuem Projekt. Seine Unterstützer wollen ihm folgen.

Der Vorstand von Project Veritas verkündete schon, dass man „ihn doch gar nicht entlassen“, sondern nur einige Dinge mit ihm habe klären wollen. Es bleibt spannend.

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