„Wir planen, als Königliche Hoheiten in gehobenem Rang zurückzutreten und finanziell unabhängig zu werden.“ (Harry Windsor und Meghan Windsor, geb. Markle)
Sie haben gedacht, schlimmer als mit dem Brexit könne es für Großbritannien nicht kommen? Sie haben sich geirrt. Das derzeit größte gesellschaftliche Erdbeben auf der Insel heißt „Megxit“ (das ist eine Kombination aus Meghan und Brexit).
Seit Donnerstagmittag dreht das Vereinigte Königreich geradezu durch, weil Prinz Harry – derzeit Nummer Sechs in der offiziellen Thronfolge – angekündigt hat, seinen royalen Job aufzugeben. Das letzte Mal passierte so etwas Unerhörtes vor 84 Jahren: 1936 dankte König Eduard VIII. ab, weil er unbedingt eine schon zweimal geschiedene US-Amerikanerin heiraten wollte.
Jetzt also Harry. Auch der Herr Prinz und seine Frau Meghan (eine US-Amerikanerin, schon wieder …) haben keine Lust mehr, ihren Verpflichtungen als gehobene Mitglieder der Königsfamilie nachzukommen: all die repräsentativen Termine und so. Stattdessen wollen sie sich mehr um sich selbst sowie um ihr Kind kümmern. Später möchte Harry sich einen Job suchen, mit dem er seine Familie auch ohne die Zuwendungen aus dem britischen Staatshaushalt ernähren kann.
Ihren Entschluss haben der Herzog und die Herzogin von Sussex, der offizielle Titel der Eheleute, der Welt so mitgeteilt, wie sich das heutzutage gehört – im Internet, genauer: in den Sozialen Medien; noch genauer: auf Instagram. Das Internet – genauer: die Sozialen Medien – danken es dem bald also nicht mehr ganz so königlichen Paar mit Jubelorgien. Toll, wie die beiden sich von der verstaubten Monarchie emanzipieren. Toll, dass der junge Prinz bald richtig arbeiten und nicht mehr auf Staatskosten leben will. Toll, dass Harry sein Leben nicht von der Pflicht bestimmen lässt.
Nun sind wir hier allerdings nicht auf Instagram, und dies ist nicht die Online-Ausgabe der „Bunten“. Hier sind ein paar Erwachsene mit Lebenserfahrung nebst dazu passender Sicht auf die Welt unterwegs. Und aus dieser Perspektive drängt sich die Frage auf:
Was genau soll daran toll sein?
Was ist toll daran, dass Harry und Meghan sich de facto von der Monarchie abwenden? Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich bin kein Monarchist. Persönlich halte ich Königshäuser bestenfalls für harmlosen Klimbim, schlimmstenfalls für verachtenswerte Instrumente zur Unterdrückung des Volkes. Aber die Briten, das zeigen alle Umfragen, hängen an ihren Royals – und politisch richten die ja auch keinerlei Schaden an (selbst die derben Späße von Prinz Philipp haben noch nirgendwo eine diplomatische Krise ausgelöst).
Großbritannien ist eine tatsächlich funktionierende Konstitutionelle Monarchie. Wenn das Volk seine Königsfamilie behalten will – bitte sehr.
Was ist toll daran, dass Harry seine königlichen Pflichten nicht mehr erfüllen will? Sicher, für einen Zweitgeborenen kann das Leben ziemlich hart sein. Große Brüder können lange Schatten werfen, das ist nicht nur bei Königs so. Aber in vielen Familienbetrieben werden den Kindern verschiedene Rollen zugewiesen, und nicht alle sind mit ihrer immer zufrieden. Das ist in Familien so.
Natürlich kann man sich dazu entscheiden, den Familienverband zu verlassen und es auf eigene Faust zu versuchen. Damit wendet man sich von der Familie ab. Kann man machen. Es gibt aber auch Viele, die ihren eigenen Platz im Leben finden, ohne ihrer Familie den Rücken zu kehren.
Was ist toll daran, dass Harry sich bald einen Job suchen und finanziell unabhängig sein will? Der Plan hat nämlich einen Haken: Es scheint nicht vorgesehen, dass der Prinz das zurückzahlt, was die königliche Familie (und damit der britische Steuerzahler) bisher in ihn investiert hat. Harry Windsor hatte in seinem Leben bisher immer nur das Beste vom Besten: die besten Schulen, die besten Universitäten, die beste Erziehung, die beste Unterkunft, die beste Gesundheitsversorgung, die besten Möglichkeiten. Er verfügt mit seinen 35 Jahren über Kontakte, für die andere buchstäblich alles täten.
Es ist auch keine allzu abwegige Vermutung, dass er seine heutige Ehefrau nicht kennen gelernt hätte, wäre er nicht Prinz mit Umgang in den entsprechenden Kreisen gewesen. Kurz: Was der junge Mann heute ist, verdankt er dem Königshaus – das vom britischen Volk alimentiert wird.
Aber statt etwas zurückzugeben, will er sich jetzt selbst verwirklichen.
Wir leben in Raum und Zeit, das liegt nicht in unserer Hand. Unsere Familie können wir uns nicht aussuchen. Das heißt, dass wir in Bindungen und auch in Pflichten hineingeboren werden – jeder von uns, ob König oder Bettler. Das zu akzeptieren und trotzdem etwas aus dem eigenen Leben zu machen, zeugt von Größe. Davor davonzulaufen, ist feige und selbstsüchtig.
Harrys großer Bruder führt vor, wie man mit Würde die Pflichten annimmt, die man geerbt hat – obwohl man sie sich nicht aussuchen konnte.
Vergesst Harry und Meghan.
Es leben William und Kate.