Tichys Einblick
Misstrauensvotum des Volks an die Regierenden

Prag: Zehntausende fordern Rücktritt der Regierung Fiala und Neuwahlen

In Tschechien formiert sich ein breites Bündnis, das von Sozialdemokraten bis hin zu Rechtsnationalen reicht und die Prager Regierung in die Wüste schicken will. Redner auf dem Wenzelsplatz kritisierten die „Regierung der nationalen Zerstörung“ und sehen hunderte Firmenpleiten voraus.

Demonstration auf dem Wenzelsplatz in Prag am 28. Oktober 2022

IMAGO / AFLO

Am Freitag war der Tag des Heiligen Wenzels, des Nationalheiligen der Tschechen. Und so waren erneut Zehntausende auf dem zentralen Wenzelsplatz zusammengekommen, allerdings nicht um zu feiern, sondern um ihrem Ärger Luft zu machen. Die Tschechen demonstrierten so zum dritten Mal in kurzer Folge gegen die Politik der tschechischen Regierung von Petr Fiala und die hohen Energie- und Lebenshaltungskosten. Die Zahl der Demonstranten bestätigte auch die Polizei, die mit hunderten Beamten in Prag vertreten war. Insgesamt gab es 15 angemeldete Demonstrationen an diesem Tag in Prag.

Unter dem Motto „Tschechien zuerst“ wurden der Rücktritt der Mitte-Rechts-Regierung sowie vorgezogene Neuwahlen gefordert. Daneben verlangten die Demonstranten die handelspolitische und militärische Neutralität ihres Landes im Ukraine-Konflikt, das heißt ein Ende der Unterstützung für die Ukraine und neue Gaslieferverträge mit Russland. Auf Transparenten hieß es unter anderem „Wir wollen keine Regierung der nationalen Zerstörung“ oder „Stoppt die Preiserhöhungen“. In Sprechchören wurde „Rücktritt! Rücktritt!“ skandiert. Verschiedene Redner forderten die Auflösung der Regierung durch den Präsidenten Miloš Zeman, wie die Zeitschrift der Deutschen in Tschechien, das Landesecho berichtet.

Daneben wurden die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge und die gestiegene illegale Zuwanderung scharf kritisiert. Eine „geplante Verwässerung der Nation“ werde so ins Werk gesetzt, wie einer der Organisatoren der Demonstration, der Aktivist Ladislav Vrábel, formulierte. Auch der Austritt aus EU, Nato und den Vereinten Nationen wurde gefordert. Vor allem die EU wird für die derzeitige Lage mitverantwortlich gemacht.

Sozialdemokrat Paroubek: Bald könnten Hunderttausende auf der Straße stehen

Neben mehreren eher nationalkonservativ orientierten Parteien hatte auch die Kommunistische Partei zu der Demonstration auf dem Wenzelsplatz aufgerufen. Mehrere Parteien waren mit Ständen und Rednern vertreten. Einer der Redner war der ehemalige sozialdemokratische Ministerpräsident Jiří Paroubek, der die Demonstranten in ihrer Kritik bestärkte: „Wir müssen alle zu Recht Angst haben, dass es kein Erdgas geben wird.“ Man stehe am Beginn einer großen Krise.

Die Gasspeicher des Landes sind – ähnlich wie die deutschen – zu rund 95 Prozent gefüllt. Doch Paroubek kritisierte die Regierung mit deutlichen Worten: „Wir müssen uns entscheiden, und diese Regierung hat sich entschieden. Sie gießt Öl ins Feuer.“ Der Lebensstandard der Bürger sinke durch die hohe Inflation. Hunderte tschechische Unternehmen könnten bankrott gehen, hunderttausende Arbeitnehmer früher oder später auf der Straße landen. Die Regierung verhalte sich antinational und anmaßend gegenüber dem eigenen Volk.

Neben Prag waren auch die Städte Brünn, Pilsen und Reichenberg (Liberec) der Schauplatz weiterer Demonstrationen. Auch in Ostrau (Ostrava) gab es eine von der EU-skeptischen Rechtspartei „Freiheit und direkte Demokratie“ (Svoboda a přímá demokracie, kurz SPD) organisierte Demonstration. Der Parteivorsitzende Tomio Okamura warf der Regierung vor, die Preise absichtlich hoch zu halten und den Krieg in der Ukraine aus Profitgründen zu unterstützen: „Die Regierung stürzt Millionen von Menschen und Unternehmen in riesige Probleme.“ Man müsse der Regierung Einhalt gewähren, sonst werde es noch größere Probleme geben. Okamura sieht die Renten und die Gesundheitsversorgung der Tschechen in Gefahr.

In Prag war auch die deutsche AfD mit der Europa-Abgeordneten Christine Anderson und dem Bundestagsabgeordneten Petr Bystron vertreten und erklärten ihre Solidarität mit den Demonstranten. Am 17. November ist der nächste Protestmarsch geplant, wie die Organisatoren bekannt gaben. Mit-Organisator Vrábel sieht die Bewegung, die im September mit einer Versammlung von 70.000 Demonstranten begann, als den „Beginn einer neuen gewaltfreien Revolution, die nicht länger aufgehalten werden kann“.

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