Die neue Bundesregierung spricht mit gespaltener Zunge zu Polen. Die deutsche Polen-Politik ist, vorsichtig gesprochen, etwas konfus. Es ist, als ob Olaf Scholz nur halbherzig dem Rat Helmut Schmidts folgt, den dieser einst bei der Verleihung des Ehren-Bambi 2011 gegeben hatte: „Wir Deutschen müssen weiterhin eine Gesinnung der guten Nachbarschaft pflegen. Bedenken Sie immer wieder, dass die Franzosen und die Polen seit eintausend Jahren unsere Nachbarn sind. Und sie werden es auch am Ende dieses 21. Jahrhunderts sein.“ Eine friedliche Nachbarschaft mit allen EU-Partnern hielt Schmidt damals gar für den „entscheidend wichtigen Teil aller unserer Pflichten“. Doch zum Mindesten müsse man solidarisch mit den Nachbarn und Partnern sein.
Scholz sagt so, Baerbock das Gegenteil
Kurz vor Scholz war die neue Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Warschau gewesen und trat dafür ein, dass „humanitäre Hilfe zur Verfügung steht, und zwar auf beiden Seiten der Grenze“. Der Glaube scheint zu sein, dass die polnischen Soldaten und Grenzbeamten zu solcher Hilfe, zum Beispiel im Falle eines über die grüne Grenze nach Polen eingedrungenen Migranten, nicht fähig oder nicht bereit wären. Der Subtext der Baerbock-Aussage ist ein doppelter: Sie will Lukaschenko humanitäre Hilfe aus dem Westen aufdrängen. So weit, so human. Mit dem dann gezückten Portemonnaie will sie aber auch die Polen dazu zwingen, von ihrem nagelneuen Grenzschutzgesetz gleich wieder Abschied zu nehmen und das Grenzgebiet für alle Arten von nationalen und internationalen Akteuren zu öffnen. Das letztgenannte dürfte die eigentliche Zielrichtung ihrer Äußerung gewesen sein: NGOs sollen von hinten Lukaschenko helfen, Polens Grenzen zu knacken.
Will Deutschland einen Keil zwischen Polen und die EU treiben?
Und dabei ist das, was mit einer Grenze geschieht, die von Hilfs-NGOs umlagert wird, nichts Unbekanntes. In Polen hatte jüngst der gecharterte „Solibus“ der deutschen Seebrücke und des grünen Aktivisten Erik Marquardt uns einen Vorgeschmack gegeben. Ins eigentliche Grenzgebiet konnte der Bus nicht vorstoßen. Was die den Grünen nahestehenden Aktivisten ausrichten wollten, bleibt unklar. Warme Decken und Nahrung wollten sie angeblich zu den Migranten bringen – obwohl die sich auf der anderen Seite der Grenze befanden. Offenkundig sollte der Bus ein Loch in die Grenze fahren, um so den Strom nach Westen auszulösen. Polen dagegen beschützt diese Grenze und handelt damit tatsächlich im Interesse der EU. Doch heute verdichtet sich durch die Äußerungen der Ministerinnen Baerbock und Faeser der Eindruck. dass die Bundesregierung hier einen weiteren Keil zwischen Polen und die EU treiben will.
Die lebhaftesten Beispiele für das Interagieren einer von illegalen Migranten belagerten Grenze mit NGOs, die sich als „Hilfsorganisationen“ im weitesten Sinne des Wortes verstehen, haben wir im Mittelmeer und speziell in der Ägäis gesehen. So waren etwa im Jahr 2016 auf Lesbos 115 NGOs mit 8.000 Mitarbeitern tätig. Einige von ihnen mögen Nahrungsmittel und anderes Nützliche an die Migranten verteilt und sich so im griechischen Asylsystem nützlich gemacht haben, das keine hohen Steuereinnahmen in seinem Rücken hatte (und hat). Die 2015 gewählte Regierung des radikal-linken Alexis Tsipras ließ sich diese Hilfe gefallen und hatte auch nichts gegen weitere Aktivitäten der häufig deutschen NGOs. Er sah er sein Land ohnehin nur als Durchgangsstation der Migranten auf dem Weg nach Westeuropa.
Griechenlands mühsamer Kampf gegen die NGOs
Der griechische Staat ist heute noch immer dabei, die Trennlinien herauszuarbeiten, an die sich NGOs zu halten haben. Das bezieht sich zum Beispiel auf die umstrittene „Seenotrettung“, an der sich – einem romantischen Traum folgend – seit 2015 zahlreiche Halbwüchsige aus Nord- und Westeuropa beteiligen wollen. Ein Wohlstandstraum – die Sehnsucht nach einem unmittelbaren Bezug zur eigenen Umwelt schien das wichtigste Motiv jener Jungaktivisten zu sein, die damals in Scharen ans Mittelmeer zogen, um Migranten aus den Wellen zu fischen –, und dabei doch nur das Geschäft von finanzkräftigen Schlepperbanden besorgen.
Im November sollte nun ein Prozess gegen 24 solche „Flüchtlingshelfer“ auf Lesbos beginnen, darunter der Deutsch-Ire Seán Binder. Das damit befasste Gericht will den Fall inzwischen an ein höherstehendes Gericht übergeben. Die Ermittlungen hatten schon 2018 begonnen. Den Beschuldigten werden Spionage, Geheimnisverrat und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.
Ganz ähnlich ist der neuere Fall gelagert, über den auch TE seit September 2020 ausführlich berichtet hat. Der Fall geht zurück auf ausgedehnte Ermittlungen der griechischen Sicherheitsbehörden, die sogenannte Operation „Alkmene“, an der neben der griechischen Polizei und Küstenwache auch der Inlandsnachrichtendienst, die Antiterrorbehörde und mehrere Analysezentren der Polizei beteiligt waren. Gegenstand des Verfahrens sind die Aktivitäten von einigen NGOs beziehungsweise ihrer 35 Mitglieder und Mitarbeiter auf Lesbos.
Laut dem Generaldirektor der Polizeidirektion Nordägäis, Eleftherios Douroundous, haben NGO-Mitarbeiter die Bootsüberfahrten in der Ägäis engstens überwacht und – so die griechischen Ermittlungsergebnisse – gesteuert. In der griechischen Presse kursierte hierzu eine große Menge an Informationen, die teils direkt von den zuständigen Behörden stammen: So wurden angeblich Abfahrtsorte der Boote in der Türkei gegenüber von Lesbos, die Route über die Meerenge und der geeignete Landpunkt geplant, kommuniziert und durchgeführt. Nicht mehr um Seenotrettung ging es dabei – sondern um die Planung und Organisation der Überfahrt und zwar möglichst so, dass die griechische Küstenwache ausmanövriert werden konnte. Dazu wurde angeblich mit einfachen Mitteln sogar der Seenotfunk gestört. Nicht um Hilfe für Schiffbrüchige geht es also nach Ansicht der griechischen Behörden, sondern um das gezielte Einschleusen. TE hat vielfach darüber berichtet und wurde in eine Reihe extrem kostspieliger Prozesse verwickelt, die sich mittlerweile auf einen mittleren fünfstelligen Betrag belaufen. Nur mit Hilfe und Unterstützung engagierter Leser konnte TE bisher Stand halten.
Trotzdem musste TE vorerst Artikel aus dem Netz nehmen, die die Umtriebe der meist aus Deutschland gesteuerten NGOs beschreiben und jetzt von griechischen Gerichten aufgeklärt werden sollen. Denn vorerst unterliegen die Ergebnisse der griechischen Behörden noch der Vertraulichkeit.
Schwere Vorwürfe gegen verschiedene NGOs
Auch der griechischen Presse ist bewusst, dass die von den Klagen betroffenen NGOs große Geldbeträge aufwenden, um verschiedene Rechtsstreitigkeiten für sich zu entscheiden. Dabei geht es angeblich neben der „Ausbeutung“ von Schleuserrouten zwischen dem türkischen Festland und den Inseln der nördlichen Ägäis um den Brand des Lagers Moria, der sich in so merkwürdiger Weise mit den Ermittlungen gegen die NGO-Mitarbeiter überkreuzte. Beide Höhepunkte des Geschehens fielen in die ersten Tage des Septembers 2020.
Doch die Ermittlungsergebnisse der griechischen Polizei gehen noch weiter, reichen am Ende deutlich über die Beobachtung und Lenkung von Migrantenbooten hinaus. Auch in dem Verfahren vom September 2020 ging es laut Polizeibericht um die Vorwürfe der Spionage und des Verrats von Staatsgeheimnissen, zuletzt um die Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Das belegt auch eine neue Hintergrundanalyse für TE, die auf die Erkenntnisse der griechischen Behörden zugreifen und detaillierte Karten, Vorgehensweisen und Logbücher auswerten konnte.
Letztlich wird den 35 NGO-Mitarbeitern die Verletzung des griechischen Migrationsgesetzes vorgeworfen. Das ist der zentrale Vorwurf der griechischen Behörden: dass die Aktivisten durch verschiedene Handlungen die illegale Einreise von sogenannten Migranten aus der Türkei nach Griechenland erleichtert und zugleich die Arbeit der griechischen Küstenwache behindert haben. Dass einige der NGOs in der Türkei tätig waren – wie vom Polizeidirektor Douroundous behauptet und durch verschiedene Hinweise unterstützt wird –, verstärkt nur den Eindruck, dass hier auch aus der Türkei heraus illegale Einreisen geplant und unterstützt wurden.
Die Namen der mutmaßlich beteiligten, meist aus Deutschland stammenden NGOs kann TE derzeit aufgrund der laufenden Rechtsstreitigkeiten nicht nennen, auch wenn sie seit der Übergabe der Ermittlungsakten an die Staatsanwaltschaft von Lesbos inoffiziell bekannt sind. In Griechenland war es leider auch der deutsche Botschafter Ernst Reichel, der sich durch verschiedene Interventionen – angeblich mit außergewöhnlich starkem Druck – anscheinend auf die Seite der NGOs gestellt hat. Wie weit das mit Unterstützung aus Berlin geschah oder wegen seiner fragwürdigen Privatmeinung ist unklar, nachdem er mit unverständlichen Tweets über einen osmanischen Lokalpascha für entgeisterte Reaktionen sorgte. Laut der Nachrichtenwebsite Parapolitika (Bericht vom Juni 2021) bewegen sich die verdächtigen NGO-Mitglieder noch immer frei auf der Ägäis-Insel, beschützt von verschiedenen westeuropäischen Botschaften und Amnesty International. Hier zeigt sich das Zusammenwirken von Staaten wie Deutschland mit NGOs, die gegen die Gesetze ihres Gastlandes verstoßen, um Einwanderung zu erzwingen.
Wie NGOs versuchen, Grenzen zu öffnen
Das alles lässt mit Bezug auf Polen nur einen Schluss zu: Es ist gefährlich, die Sicherung einer Grenze mit Nichtregierungsorganisationen zu teilen, die ganz andere Ziele verfolgen, nämlich deren Aufhebung zugunsten massenhafter Einwanderung. Letztlich können sich daraus auch Angriffe auf die Souveränität einer Grenze, ja eines Staates ergeben, die Griechenland in den vergangenen beiden Jahren aufwendig zurückdrängen musste, weil sich in den Jahren zuvor eine Art Gewohnheitsrecht für NGOs ergeben hatte.
Wie sich herausstellte, waren die sieben Eindringlinge polizeibekannt und bereits wegen verschiedener Vergehen angeklagt, so die Nachrichtenwebsite Parapolitika. Die sieben von Mytilini waren demnach schon seit dem Sommer 2020 Gegenstand von staatsanwaltlichen Ermittlungen – nämlich just jener Ermittlungen, die sich infolge der Operation Alkmene gegen die vier auf der Insel aktiven NGOs richteten. Es handelte sich angeblich um einen Schweizer, einen Niederländer, zwei Deutsche und drei EU-Bürger unbekannter Nationalität. Einer der beiden erneut festgenommenen Deutschen soll – laut der griechischen Presse – noch zum Zeitpunkt des Prozesses Nachrichten und Bilder an eine türkische Mobilnummer geschickt haben, um über den Fortgang des Prozesses zu informieren. Auch daran zeigt sich, dass die NGOs, ausgestattet mit ungeheuren Finanzmitteln und Hilfen westlicher Staaten, sich längst zu einem Staat im Staat entwickelt haben, um dessen Grenze zu zerstören.
Anmerkung in eigener Sache: TE hat mehrfach über ähnliche Praktiken von NGOs berichtet, die auf diese Weise den Menschenschmuggel von der Türkei nach Griechenland befördern. Auch hier geht es um logistische Unterstützung und Informationen über Standorte der Küstenwache, Abfahrts- und Ankunftsorte. Mittlerweile sieht sich TE rund einem halben Dutzend Abmahn- und Folgeverfahren ausgesetzt und musste vorerst informative Beiträge aus dem Netz nehmen; auch Presseberichte aus Griechenland und Mitteilungen der dortigen Behörden dürfen wir nicht mehr verbreiten. Nichts soll über das Treiben in Deutschland bekannt werden. Diesen Maulkorb fechten wir an und werden dies bis zur Letzt-Entscheidung bringen. Daran arbeiten Anwälte in Deutschland wie in Griechenland im Auftrag von TE; unterstützt von kompetenten Rechercheuren. Solche Verfahren ziehen sich über Monate und Jahre. Das wissen die Kläger und wollen uns so zum Einlenken zwingen. Da sie von Kirchen und dem Staat gefördert werden, setzen sie darauf, dass sie den längeren Atem haben. Es geht mittlerweile um Aufwendungen in sechsstelliger Höhe. Wir fassen aber den Kampf um die Pressefreiheit als unsere Aufgabe auf. Die Vorgänge in Polen zeigen, dass es sich um ein Verhaltensmuster handelt, mit dem an mehreren Stellen die Außengrenze der EU durchbrochen werden kann. Auch über die Situation an der Grenze zu Weißrussland berichtet TE umfassend und laufend. Es zeigt sich: Hier handelt es sich um ein organisiertes und abgestimmtes Vorgehen von NGOs und linken Regierungen, wie die Äußerungen der neuen Bundesministerinnen beweisen.