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Gastgeber im eigenen Haus bleiben

Polen: Morawiecki kündigt Referendum zur EU-Asylpolitik an

Mit dem Ratsbeschluss vom Juni will die EU wieder einmal die Umverteilung von Migranten auf die Mitgliedsstaaten einführen. Nimmt ein Staat nicht auf, soll er zu Strafzahlungen verpflichtet werden. Ungarn und Polen wollen das nicht akzeptieren. Der polnische Ministerpräsident will die eigenen Bürger dazu befragen.

Polens Premierminister Mateusz Morawiecki bei Pressekonferenz in Warschau, Polen, am 3. Juli 2023

IMAGO / NurPhoto

Die polnische Regierung will die Bürger über den EU-Asylbeschluss von Anfang Juni abstimmen lassen. Es geht dabei um die verpflichtende Verteilung von Migranten auf verschiedene EU-Staaten, die gern als solidarisch beschrieben wird, es aber gar nicht ist, wie gerade die unproportionale Belastung deutscher Kommunen durch die illegale Zuwanderung belegt. Wenn ein Land die Aufnahme von Migranten ablehnt, soll laut dem EU-Entwurf – der offenbar noch nicht in trockenen Tüchern ist – eine Ausgleichs- oder Strafzahlung von 22.000 Euro pro abgelehntem Migranten fällig werden. Das eingenommene Geld soll dann entweder für die Unterbringung von Migranten oder für andere Maßnahmen der Migrationspolitik eingesetzt werden.

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Es scheint ein ewiges Thema zu sein: Wie können illegale Migranten, die sogenannten „Flüchtlinge“, möglichst gleichmäßig über die gesamte EU verteilt werden? Dieses Vorhaben ist bisher immer gescheitert oder mit einseitigen Übernahmezusagen (Deutschlands) ausgegangen. Die Migranten verteilen sich derweil von ganz alleine im Staatenblock EU und folgen darin Anerkennungschancen und dem Geld. Dieses Phänomen wird man durch keine verordnete „Umverteilung“ kurieren können.

Und doch versucht es die EU – oder besser gesagt, einzelne Akteure in ihr – immer wieder, einen solchen Verteilungsmechanismus zu begründen. Das geschah nun erneut auf dem Brüsseler Gipfel von Anfang Juni. Doch zwei Länder waren gar nicht einverstanden mit diesem „EU-Asylkompromiss“. Polen und Ungarn lehnen die Alternative von Aufnahme oder Strafzahlung ab. Ein Kompromiss oder gemeinsamer Beschluss war das folglich nicht, eher der Versuch eines Diktats.

Morawiecki spricht von „Zwangsumsiedlung“ und einer Politik gegen polnische Kultur

Nun will Polen seine Bürger über die neu-alte Verteilungsidee abstimmen lassen. Das verkündete Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Sonntag über X (früher Twitter). Zugleich mit den polnischen Parlamentswahlen will die Regierung den Bürgern am 15. Oktober insgesamt vier Referendumsfragen zur Abstimmung vorlegen.

In seinem Online-Video verkündete Morawiecki die Frage zum Asylbeschluss. Die Fragestellung soll demnach lauten: „Unterstützen Sie die Aufnahme tausender illegaler Einwanderer aus dem Nahen Osten und Afrika in Übereinstimmung mit dem von der europäischen Bürokratie auferlegten Zwangsumsiedlungsmechanismus?“ Man wolle die Polen fragen, ob sie „mit der Politik von Weber und Tusk einverstanden sind, mit der Politik, die die polnische Kultur zerstören will“.

An der Frage fallen zwei Dinge auf: Zum einen hebt Morawiecki die Herkunft der illegalen Einwanderer aus dem Nahen Osten und Afrika hervor, was eine Integration in Polen zweifellos erschwert. Zum anderen spricht er richtigerweise von einer erzwungenen Umsiedlung der illegalen Migranten und spielt damit auch auf die bekannten Resettlement-Pläne von UN und EU an, denen sich Polen nicht beugen will.

Schon Ende Juni hatte der Vorsitzende der Regierungspartei PiS, Jarosław Kaczyński, angekündigt, dass die polnische Regierung sich an dieser Stelle der Unterstützung der polnischen Bürger versichern wolle: „Wir werden nicht zustimmen, ebenso wenig wie die polnische Nation, und das muss Gegenstand eines Referendums sein.“ Und man darf sich fragen, wann endlich in Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien ähnliche Referenden abgehalten werden, um die Nicht-Gangbarkeit der Idee zu beweisen.

Daneben sollen drei weitere Fragen – so über die Anhebung des Pensionsalters oder die Privatisierung staatlicher Unternehmen – zur Abstimmung gestellt werden. Am Montag wird der Ministerrat den Wortlaut aller vier Referendumsfragen verabschieden.

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Ebenfalls am Sonntag sprach Morawiecki bei einem Ortstermin über die Sicherheit Polens und „warum es so wichtig ist, dass wir der Gastgeber in unserem eigenen Haus bleiben“. Man müsse selbst entscheiden, wen wir auf unserem Territorium aufnehmen wollen und wen nicht. Morawiecki ging zudem auf die „Bilder aus Paris, Stockholm, Malmö oder Marseille“ ein, die er auf die „tragische Politik des Multikulturalismus“ zurückführt. Gemeint sind offenbar schwedische Bandenkriege und die wiederkehrenden Unruhen von Migranten, die in den französischen Banlieues auftreten. Durch den Wahlsieg der PiS im Jahr 2015 sei Polen dieses Schicksal erspart geblieben. Die vorangehende Regierung unter Donald Tusk habe „zehntausende von Plätzen für illegale Einwanderer vorbereitet“ und würde diese Politik nach einer Wiederwahl wieder aufnehmen. Auch in dem X-Video kommt Tusk mit einer Aussage zur „europäischen Solidarität“ vor, die wie gezeigt zahnlos ist.

Offen bleibt, welchen Einfluss ein negatives Abstimmungsergebnis auf das Funktionieren der EU hätte. Die polnische und ungarische Regierung hatten konsequenten Widerstand gegen den Formelkompromiss von Brüssel angekündigt, der unter Aussetzung des Veto-Rechts der einzelnen Länder gefasst wurde. Man kann dem EU-Beschluss deshalb eine verminderte demokratische Strahlkraft attestieren, da er die Auffassungen der gewählten Regierungen in Polen und Ungarn ignorierte. Nur aus den einzelstaatlichen Regierungen bezieht der Rat der EU-Regierungschefs überhaupt eine gewisse demokratische Legitimation.

Im Grunde müssten sich auch die EU-Großen über das polnische Referendum freuen, wird es ihnen doch zeigen, was man in einem nicht ganz unwichtigen Mitgliedsstaat von den Brüsseler Beschlüssen hält. Ein tieferes Interesse von EU-Seite ist aber nicht wahrscheinlich. Trotzdem könnte zumindest Polen – gesetzt, dass die Bürger die Frage eindeutig verneinen – seine Verhandlungsposition stärken.

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