Noch Ende des alten Jahres hatte der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki der italienischen Tageszeitung La Stampa ein Interview mit klaren Ansagen gegeben. Die von Massenmedien wie den etablierten Parteien von Linksaußen bis hin zur Mitte befürchtete Allianz zwischen Warschau und Rom bekam dabei sehr klare Züge. Der polnische Regierungschef erklärte einen Schulterschluss mit der italienischen Amtskollegin.
Nicht nur die prinzipielle ideologische Ausrichtung besiegelt solche neuen Völkerfreundschaften. Fratelli d’Italia und PiS verbindet deutlich mehr als eine kritische Linie gegen die derzeit bestehende EU. Sie gehören beide der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) im EU-Parlament an. Beide Parteien arbeiten dort schon seit Jahren zusammen. Fraktionsvorsitzende waren Ryszard Legutko (PiS) und Raffaele Fitto (FdI). Fitto ist kürzlich nach Rom ins Kabinett von Meloni eingestiegen – und Minister für Europäische Angelegenheiten geworden. Das alleine reicht um zu wissen, wie eng der Draht nach Polen ist – wenn Meloni es will.
Denn die derzeitige Situation kommt den Polen (noch) gelegen. Von den 63 EKR-Abgeordneten im Parlament gehören 24 der PiS, aber nur 8 den FdI an. Bei der EU-Wahl 2019 hatte Melonis Partei noch lange nicht das Gewicht wie heute. Die Sitze im EU-Parlament bilden also schon lange nicht mehr die aktuellen Realitäten ab. Ob bei der EU-Wahl 2024 diese Konstellation erhalten bleibt, ist fraglich. Auch bisherige Projekte einer großen Rechtsfraktion sind in der Vergangenheit daran gescheitert, weil einige Rechtsparteien nicht ihre hegemoniale Stellung in der Fraktion aufgeben wollen. Warschau dürfte auch in Zukunft den Wunsch hegen, eine selbstständige Position einzunehmen, statt sich zum bloßen Anhängsel Roms zu machen.
Noch liegen solche Zahlenspielereien und mögliche Rangeleien in der Ferne. Der gemeinsame Gegner schweißt zusammen – und letztlich auch die Perspektiven, die drohen, sollten sich Italien und Polen nicht zu einem Bündnis zusammenschließen, unter dem kleinere Staaten Schutz finden können – insbesondere in Mittelosteuropa – um ihre Interessen zu akzentuieren.
Das ist ein bemerkenswerter Punkt. Die EU und ihre Anhänger, insbesondere die Sozialisten, propagieren die Gefahr, dass kleinere Länder – namentlich Ungarn – die EU lahmlegen. Morawieckis Argument ist deswegen so bestechend, weil das EU-Establishment insbesondere Ungarns Schaukelpolitik in der Causa Ukraine anprangert, Polen aber als kräftigster Unterstützer der Ukraine dies offenbar nicht so sieht. Stattdessen erkennt Morawiecki in der Abschaffung des Veto-Rechts einen Weg zur „politischen Bevormundung“.
Neben der Erneuerung Europas auf einem christlich-konservativen Fundament, wie es PiS und FdI seit Jahren postulieren – statt die bloße Abrissbirne zu schwingen – existiert natürlich noch ein Thema, dass zum historischen Novum einer möglichen Gegenallianz zum Tandem Paris-Berlin gehört: die Migration. Jeder, der in die europäische Union einreisen wolle, müsse das internationale Recht respektieren, betont Morawiecki. „Diejenigen, die illegal nach Europa einreisen, sollten abgeschoben werden. Das ist keine Frage der Gewalt, sondern des Rechts“, sagte der Premier. Nur wneige Tage später verabschiedete Melonis Kabinett einen verschärften Kodex für die „Zivile Seenotrettung“. Es wurde am Dienstag von Staatspräsident Sergio Mattarella unterzeichnet.