Der polnische Grenzschutz hat den beteiligten Baufirmen erste Grenzabschnitte zur Errichtung der geplanten Barriere im Osten des Landes überlassen. Die genauen Orte werden „aus Sicherheitsgründen“ geheimgehalten, wie eine Sprecherin der französischen Nachrichtenagentur AFP sagte: „Darauf warten die weißrussischen Beamten nur, um Migranten dorthin zu schicken.“ Der gleichzeitige Bau an vier Sektionen soll garantieren, dass die Arbeiten schnell fertiggestellt werden. Schon im Juni sollen die Arbeiten beendet sein.
Insgesamt soll der verstärkte Grenzzaun auf einer Länge von 186 Kilometern errichtet werden und zusätzlich mit Kameras und Bewegungsmeldern ausgestattet werden. Laut Xinhua wurden zwei polnische Firmen beauftragt, den Zaun aus fünf Meter hohen Stahlpfosten zu errichten, die Betonplatten tragen werden. Die Grenzanlage wird laut der polnischen Regierung 353 Millionen Euro kosten und knapp die Hälfte der polnisch-weißrussischen Grenze sichern, die insgesamt etwa 400 Kilometer lang ist. 50.000 Tonnen Stahl werden angeblich für den Bau benötigt, der weder aus Russland noch aus Weißrussland importiert werden soll.
Die stellvertretende Direktorin des Grenzschutzes, Wioleta Gorzkowska, sagte Anfang Januar: „Die anhaltende Destabilisierung an der polnisch-weißrussischen Grenze bestätigt, dass die Errichtung eines permanenten Walls eine absolute notwendige und dringende Investition ist.“ Der Stahlzaun wird die bestehenden Stacheldrahtzäune ersetzen, die den Grenzschützern „Zeit kauften“. In der Zeit, in der Migranten sich an diesem provisorischen Zaun zu schaffen machten, konnten die Polen ihre Kräfte mobilisieren.
Tausende Migranten belagerten im vergangenen Herbst den polnisch-weißrussischen Grenzübergang von Brusgi–Kuznica. Doch auch nachdem der Ansturm auf den ordentlichen Grenzübergang vorüber war, setzten sich die Nadelstiche gegen den polnischen Grenzschutz fort. Weißrussland stellte den Migranten eine Lagerhalle zur Verfügung. Immer wieder wurde deutlich, dass ihr eigentliches Ziel Deutschland war.
Die Zahl der Grenzbarrieren in Europa wächst
Bis heute herrscht kein Mangel an Versuchen zum illegalen Grenzübertritt. Allein im Januar berichten die Grenzschützer von mehr als 800 Versuchen. Am Dienstag vor einer Woche gab es 33 davon, am gestrigen Dienstag 17 Versuche, bei denen 14 Personen den Stacheldraht durchtrennten und auf polnisches Gebiet vorstoßen konnten. In diesem Fall waren es elf Iraner, zwei Libanesen und ein Syrer. Daneben wurden in den letzten Tagen Migranten aus Ägypten, Eritrea, der Türkei, dem Jemen, Irak, Guinea, Pakistan, Indien, Sri Lanka, Kamerun und Ghana aufgegriffen und in Lagern untergebracht. Und immer wieder Iraker, Türken, Syrer und Jemeniten.
Mit dem Bau reiht sich Polen in die Gruppe der Länder ein, die bereits Barrieren an ihren Grenzen errichtet haben. So gibt es österreichische Zäune an der Grenze zu Slowenien, das sich seinerseits von Kroatien durch einen Zaun abschirmt. Ungarn hat an der Grenze zu Serbien und Kroatien Zäune errichtet, Griechenland seit letztem Jahr an der Grenze zur Türkei. Außerdem sind die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla seit Langem durch hohe Zäune gesichert.
Auch aus ökologischen Gründen wird der Zaunbau kritisiert. Laut der Sprecherin der polnischen Grenzschützer, Anna Michalska, will man möglichst wenige Bäume für den Bau fällen. Die Barriere selbst werde entlang der bestehenden Grenzstraße gebaut. Die polnischen Grenzschützer nehmen die ökologischen Bedenken aber auch mit Humor. In einem Tweet informieren sie, dass man die Grenze für Wisente natürlich öffnen würde, ohne zu kontrollieren, ob es sich um polnische oder weißrussische Wisente handelt.
EU-Rat: Polen fordert erweiterte Handlungsmöglichkeiten an Außengrenze
Laut EU Observer hat Polen beim EU-Rat eigene Vorschläge dazu vorgelegt, wie der Migrationskrise an der Grenze zu Weißrussland begegnet werden sollte. So wollen die Polen, dass Asylanträge nur noch an ordentlichen Grenzübergängen gestellt werden können. Illegal einreisende Migranten dürften nach dem polnischen Vorschlag nur noch dann Asylanträge stellen, wenn sie direkt aus dem Land einreisen, in dem sie verfolgt werden. Und natürlich hat Polen jede Menge Erfahrung mit Flüchtlingen, die direkt aus dem Land ihrer Verfolgung fliehen, zum Beispiel aus Weißrussland.
Die Vorschläge beziehen sich zwar nur auf Notfallsituationen, dürften aber auch als solche durchaus Sprengpotenzial in der EU haben. Ungarn ging noch weiter bei den Beratungen des Rates: Zeitweilige Beschränkungen beim Zugang zu Asyl müssten möglich sein. Sonst sei man dem Missbrauch des Asylrechts schutzlos ausgeliefert, auch angesichts der Schwierigkeit von Rückführungen. Aus der Sicht Österreichs fehlen im EU-Plan Maßnahmen zur Verhinderung von irregulärer Sekundärmigration, vor allem Gewahrsam für die aufgegriffenen illegalen Migranten.
Die genannten drei Länder bilden sozusagen den Sturm beim Kampf um ein neues Asylsystem in der EU. Im Tor standen Deutschland, Portugal und Schweden. Der deutsche Vertreter betonte eigentlich nur, dass das herrschende Asylsystem beibehalten werden soll: Betroffenen Mitgliedsstaaten solle dabei geholfen werden, „mit von Weißrussland instrumentalisierten Drittstaatenangehörigen in einer menschlichen und ordentlichen Weise“ umzugehen, wobei Grundrechte und das EU-Asylrecht berücksichtigt werden sollen. Portugal und Schweden kleideten ihren Standpunkt in die Forderung nach dem Schutz „verletzlicher Personen“.
Grenzschutz-Konferenz in Vilnius
Am Freitag trafen sich die zuständigen Minister aus EU- und Nicht-EU-Staaten (wie der Schweiz und Norwegen) in Vilnius zu einer Konferenz über Grenzmanagement. Frontex-Chef Fabrice Leggeri sagte: „Wir sind uns bewusst, dass es ein Recht auf internationalen Schutz gibt. Aber auf der anderen Seite gibt es auch illegale Verhaltensweisen und Grenzüberquerungen, die EU-Regeln widersprechen.“ Der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis ergänzte: „Migration sollte auf legalen Wegen stattfinden, nicht durch illegale Einreisen und Schleusernetzwerke.“
Am Ende unterzeichneten 15 EU-Mitglieder eine gemeinsame Erklärung zum Thema der Tagung. Organisiert hatten das Treffen Polen, Litauen, Österreich und Griechenland. Daneben gehörten Bulgarien, Kroatien, Zypern, Dänemark, Estland, Ungarn, Irland, Lettland, Malta, Rumänien, die Slowakei und Slowenien zu den Unterzeichnern. Sie alle sind dafür, dass die Schengen-Zone sichere Außengrenzen erhält und die EU-Partner bei Notfällen wie jetzt in Polen „schnell, effektiv und entschieden“ reagieren, durch diplomatische Aktionen, aber auch mit effektiven Grenzschutzmaßnahmen und „horizontalen Sanktionen“.
Ein besonderer Akzent soll in Zukunft, geht es nach den Fünfzehn, darauf liegen, die illegale Migration und den Menschenschmuggel an den EU-Außengrenzen zu bekämpfen. Daneben wird auch ein Phänomen wie „asylum shopping“ erwähnt, bei dem Migranten sich nacheinander in mehreren Ländern um Schutz bemühen – also eventuell von Anfang an nicht auf der Suche nach Schutz, sondern nach bestmöglicher Versorgung waren.