Vor einigen Tagen demonstrierten in Polen Hunderttausende Menschen für Johannes Paul II. Zuvor wurde in einigen zweifelhaften Kreisen der Vorwurf laut, der verstorbene polnische Papst habe zu Lebzeiten Missbrauchsfälle geheim gehalten. Rückendeckung erhält der Pontifex nicht nur von den Politikern, sondern ebenfalls von Geschichtswissenschaftlern, die sich in der Materie auskennen.
Der „Nationale Marsch für den Papst“ wurde anlässlich des 18. Todestags von Johannes Paul II. organisiert. Durch die zuletzt von dem Privatsender TVN losgetretene mediale Lawine hatte der Jahrestag diesmal eine andere Aktualität erhalten. Anlass für die Veranstaltung am 2. April waren Vorwürfe gegen den polnischen Pontifex, die von einigen antiklerikalen Reportern in Umlauf gebracht wurden. Demnach soll Karol Wojtyła vor seiner Wahl zum Papst Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche vertuscht haben.
Overbeeks Buch ist voller Lücken, Fehlinterpretationen und Unwahrheiten. Es werden krampfhaft unpassende Puzzleteile aneinandergehalten, um eine These zu stützen und antizipierte Diffamierung zu betreiben. Vor allem jedoch weiß der niederländische Autor nicht genau, wie er mit seiner eklatanten Unwissenheit über die Geschichte Polens im 20. Jahrhundert umgehen soll. Wir finden in dem Text keinen einzigen Verweis auf eine Monografie, die uns über die Probleme der katholischen Kirche in der Volksrepublik Polen aufklären würde. Dabei ist der empirische Forschungsstand zu diesem Thema keineswegs spärlich.
Vor allem eines scheint Overbeek nicht zu begreifen: Hätte Karol Wojtyła als Erzbischof von Krakau tatsächlich Missbrauchsfälle in der Kirche vertuscht, würden die ihm feindlich gesinnten Kommunisten, die solche Gerüchte damals gern verbreiteten, diese unmissverständlich als Druckmittel gegen ihn einsetzen. Seine Karriere als Geistlicher wäre sofort vorbei. Doch augenscheinlich hielten selbst die damaligen Machthaber jene Informationen für unglaubwürdig (sofern sie tatsächlich existierten).
„Dass ausgerechnet Papst Johannes Paul II., der zeitlebens Kinder und Jugendliche vor solchen Machenschaften schützen wollte, nun selbst in diesen Zusammenhang gebracht wird, obendrein in seinem eigenen Geburtsland, hätte ihn unendlich traurig gemacht. Die Kommunisten hätten keine Anschläge auf ihn verüben müssen, wenn jemand ihnen derartige Informationen zugetragen hätte. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass die Polen diese Hetzjagd überstehen werden. Die meisten von uns haben bereits begriffen, dass sie Teil einer größeren Operation ist. Mit den zahlreichen Verleumdungen versuchen einzelne Politiker, Interessengruppen und Medien, die katholische Kirche insgesamt zu diskreditieren“, sagte unlängst Polens Präsident Andrzej Duda, der in Krakau aufwuchs und dessen Familie dem dortigen Bistum freundschaftlich verbunden war.
Johannes Paul II. war vor allem ein Verfechter einer neuen Bußkultur. Dies ist das Erbe seines Pontifikats. Dessen Lehre besagt, dass Menschenrechte den Weg des Evangeliums weisen. Er meinte damit gleichfalls die Bereitschaft, sich für Kinder und Jugendliche einzusetzen, die absichtslos folgenschwere Probleme mit sich tragen müssen. Der Heilige Vater war ein barmherziger, jedoch insbesondere hochpolitischer Mensch, der jeden Rückfall in die Barbarei unverblümt benannte. Nebenbei trug er maßgeblich zum Sturz des Kommunismus bei. Manchen stößt dies noch heute sauer auf.
Wojciech Osiński ist Deutschland-Korrespondent des Polnischen Hörfunks