Tichys Einblick
Achtung Satire!

Endlich! Orbán will sich am fortschrittlichen Westen orientieren

Aus Budapest erreichen uns Nachrichten über bevorstehende Rechtsstaatsreformen, die sich an Deutschland und Frankreich orientieren. Kommen nun die EU-Gelder?

IMAGO / Xinhua

Seit geraumer Zeit steht die Regierung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán in der Kritik. Besonders im aufgeklärten, fortschrittlichen Westen Europas wirft man Ungarn mangelhafte demokratische Standards vor. Um Kompromissbereitsschaft zu beweisen, plant die Regierung daher tiefgreifende Reformen, die sich an der politischen Praxis in Deutschland und Frankreich orientieren.

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Mit Interesse hat man in Budapest die deutsche Wahlrechtsreform beobachtet. „Vorbildlich“, lobte eine ranghohe Quelle im Justizministerium. „Wir wollen das in Zukunft auch so machen.“ Man arbeite schon an einem neuen Wahlrecht, das – dem deutschen Beispiel folgend – die kleineren Oppositionsparteien links und rechts sauber aus dem Feld räumen würde. „Wir gingen bisher davon aus, dass ein so tiefer Einschnitt in die demokratischen Grundregeln eines breiten gesellschaftlichen Konsenses bedarf, also einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament“, sagte die Quelle. „Aber die Deutschen haben uns gezeigt, dass es offenbar auch ohne Konsens-Suche geht.“

Besonders entzückt zeigt man sich von dem Detail, dass die deutsche Reform offensichtlich darauf abziele, die rechte AfD zu stärken, ohne sie aber mehrheitsfähig zu machen. „So eine Konfiguration wäre auch für uns ideal“, hieß es aus Regierungskreisen. „Ein politisches Schreckgespenst am rechten Rand, das aber nie gewinnen kann – und die Wähler der gemäßigteren Regierungspartei zutreibt.“

Allerdings weiche die deutsche Wahlrechtsreform im Detail so radikal von ungarischen Demokratiestandards ab, dass es schwer sein werde, die Wähler dafür zu gewinnen, hieß es aus Regierungskreisen. „Bei uns liegt der Schwerpunkt des Wahlsystems auf Direktmandaten, weil so der Bürgerwille am stärksten zum Ausdruck kommt, und der Einfluss der Parteien auf die Zusammensetzung des Parlaments am schwächsten ist”, hieß es aus dem Justizministerium. Die deutsche Reform hingegen stärke den Willen der Parteien zulasten der Entscheidungsfreiheit der Bürger.

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Auch vom französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zeigt man sich beeindruckt, der kürzlich das Rentenalter von 62 auf 64 Jahre per Dekret anhob, ohne Parlamentsabstimmung. „Wir hätten uns so etwas nie getraut“, hieß es aus dem Ministerium für Humanressourcen, „schon aus Sorge, dafür in Brüssel heftig kritisiert zu werden und EU-Gelder zu verlieren.“ Zwar habe man in der Covid-Krise mit Dekret-Entscheidungen experimentiert. „Aber da ging es immer darum, Zeit zu sparen, wenn diese Zeit Menschenleben retten konnte. Das reguläre Gesetzgebungsverfahren ist sehr zeitraubend.“

Macron habe vorgemacht, wie man machtvoll gegen die demokratische Mehrheit der Gesellschaft regieren könne. „Einfach Augen zu und durch, brachial“, schwärmt eine regierungsnahe Quelle. Allerdings würde das in Ungarn vermutlich nicht funktionieren: „Unsere Bürger mögen es nicht, wenn man an ihnen vorbeiregiert.“

„Immer wird vom deutsch-französischen Motor der EU gesprochen”, hieß es aus dem Umfeld von Ministerpräsident Orbán. „Jetzt erkennen wir, dass man in Berlin und Paris wirklich den Mut zu brutalen machtpolitischen Entscheidungen hat, Bürgerwille hin oder her.“

Außenminister Péter Szijjártó erklärte, man werde sich in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und Frankreichs nicht einmischen. „In Frankreich wurde das Rentengesetz ohne Parlamentsentscheidung geändert. Das geht uns nichts an, denn wir sind nicht Franzosen. In Deutschland wurde das Wahlgesetz mit einfacher Mehrheit geändert, was uns nichts angeht, weil wir nicht deutsch sind. Aber wenn jemand nun Ungarns Rechtsstaatlichkeit kritisiert, lasst uns laut lachen!“

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