Tichys Einblick
USA-Besuch

Orbán, gefeiert in Texas

Der ungarische Ministerpräsident gab die Auftaktrede auf der „CPAC Texas”, eine jährliche Konferenz amerikanischer Konservativer. Es gab stehenden Applaus – Orbán kann offenbar auch Amerika.

IMAGO/NurPhoto

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hielt eine Rede in Texas, und die US-Medien warfen schon vorab die Alarmsirenen an. „Ein autoritärer Führer kommt zu CPAC. Die Medien werden ihr A-Spiel brauchen“, titelte CNN und gab in einer „Analyse“ gleich eine Gebrauchsanleitung: Berichte über Orbáns Auftritt müssten „bedacht“ sein, nicht zu groß („keine Bühne geben“), aber auch nicht zu klein, denn man müsse erklären, wie gefährlich er auch für die USA sei – als ein Rassist, der die Demokratie zerstöre. Die Washington Post warnte Amerikas Republikaner, Orbán nicht auf den Leim zu gehen.

Nanu, der Ministerpräsident eines mitteleuropäischen Landes mit weniger als 10 Millionen Einwohnern und der Größe des US-Bundesstaates Indiana, eine Gefahr für die Weltmacht Amerika? Was war da los?

CPAC steht für Conservative Political Action Conference, organisiert wird sie von der American Conservative Union. Es gibt eine jährliche große CPAC, daneben neuerdings auch Ableger im Ausland – im vergangenen Mai erstmals auch in Europa, in Ungarn, mit Orbán als Hauptredner. Und jedes Jahr auch eine CPAC in Texas.

Dort trat nun wieder Orbán auf. Erstmals überhaupt sprach ein ausländischer Regierungs- und Parteichef auf der ikonischen Konferenz des rechten Flügels der US-Republikaner. Frühere Auftritte wurden zum Sprungbrett für spätere US-Präsidenten wie Ronald Reagan und Donald Trump. Auch diesmal waren Trump sowie mehrere Mitbewerber für die kommende Präsidentschaftswahl 2024 vorgesehen.

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Die Rede selbst, vor einigen Hundert zahlenden Zuhörern, enthielt ewiggrüne Schlager aus Orbáns Zitaten-Arsenal („Ich bin ein Freiheitskämpfer“) und eine umgewandelte Pointe aus früheren Reden vor deutschem Publikum: Statt „Ungarn ist für Europa, was Bayern für Deutschland ist“, hieß es nun, Ungarn sei in Europa das, was Texas für die USA sei. Die Flagge des US-Bundestaates schmückt ein einsamer Stern. Ungarn sei ein einsamer Stern in Europa, sagte Orbán. Das kam gut an.

Es gab auch viele Beifall-Bringer fürs amerikanische Ohr – etwa „Quitters never win, and winners never quit“, also Siegertypen geben nie auf und wer aufgibt, wird nie siegen. Auch gut: „Wir brauchen weniger Dragqueens und mehr Chuck Norris.“

Er zog zu Felde gegen Linke und Liberale („sie sind Kommunisten“), gegen den selbsternannten Freelance-Staatsmann George Soros und gegen liberale Medien. Diesbezüglich gab Orbán spaßeshalber eine Prognose, wie Mainstream-Medien wohl über seinen Auftritt berichten würden: „Europas extrem rechter, rassistischer, antisemitischer starker Mann, Putins trojanisches Pferd, hält Rede vor Konservativen-Konferenz.“

Es war nicht weit gefehlt. Der Bericht des linken Guardian begann mit dem Satz: „Viktor Orbán, der autokratische Führer Ungarns, hat christliche Nationalisten aufgerufen […].“ Der CNN-Bericht zu Orbáns Rede bestand hauptsächlich aus tendenziöser „Einordnung“ statt aus Zitaten: Orbán habe die demokratischen Institutionen sowie die freien Medien abgeschafft oder ausgehöhlt, und ergehe sich ansonsten in Rassismus. Das Nachrichtenportal t-online.de versuchte sich binnen weniger Stunden an mehreren marktschreierischen Formulierungen („Orbán: Der Aufhetzer Amerikas“) bevor sich die Redaktion beruhigte und es bei einem etwas schlichteren „Jetzt hetzt Orbán Amerika auf“ beließ. Der Autor wirkte auch etwas aufgedreht, etwa als er von „Orbáns Hauptstadt Budapest“ schrieb (Budapest wird in Wahrheit von Ungarns linker Opposition regiert).

Orbáns Rede war ein klassischer Einpeitscher, um das Publikum in Stimmung zu bringen für die spätere Abschluss-Rede von Donald Trump am Wochenende, der Höhepunkt der mehrtägigen Konferenz. Wird er seine Kandidatur verkünden für die Präsidentschaftswahl? Trump hatte Orbán bereits vor der Konferenz empfangen, in seinem Golfclub in Bedminster.

Die Bedeutung der Rede für Ungarn lag in einem Nebensatz: Er wolle demnächst die lebenslange Einkommensteuerbefreiung für Mütter von mindestens vier Kindern auf Mütter von drei Kindern ausweiten. Diese Passage gehörte zu einem Teil seiner Rede, in der er die für Amerikaner verständlichen größten Erfolge seiner Regierung skizzierte: Grenzzaun, niedrige Steuern, gute Familienpolitik. Stehenden Applaus erhielt er für einen Klassiker, der jede Orbán-Rede schmückt: „Die Mutter ist eine Frau, der Vater ist ein Mann, und lasst unsere Kinder in Ruhe“.

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Dass der Ministerpräsident des kleinen Landes mittlerweile als Ikone nationalkonservativer Politik das Format hat, Republikanern in den USA ein Plus an Schwung und Dynamik zu verleihen, darin lag die politische Bedeutung der Rede: Orbán ist als konservativer Stimmungsmacher heute ein „global player“, und Ungarn hat dank ihm auf der internationalen Bühne so viel Gewicht, als sei es ein viel größeres Land.

Vor allem aber hat er erkannt, dass Konservative sich global vernetzen und einander unterstützen müssen. Es ist eine Idee, die die einst USA-zentrischen Republikaner verstehen, und für die sie sich begeistern. Das ist neu. Und diese Innovation kommt von Orbán, er hat sie sich ausgedacht, eine Strategie dazu entworfen, und sie umgesetzt. Das Projekt „konservative Internationale“ lief in Budapest vor mehr als zwei Jahren an, und trägt nun sichtbare Früchte.

Konferenzen wie diese, ein ständiger Reigen starker Sätze im Rhythmus der Jahreszeiten, werden in den kommenden Jahren zunehmend die Politik und deren mediales Echo bestimmen.

Das nützt Orbán auch innenpolitisch. Sein Auftritt war einmal mehr ein Beispiel dafür, wie er es meisterhaft versteht, weltweit in die Schlagzeilen zu kommen. Das wiederum beschäftigt die ungarischen Medien, und so lange sie damit beschäftigt sind, bekommt die Opposition argumentativ keinen Fuß auf den Boden, kann keine Themen setzen.

Nicht, dass sie welche hätten, außer zu jammern, wie böse Orbán sei. Deswegen gewinnt er jede Wahl.

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