Tichys Einblick
Migrationspolitik

Österreich will Rückführungen mit Partnerstaaten organisieren

Sebastian Kurz und sein Innenminister Nehammer wollen nicht länger auf die EU-Strategie zu Asyl und Migration warten, sondern selbst für Rückführungen aus den Balkanländern sorgen. Daneben bleiben Österreich und Griechenland enge Partner an der Evros-Grenze.

Greek Migration Minister visits the headquarters of the Operations Command (EKO) at K47 on June 11, 2021 in Wr Neustadt, Austria

IMAGO / SEPA.Media

Der österreichische Innenminister Karl Nehammer (ÖVP, seit 2017: Die neue Volkspartei) entfaltet in diesen Tagen eine rege Reisetätigkeit. Letzte Woche war er in Kopenhagen, um sich zu den Plänen und Fortschritten der dänischen Kollegen bei der Reform des Asylrechts und der freiwilligen Rückkehr von Migranten ohne Bleiberecht zu informieren. An diesem Mittwoch und Donnerstag nimmt er an einer Migrationskonferenz in Prag teil, bei der sich die Partner des »Salzburg Forum« in großer Runde treffen. Das Forum ist laut eigenem Verständnis eine mitteleuropäische Sicherheitspartnerschaft, allerdings mit deutlicher Ausstrahlung auf den Balkan. Neben Österreich und den Visegrád-Staaten sind Kroatien, Slowenien, Rumänien und Bulgarien Mitglieder. Die Westbalkanstaaten und Moldawien haben Beobachterstatus.

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Gemeinsam will man sich zu den Themen illegale Migration, Grenzschutz und Rückführungen austauschen. Im Mittelpunkt wird wohl der von Wien ausgearbeitete »Rückführungsplan« stehen, mit dem schnelle Abschiebungen aus den Balkanstaaten realisierbar werden sollen. Laut dem Wiener Kanzleramt befinden sich rund 80.000 illegale Migranten derzeit in Griechenland und auf dem Westbalkan. Das schafft den Druck, der Österreich handeln lässt. Nehammer spricht an dieser Stelle ähnlich wie die sozialdemokratische Regierung in Dänemark, wenn er sagt: »Wir müssen den sozialen Frieden wahren aber auch schauen, dass das System nicht überlastet wird.«

Statt auf große EU-Strategien zu warten, die vielleicht nie kommen werden, will das Forum selbst Maßstäbe setzen. In Nehammers Worten klingt das durchaus etwas angriffig: »Während bei der EU-Asyl- und Migrationsstrategie noch verhandelt wird, setzen wir gemeinsam mit den Balkanländern konkrete Schritte im Kampf gegen illegale Migration.«

Geht es nach dem Wiener Rückführungsplan, sollen Migranten »ohne Bleibewahrscheinlichkeit« mittels Charterflug in ihre Herkunftsländer zurückgeflogen werden. Nehammer erläuterte die Strategie schon im April so: »Wir müssen die richtigen Signale in die Herkunftsländer senden. Viele irreguläre Migranten, die sich auf den Weg nach Europa machen, haben keine Bleibeberechtigung. Dabei muss klar sein: Wer kein Recht auf Asyl hat, muss zurück in die Heimat gebracht werden.« Und damit müsse man bereits vor den Toren der EU beginnen – also auch auf dem Westbalkan, wo »sich derzeit viele irreguläre Migranten aufhalten«. Schleppern soll so die Geschäftsgrundlage entzogen werden, illegalen Migranten ein entmutigendes Signal gesendet werden. Das ist schon fast ein altgewohntes Geräusch von Politikern, die die illegale Migration angehen wollen. Dass wir es derzeit öfter hören, ist ein Zeichen, dass es Widerstand dagegen gibt.

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Zwischendrin fand letzte Woche eine Westbalkan-Konferenz statt, auf der Sebastian Kurz allen Eingeladenen für ihren Beitrag zur Grenzsicherung dankte. Neben den vertretenen Balkanländern erwähnte er nur ein weiteres Land namentlich und dankte auch ihm für seinen Anteil am EU-Außengrenzschutz. Es war Griechenland, dem die Österreicher auch bilateral an der Evros-Grenze beistehen. Das Verhältnis der beiden Länder gilt als eng. Im August hatte Nehammer bei einem Griechenland-Besuch gesagt: »Die Grenzen Griechenlands sind auch die Grenzen Österreichs.« Nicht am Hindukusch, wie einst der deutsche Verteidigungsminister Struck sagte, sondern am Evros werden die eigenen Grenzen verteidigt.

Mehr als ein Jahr ist das Einsatzkommando Cobra inzwischen an der griechisch-türkischen Landgrenze stationiert. Neben Österreich schickten auch Polen, Tschechien und die Republik Zypern Polizisten an die Evros-Grenze, als dort im März und April Not am Mann war. Am längsten, eben bis zum heutigen Tag, blieben allerdings die Österreicher vom EKO Cobra. Unlängst konnte diese enge Zusammenarbeit, die neben der Frontex-Mission läuft und darüber hinausgeht, sogar einmal gefeiert werden.

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Ein paar Tage zuvor hatte Nehammer den griechischen Asyl- und Migrations-, diesmal vielleicht eher Grenzschutzminister Notis Mitarakis nach Wien eingeladen, um das österreichische EKO zu ehren. Den Leiter der Einheit, Johann Rieger, überbrachte Mitarakis bei diesem Anlass eine Auszeichnung des griechischen Staates. Er hob hervor, dass der Einsatz des EKO Cobra nicht nur »ein wesentlicher Beitrag« zum Grenzschutz ist, sondern auch eine »Handlung mit Symbolwert«, die innerhalb wie außerhalb der EU wahrgenommen werde. Österreich handle als »guter Freund und wichtiger Partner Griechenlands«. Zusammen wehre man die Instrumentalisierung der illegalen Immigration durch die Türkei ab.

Nehammer lobte seinerseits die Griechen für den entschiedenen Schutz ihrer Landesgrenzen, die zugleich die Außengrenzen der EU sind. Mitarakis war sich sicher, dass Österreich und Griechenland an dieser Stelle auch weiterhin eng zusammenarbeiten werden. Dem österreichisch geführten Mechanismus für Rückführungen wollte Mitarakis offenbar noch nicht beitreten – noch scheint Athen seine Hoffnungen hier auf die EU zu setzen. Tatsächlich geistert seit langem die Vorstellung durch die griechische Politik, die Verhandlungsmacht der EU könnte kleineren Staaten bei Rückführungen behilflich sein. Bislang ist nichts dergleichen passiert.

Mitarakis traf auch Michael Spindelegger, einen Parteifreund Nehammers, der heute den Vorsitz des International Centre for Migration Policy Development hat. Der von Österreich und der Schweiz gegründete Thinktank ist der Erforschung von Migrationsströmen gewidmet und soll, darauf basierend, Empfehlungen für die Politik geben. Auch Griechenland denkt angeblich daran, dem ICMPD beizutreten und wäre dann das 19. Mitglied. Die Ziele dieses Zentrums sind nicht ganz eindeutig zu erkennen, wie meist bei einem supranationalen Zusammenschluss von einiger Größe. Denn was bedeutet das Motto »Making Migration Better« nun konkret? Heißt »besser« schneller, höher, mehr? Oder doch langsamer, kleiner, weniger? Diese Frage müsste wohl auch die Regierung in Wien auf Dauer noch klarer beantworten.

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