Seit Donnerstag, 0 Uhr, kontrollieren österreichische Polizisten die Grenzübergänge zur Slowakei. Zur Mitternacht rücken die Grenzbeamten auf ihren Posten ein. Das kündigte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) an. Zuvor hatte Tschechien aufgrund des vermehrten Schlepperaufkommens die Einführung fester Kontrollen an der Grenze zur Slowakei angekündigt, mit der man einst ein Staat war, ebenfalls zur Mitternacht. Alles deutet auf einen koordinierten Schritt hin, und er richtet sich natürlich nicht gegen die Regierung in Bratislava. Der slowakische Amtskollege Roman Mikulec wurde über die Schritte informiert.
Es ist ein Schritt mit Signalwert. Wien und Bratislava (deutsch Pressburg) sind Nachbarstädte, einst verbunden durch eine Straßenbahnlinie, heute immer noch durch mehrere Regionalzüge und Buslinien. Nun also Grenzkontrollen. Es ist das ewige Paradox offener Grenzen, dass man sie schließen oder kontrollieren muss, wenn die eigene Offenheit ausgenutzt wird.
Heiko Teggatz: Wir schlittern in eine dramatische Lage
Österreich hat damit seine gesamte Südostflanke für mehr Schutz gegen illegale Migration gerüstet. Schon seit Jahren gibt es feste Grenzkontrollen an den österreichischen Grenzen nach Ungarn und Slowenien. Kontrolliert werden laut Karner vor allem „weiße Kastenwägen“, also Kleinbusse, die allgemein als Schlepperfahrzeuge gelten.
Für die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD), die vermutlich nicht unmittelbar informiert wurde, bedeuten die österreichischen und tschechischen Grenzkontrollen wohl eines: Sie kann einen ähnlichen Schritt selbst vermeiden, wird das zumindest selbst glauben – oder andere glauben machen wollen. Die „Partner“ im Südosten handeln ja schon stellvertretend für sie. Deutschland kann weiterhin alle unangenehmen Aktionen vermeiden, die im Zusammenhang mit Grenzschutz entstehen. So geht der erzieherische Wert der Politik wieder einmal an den Deutschen vorbei. Die Vorwälle der Tschechen und Österreicher reichen uns, wird Faeser sicher bald sagen.
Explosive Mischung: Neubelebte Balkanroute und Italien-Wahl
Und für diese Dramatik sorgt laut Teggatz vor allem die unkontrollierte sächsisch-tschechische Grenze, während andere Grenzabschnitte aber auch nicht zurückstehen: „Wir haben alleine an der tschechischen Grenze in den Monaten Januar bis Juli um die 17.500 unerlaubte Einreisen festgestellt. Die Zahlen waren vorher deutlich geringer, um nicht zu sagen, unauffällig die ganzen Jahre über.“ Das sei auch keine Verschiebung, denn die Aufgriffszahlen an der österreichischen Grenze seien nach wie vor „kontinuierlich anhaltend“. Die sächsischen Zahlen kommen also noch dazu und sorgen unter anderem für die deutliche Steigerung im Vergleich zum Vorjahr (2022 bis einschließlich August: 115.000 Erstanträge auf Asyl; dagegen im selben Zeitraum 2021 laut BAMF: 85.000 Erstanträge).
Aber es geht mithin nicht nur um Inder, auch wenn sie in den österreichischen Zahlen zuletzt herausstachen. „Unter diesen Staaten sind Irak, Afghanistan, Türkei, Bangladesch und Indien – also genau die Staatsangehörigen, die wir dann unerlaubt über die Balkanroute feststellen.“ Da tue sich was auf. „Plus das Wahlergebnis in Italien, das mit Sicherheit den einen oder anderen, um nicht zu sagen, so ziemlich alle auf den Weg nach Deutschland treiben wird, weil die schlichtweg nicht abgeschoben werden wollen durch die neue Regierung in Italien.“