Die politische Krise in Österreich spitzt sich weiter zu: Die Koalitionsverhandlungen zwischen der FPÖ und der ÖVP sind endgültig gescheitert. FPÖ-Chef Herbert Kickl gab den Auftrag zur Regierungsbildung an Bundespräsident Alexander Van der Bellen zurück. Damit ist die Hoffnung auf eine stabile, bürgerlich-konservative Regierung vorerst vom Tisch.
Obwohl die FPÖ als Wahlsieger von Ende September den klaren Regierungsauftrag erhalten hatte und der ÖVP weitreichende Ressorts anbot, zeigte sich die Volkspartei zunehmend unnachgiebig. Der zentrale Streitpunkt: das Innenministerium. Während Kickl darauf bestand, dass die „Kernkompetenzen“ seiner Partei in den Bereichen Asyl und Sicherheit nicht verwässert werden dürften, versuchte die ÖVP, diesen Bereich zu splitten und ein eigenes Migrationsministerium unter FPÖ-Führung zu schaffen. Ein Modell, das die Freiheitlichen entschieden ablehnten, da es faktisch eine Entmachtung ihres sicherheitspolitischen Einflusses bedeutet hätte.
Doch die Differenzen gingen weit über eine bloße Ressortverteilung hinaus. Die ÖVP, die sich zuletzt in den Sondierungsgesprächen mit SPÖ und Neos ebenfalls nicht auf eine Koalition einigen konnte, scheint in einer politischen Sackgasse zu stecken. Dass sie nun auch eine Zusammenarbeit mit der FPÖ verhindert, wirft die Frage auf, ob sie überhaupt an einer Regierungsbildung interessiert ist – oder ob sie lieber auf eine von Bundespräsident Van der Bellen eingesetzte Expertenregierung setzt, die die bestehenden Machtverhältnisse sichert und die FPÖ von entscheidenden Weichenstellungen fernhält. Dann kommt es spätestens in 6 Monaten zu Neuwahlen, in denen sich der Frust über das Geschachere um Posten zu Lasten der ÖVP entladen wird.
Für die ÖVP ist es ein riskantes Spiel: Das Scheitern der Verhandlungen könnte die FPÖ weiter stärken. Denn trotz harscher medialer Gegenkampagnen gegen Herbert Kickl bleibt die FPÖ die stärkste Kraft im Land. Sie konnte sich als einzige Partei profilieren, die konsequent für eine strikte Migrationspolitik und ein Ende der ideologisierten Klimapolitik steht – Themen, die in Österreich einen breiten Rückhalt haben. Umfragen und Regionalwahlen zeigen, dass die FPÖ weiter im Aufwind ist, den die Verweigerungshaltung der Konservativen und Sozialisten erzeugen.
Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder es kommt zu sofortigen Neuwahlen, die der FPÖ vermutlich noch weiteren Auftrieb geben könnten, oder Bundespräsident Van der Bellen setzt eine technokratische Übergangsregierung ein, die bis zur nächsten Wahl in 6 Monaten die Amtsgeschäfte führt. In beiden Fällen wäre eine politische Entscheidung gegen den Wählerwillen getroffen worden, denn eine bürgerlich-konservative Mehrheit hätte rein rechnerisch bestehen können.
Letztlich bleibt der Eindruck, dass die ÖVP sich – ob aus Kalkül oder aus Angst vor linksliberalen Gegenkräften – gegen eine Koalition mit der FPÖ entschieden hat, obwohl es die einzige realistische Option für eine mehrheitsfähige Regierung war. Eine Koalition mit der linksradikalen SPÖ, den komplett unglaubwürdigen Grünen und den fragwürdigen Neos ist keine Option mit Überlebenschance. So oder so, kommt es zu Neuwahlen, wird sich zeigen, ob die Wähler der ÖVP dieses politische Manöver verzeihen – oder ob sie sich endgültig einer Partei zuwenden, die von Anfang an klar Stellung etwa in der kritischen Migrationsfrage und bei der Sanierung des von der ÖVP ruinierten Haushalts bezogen hat. Damit leidet Österreich an seiner Brandmauer. Die FPÖ war jahrelang so verteufelt worden, dass die anderen Parteien sich schwer tun bei Gesprächen. Aber gegen die FPÖ ist das Land nicht regierbar. Zu groß ist die FPÖ als stimmenstärkste Partei.
Man kann das Bild leicht auf Deutschland übertragen. Zwar sind sich da CDU, SPD und Grüne inhaltlich weitgehend mit der CDU einig, die sich außer bei der Migrationspolitik dem rotgrünen Block weitgehend angenähert hat. Es könnte für eine Kanzlermehrheit reichen, die Friedrich Merz unter Aufgabe aller Prinzipien ins Kanzleramt bringt. Aber schon ein einziges kurzes Bestehen auf der Richtlinienkompetenz, mit der Friedrich Merz die linke Zuwanderungs-Front brechen will, kann den Traum zerstören.