In Ungarn ist die Rekrutierung neuer „Grenzkämpfer“, so Ungarn heute, im vollen Gange. Insgesamt 2.200 von ihnen sollen bald im Dienst stehen. Laut der ungarischen Polizei werden derzeit physische sowie psychologische Eignungstests dazu durchgeführt. Da das Land seinen Grenzschutz offenbar in zunehmendem Maße als Abwehrkampf betrachtet, erstaunt nicht, dass diese Einheiten tauglich für den Grenzschutz sein müssen.
Die Rede von mehr Effizienz gegen die „bewaffneten kriminellen Gruppen“ zeigt, dass Ungarn für die Balkanroute den Beginn einer neuen Migrationswelle von vielleicht ungekannter Intensität, teils auch mit neuen Methoden diagnostiziert. Bisher, noch unter Sebastian Kurz und seinem nun zum Bundeskanzler gewordenen einstigen Innenminister Karl Nehammer, hörte man aus Wien ganz ähnliche Töne. Kaum etwas ließ der Ex-Kanzler unversucht, um die Balkanroute zu schließen, um das eigene Land und auch irgendwie den nördlichen Nachbarn Deutschland vor den von dorther kommenden Migrationsströmen zu schützen.
Eine Praxis wird legitimiert, die längst Usus ist
So soll Abhilfe gegen den Andrang auf das Burgenland geschaffen werden, jenes Bundesland, das die gesamte österreichisch-ungarische Grenze abdeckt. Ein sogenanntes „Erstaufnahmegespräch“ an dieser Grenze wird demnach nicht mehr nötig sein. Dieses Gespräch begründet normalerweise den Eintritt des Migranten ins Asylverfahren. Es kann nun an verschiedenen Landespolizeidirektionen geführt werden, und zwar auch noch nach Verstreichen der bisher dafür vorgesehenen 48-Stunden-Frist. Oder gleich in Deutschland, nach Feststellung durch die Bundespolizei. Zielland ist ohnehin Deutschland. Zwar wird an Bayerns Grenze kontrolliert – aber im Asylfall die Einreise nicht verweigert. Asylantrag kann gestellt werden, danach folgt die Duldung. Ziel erreicht.
Nach sieben Jahren Migrationskrise wird damit eine Praxis legitimiert und legalisiert, die, ob gewollt oder nicht, längst Usus war. Anders wären die Migrationsströme an der deutschen Grenze nicht zu erklären. Migranten entzogen sich bisher Feststellungsmaßnahmen oder zogen nach geführtem Grenzgespräch weiter an die nächste Grenze.
Westbalkan wichtigste Route der illegalen Migration in die EU
Zurückgeführt wird das auf Grenzüberquerungen durch Migranten, die sich schon länger auf dem westlichen Balkan aufhalten, aber ob das die ganze Dynamik erklären kann, bleibt fraglich. Auch Griechenland berichtet von verstärktem Druck auf seine Grenzen, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß. Die bergige Grenzregion im Norden des Landes bietet vermutlich noch immer die Möglichkeit klandestiner Durchreise. Auch werden immer wieder Schlepper zwischen Evros und dem Westen des Landes ergriffen. So wäre auch Ermutigung für den griechischen Grenzschutz eigentlich nötig, um das Problem an der Balkanroute zu lösen.
Die letzten Transitstaaten sind für gewöhnlich Serbien und Bosnien-Herzegowina. Die EU-Eintrittsländer müssten Kroatien und Ungarn sein – eigentlich zwei Staaten mit strikter Grenzpolitik, die deshalb immer wieder in die Kritik geraten. Allein dieses Faktum zeigt die Heftigkeit und Gewalt der Vorgänge. Selbst die EU-Grenzschützer, die allenthalben in der Kritik stehen, werden der illegalen Zuwanderung nicht mehr Herr.