Tichys Einblick
Posse aus Wien

Vater von fünf Kindern bekommt Asyl, da er angibt, homosexuell zu sein

Österreich empört sich über den Fall eines fünffachen Familienvaters, der überraschend behauptet, homosexuell zu sein – und prompt über das Asylticket im Land bleiben darf. Die ganze Sache ist auch im Detail so schwer zu glauben, dass man sich königlich über sie amüsieren könnte. Doch das Lachen bleibt einem schnell im Hals stecken.

picture alliance / H. Neubauer / APA

Gute Geschichten erzählt man nur selten chronologisch. Der natürliche Zeitablauf von Geschehnissen liefert gemeinhin keine fesselnde Dramaturgie und keinen attraktiven Spannungsbogen. Deshalb ist ein Bericht normalerweise auch kein schöner Text.

Doch es gibt Ausnahmen. Hier ist so eine.

Dieser Beitrag beginnt also tatsächlich am Anfang des Vorgangs, von dem er handelt, und arbeitet sich zum Ende voran. Am 22. September 2023 reist ein Mann in Österreich ein und stellt einen Asylantrag. Der Mann hat zwei Pässe: einen russischen und einen von Tadschikistan. Warum er Asyl in Österreich haben will, begründet er so:

Russland habe seiner Ehefrau und den fünf (5) gemeinsamen Kindern die Staatsbürgerschaft verweigert. Deshalb sei er mit seiner gesamten Familie nun nicht etwa nach Tadschikistan gegangen, sondern in die Türkei ausgewandert. Dann begann der Ukraine-Krieg. Die türkischen Behörden teilten dem Mann mit, dass man ihm – falls er ausreisen sollte – die Wiedereinreise verbieten werde: weil russische Staatsbürger wegen des Ukraine-Konflikts keine Aufenthaltsberechtigung in der Türkei mehr bekommen.

Doch der Mann ignorierte diese offizielle Mitteilung der türkischen Behörden. Statt sicher in der Türkei zu bleiben, trat er eine Pilgerreise nach Saudi-Arabien an. Es kam, wie es kommen musste (und ja auch angekündigt war): Die Türkei ließ ihn bei der Rückreise nicht wieder ins Land. Geliefert wie bestellt also.

Nach Russland wollte der Mann aber auch nicht, weil er befürchtete, dort zur Armee einberufen zu werden. Er dachte nach und kam auf eine Idee, welche die Lösung seiner Probleme versprach: Er fuhr nach Österreich und beantragte Asyl.

All das steht genau so in den Verfahrensakten des Wiener Bundesverwaltungsgerichtes.

Im Januar 2024 wird er erstmals vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl befragt. Dort vermerken die Beamten: „Einen Asylantrag habe er gestellt, weil er nichts habe, wo er hingehen könne. Wenn er nach Russland zurückgehe, werde er in den Krieg eingezogen, und in der Türkei habe er kein Aufenthaltsrecht mehr samt Aufenthaltsverbot. Seinen Herkunftsstaat (Tadschikistan, Red.) habe er aus wirtschaftlichen Gründen verlassen und eine bessere Alternative gesucht.“

Im April 2024 wird der Asylantrag abgelehnt. Der Mann sei weder Asylberechtigter, noch bekomme er den Status eines sogenannten subsidiär Schutzberechtigten. Ihm wird eine Frist von 14 Tagen gesetzt, um Österreich zu verlassen. Zur Begründung heißt es:

„Der BF (Beschwerdeführer, Red.) habe angegeben, seinen Herkunftsstaat lediglich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben. Der BF habe die Behörde mit seinem Vorbringen nicht davon überzeugen können, in der Russischen Föderation glaubhaft einer Verfolgung oder Bedrohung, weder von staatlicher Seite noch von sonstigen Personen, ausgesetzt zu sein. Der BF habe lediglich ein besseres Leben in einem Land seiner Wahl gesucht.“

Oder anders: Der Mann ist ein reiner Wirtschaftsflüchtling. Ihm droht nirgendwo irgendeine Verfolgung, die als Asylgrund herhalten könnte. Eine mögliche Wehrpflicht in Russland (oder irgendwo sonst) begründet auch nach den bekannt großzügigen internationalen Flüchtlingsabkommen weder Asyl noch eine Aufenthaltsberechtigung.

Hier beginnt der zweite Akt des Schauspiels. Der Mann tut, was man im dekadenten Westen halt so tut, wenn einem etwas nicht passt: Er nimmt sich einen Anwalt. Im Mai 2024 legt er Beschwerde gegen den Ablehnungsbescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl ein. Für diesen Einspruch bringt er jetzt eine neue Begründung bei:

Eigentlich suche er Schutz in Österreich wegen seiner Homosexualität.

Das überrascht. Zur Erinnerung: Der Mann ist seit vielen Jahren verheiratet und Vater von gleich fünf Kindern. Natürlich tarnen sich in konservativen Gesellschaften viele Schwule immer noch mit einer Ehefrau. Manchmal gehört zu diesen Potemkin’schen Partnerschaften auch ein Kind, das die täuschende Fassade für die Außenwelt noch glaubwürdiger machen soll.

Dass ein Homosexueller aber fünf Kinder mit seiner Ehefrau zeugt, nur um nicht der Homosexualität verdächtigt zu werden: Das ist neu. Und weshalb der Mann eine angebliche Verfolgung wegen seiner angeblichen sexuellen Neigungen nicht gleich am Anfang angegeben hatte, bleibt auch völlig im Dunkeln.

Doch die Richter am österreichischen Bundesverwaltungsgericht finden das alles völlig plausibel. Sie geben der Beschwerde des Mannes statt und verfügen, dass ihm der „Status des Asylberechtigten zuzuerkennen“ ist. Und nicht nur das: Seine Frau und die fünf Kinder darf er nun sofort auch noch mit ins Land holen – im Zuge des Familiennachzugs. Die Reaktionen in Österreich lassen es nicht an Deutlichkeit vermissen: „Justizskandal der Sonderklasse“ und „Verarschung unseres Staates“ sind noch die harmloseren Kommentare.

Was wir daraus lernen können:

Erstens – wer einen Grund finden will, in der EU (vor allem in Deutschland und Österreich) Asyl zu bekommen, der findet immer einen. Man kann auch jederzeit ganz neue Gründe entdecken, wenn die alten nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Vom Staat gestellte – also von allen Steuerzahlern bezahlte – sogenannte „Flüchtlingsanwälte“ helfen dabei gerne.

Zweitens – je höher die gerichtliche Instanz, desto weiter sind die Richter vom wirklichen Leben entfernt. Die nach eigenem Selbstverständnis „unabhängige“ Justiz ist mittlerweile in Wahrheit vor allem eine abgehobene. Die Jura-Industrie ist nur noch in den seltensten Fällen ein Instrument zur Lösung gesellschaftlicher Probleme, sondern inzwischen selbst ein relevantes gesellschaftliches Problem.

Drittens – das, was der Staat vor allem bei der Zuwanderung tut, hat sich von den Wünschen und dem Rechtsempfinden der normalen Bürger mittlerweile nahezu vollständig abgekoppelt. Ein Gemeinwesen, in dem die Entscheidungen der Volksvertreter und die Erwartungen des Volkes so sehr auseinanderfallen, wird unweigerlich früher oder später selbst zerfallen.

Und wie es aussieht, wohl eher früher.

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