„Fürs Erste,“ sagte Diktator Alexander Lukaschenko nach Medienberichten auf einer Regierungssitzung in Minsk, sei er „noch am Leben und nicht im Ausland“, zu Spekulationen, er habe das Land verlassen. Interessante Wortwahl, die mehr als Chuzpe klingen soll, als sie es tut.
Vor Streikfolgen in den Staatsbetrieben soll er gewarnt haben, da immer mehr Belegschaften ihre Arbeit niederlegten und beteuerten, am Sonntag gegen Lukaschenko und für seine Gegnerin Tichanowskaja gestimmt zu haben.
Kundigen zufolge könnte ein flächendeckender Streik in den Betrieben Lukaschenko zu Fall bringen. Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja rief im litauischen Exil ihre Landsleute zu landesweiten friedlichen Demonstrationen auf und die Bürgermeister, am Wochenende überall Protestveranstaltungen zu organisieren.
Die Medien – hier als Muster Die Presse: EU gibt grünes Licht für Sanktionen – melden brav, was ihnen die EU vorkaut:
»Die EU leitet wegen der Polizeigewalt in Weißrussland (Belarus) neue Sanktionen gegen Unterstützer des Staatschefs Alexander Lukaschenko in die Wege. Zudem soll es Strafmaßnahmen gegen Personen geben, die für eine Fälschung der Präsidentenwahl verantwortlich gemacht werden. Dabei soll es um Einreisesperren und die Beschlagnahme von Konten geben. Zudem wolle die EU einen Fonds einrichten, der die belarussische Zivilgesellschaft unterstützen soll, hieß es nach Angaben von Diplomaten. Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) soll nun eine Liste mit Personen zusammenstellen, gegen wen sich die Sanktionen richten.«
Sanktionen? Wirklich?
In Satz 1: »leitet in die Wege« … »gegen Unterstützer des Staatschefs Alexander Lukaschenko« – Wie? Gegen Lukaschenko nicht?
Außenminister Maas hat nach der Kronenzeitung gesagt:
»Es gehe darum, ganz gezielt einzelne Personen zu sanktionieren, die in den letzten Tagen und Wochen bei Wahlfälschungen, aber auch bei der Gewalt gegen Demonstranten unrühmlich in Erscheinung getreten seien.«
Die Krone weiter:
»Ob auch Lukaschenko persönlich mit Sanktionen rechnen muss, blieb zunächst offen. Die Entscheidung über den betroffenen Personenkreis werde der Rat treffen, sagte Maas. Den Personen müssten „nachweisbar Verfehlungen zur Last gelegt werden können“.«
Es muss erst nachgewiesen werden, wer wofür verantwortlich gemacht werden kann – nur bei Lukaschenko steht schon halb fest, dass nicht?
Aus dem Diplodeutschen in richtige Sprache übersetzt: Gar nix passiert, alles nur Wortnebel. In dieser Disziplin ist die EU versiert, aber nur in dieser.
Wirkung zeigen die Proteste im Land selbst hingegen. In der Nacht zu heute ließen die Behörden viele der etwa 7.000 verhafteten Bürger wieder frei. Diese berichteten von schwersten Misshandlungen. Amnesty International erklärte: »Von Personen, die in Haft waren, wissen wir, dass die Hafteinrichtungen Folterkammern gleichen, in denen Protestierende auf dem Boden liegen müssen, während sie von Sicherheitskräften getreten und mit Schlagstöcken malträtiert werden. Sie beschrieben, wie sie sich ausziehen mussten und dann auf sadistische Weise geschlagen wurden, während sie die Schreie anderer Betroffener hören konnten. Es handelt sich hierbei um Menschen, deren einziges „Vergehen“ es war, sich an friedlichen Protesten zu beteiligen.«
Bild titelt heute früh Erste Polizisten laufen auf die Seite der Demonstranten über und berichtet:
»Die Menschen in Weißrussland haben keine Angst mehr vor den Sicherheitskräften, teilweise liefen Polizisten auf die Seite der Demonstranten über, umarmten sie« … und »Selbst Fabrikarbeiter und Bauarbeiter streiken bis in den Freitagabend hinein. Am Samstag und Sonntag soll es weitere Großdemonstrationen geben, es könnte das Wochenende der Entscheidung werden.«
CNN titelt ebenfalls Belarus riot police drop shields and are embraced by anti-government protesters und meldet:
»At least 50 Belarus security personnel in riot gear dropped their shields and were embraced by anti-government protesters in Minsk, as demonstrators chanted „brothers“ at the police.«
Mindestens 50 Sicherheitskräfte in Kampfmontur senkten ihre Schilder und wurden von Demonstranten als „Brüder“ umarmt.
Ändern kann sich in Weißrussland nur etwas, wenn Lukaschenko gehen muss. Das aber bewirken die Weißrussen selbst oder niemand, schon gar nicht die zahnlose EU oder ihre Sprecher Maas und Merkel.