Tichys Einblick
Wilders „glücklich und stolz“

Niederlande: Sicherheitsexperte als neuer Premier – Dick Schoof soll über Parteien stehen

In den Niederlanden kommt die Regierungsbildung voran. Das Kabinett soll von einem Sicherheits- und Migrationsexperten geführt werden. Als nächstes können die Ministerämter besetzt werden. Die Ablösung von Mark Rutte rückt näher.

picture alliance / Robin Utrecht

Der parteilose Dick Schoof soll neuer niederländischer Premierminister werden. Am Dienstagnachmittag trat Schoof zusammen mit dem Formateur Richard van Zwol vor die Presse, um Fragen zu beantworten. Schoof will als Premier das umsetzen, was die vier Parteivorsitzenden vereinbart haben. Vor kurzem erst hatte der Spitzenbeamte seinen Vertrag mit dem Justizministerium verlängert. Seinen Wechsel ins Premierministeramt findet er „unerwartet, aber nicht unlogisch“. Er könne etwas beitragen.

Mit der Benennung Schoofs rückt die Ablösung des bisherigen Premiers Mark Rutte nach 13 Jahren Regierungszeit näher. Nun ist auch der Weg frei für die Besetzung der Ministerposten. Auch hier sollen zur Hälfte Parteilose das Steuer übernehmen. So will es der Rahmenvertrag der vier Partner. Dieser Besetzungsprozess könnte noch bis Ende Juni dauern. Es wird dennoch erwartet, dass sich die Parteien um jene Ministerien bemühen, in denen sie besondere Pläne haben: So dürfte sich Wilders’ PVV für Asyl und Migration interessieren, die liberale VVD für die Finanzen, die Bauernbewegung für die Landwirtschaft und der sozialkonservative NSC für das Innenministerium wegen des Themas „gute Regierungsführung“.

Rutte war in den letzten Jahren zum dienstältesten Regierungschef der EU geworden – das konnte nicht ohne Verhärtungen vonstattengehen, wie sich etwa in der Bauernpolitik der Regierung zeigte, die vermutlich EU-Vorgaben von einem „New Green Deal“ folgte und damit viele Höfe gefährdete. So entstand die Bauern-und Bürger-Bewegung (BBB), die auch an der neuen Regierung beteiligt ist. Immerhin bemerkte Rutte am Ende, dass die Zeit für seine Koalition mit der links-liberalen D66, CDA und Christenunion abgelaufen war. Seine Regierung zerbrach über gewissen Änderungen in der Asylpolitik, die nicht alle Partner mittragen wollten.

Wilders: „Glücklich und stolz“ über den Premier über den Parteien

Der neue Premier Schoof ist der Öffentlichkeit bisher vollkommen unbekannt. Bisher war Schoof der ranghöchste Beamte im Ministerium für Justiz und Sicherheit, zuvor Generaldirektor des In- und Auslandsnachrichtendienstes AIVD. Außerdem war Schoof Nationaler Koordinator für Sicherheit und Terrorismusbekämpfung (NCTV) und Direktor der Einwanderungsbehörde. Damit hat er sich den Titel eines Experten und „Krisenmanagers“ für Sicherheit und Migration verdient. Auch Schoof war – wie sein „Vorgänger“ Ronald Plasterk – Mitglied der sozialdemokratischen Arbeitspartei (PvdA), hat die Partei aber vor drei Jahren verlassen.

Geert Wilders zeigte sich „glücklich und stolz“ über die Besetzung. Schoof habe viel Erfahrung und das Vertrauen aller vier Koalitionspartner. Der neue Premier, das sagte Wilders immer wieder, werde über den Parteien stehen.

Das dürfte letztlich die Demokratie in den Niederlanden stärken. Die Parteien der Koalition sind nicht mehr identisch mit der Regierung, können dieselbe also freier kritisieren und kontrollieren. Wilders und die anderen drei Parteichefs haben sich dazu verpflichtet, als Abgeordnete im Parlament zu bleiben und nicht Minister zu werden. Es könnte höchstens eine große Menge Streit geben, eben weil mit dem (halben) Expertenkabinett ein weiterer Mitspieler mit am Tisch sitzt. Auch Wilders erwartet sich keine gefügige Marionette. Die „nahe Zukunft“ werde insofern aufregend werden. Schoof erweist sich als harter Arbeiter und ruhige Kraft, mit ausgezeichneten politischen Antennen.

Neues EU-Asylsystem bietet keine Verbesserung

Wilders und seine Partner wollen schon bald ein „Asylkrisengesetz“ vorlegen. Wilders hat angekündigt, Asylbewerber an den Grenzen zu Deutschland und Belgien konsequent zurückweisen zu wollen. Eine automatische Verteilung der Migranten auf niederländische Gemeinden – wie in Deutschland seit Jahrzehnten Usus – soll es bald auch nicht mehr geben. Daneben will sich Wilders um ein Opt-out aus der EU-Asylpolitik bemühen, die erst im Dezember – natürlich mit Ruttes Stimme – „reformiert“ worden war. Auch das damit veränderte EU-Asylsystem bietet keinerlei Gewähr dafür, dass der Missbrauch des Asylrechts beendet wird. Das soll der niederländische Opt-out – in Nachahmung des dänischen – leisten, auch wenn es dorthin ein langer, mühsamer Weg sein könnte.

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