Es ist die südlichste jener zwölf Provinzen, aus denen die Niederlande heute bestehen. Die Region Limburg mit ihrer Hauptstadt Maastricht zieht sich vom Aachener Umland bis kurz vor Nijmegen im Norden. Am 15. März wird dort das Provinzialparlament neugewählt. In den Umfragen liegen die rechtsliberale Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD), der auch Ministerpräsident Mark Rutte angehört, und die Partij voor de Vrijheid (PVV) von Geert Wilders derzeit Kopf an Kopf. Zwischen zehn und 15 Prozent der Stimmen könnten beide demnach erhalten.
Wilders schrieb auf Twitter: „Es dringt durch, dass die PVV nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Wir wollen regieren. Auch auf lokaler Ebene. Und wir schließen niemanden aus.“ VVD und CDA regieren heute auch in Den Haag in einer breiteren Koalition. Von 2010 bis 2012 hatten sie ein Zweierbündnis auf nationaler Ebene gebildet, durch das Rutte erstmals zum Ministerpräsidenten wurde. Toleriert wurde diese Koalition von der PVV unter Geert Wilders, der so erstmals Einfluss auf das Regierungshandeln gewann. 2012 entzog Wilders den Partnern die Unterstützung wegen eines Sparpakets, das die Einhaltung der Maastricht-Kriterien sichern sollte.
Koalitionsverbote gegen eine sich ausweitende Diskussion über Asyl und Migration
Rutte ging danach eine Koalition mit den Sozialdemokraten der Partij van de Arbeid (PvdA) ein. Seit 2017 regiert er mit einem Parteienbündnis, das bis zu den Linksliberalen von D66 reicht. Die haben nun Einspruch gegen die neue Offenheit von Rechtsliberalen und Christdemokraten erhoben und wollen ihren Koalitionspartnern die freie Partnerwahl nicht zugestehen. „Das ist nicht das Limburg, in dem wir aufwachen wollen“, schrieb die D66-Spitzenkandidatin Marlou Jenneskens auf Twitter.
Ihren Thread hatte Marlou Jenneskens mit den Worten begonnen: „Eine Provinz, in der jeder frei und er selbst sein kann.“ Schon zweimal sei eine Zusammenarbeit mit der PVV in Limburg rasch gescheitert, so Jenneskens.
Geert Wilders stammt selbst aus der Provinz Limburg, wo auch seine Partei in einigen Wahlkreisen Mehrheiten erzielte. Wilders selbst sieht sich eher als liberalen „Ikonoklasten“ denn als ausgeprägten Rechten. Sein politischer Mentor Frits Bolkestein war Vorsitzender der Liberalen Internationalen und EU-Kommissar für den Binnenmarkt (1999–2004) unter Romano Prodi. Mit Kritik an der Massenzuwanderung wie auch am Islam hält Wilders aber bekanntlich nicht zurück. Den Koran hat Wilders gelegentlich als „faschistisches Buch“ beschrieben, das verboten werden müsse, und empfindet Trauer, weil der Islam auch den Muslimen die Würde raube. Zuletzt setzte er sich für die postume Ehrung des niederländischen Widerstandskämpfers Jan Zwartendijk ein, der als Kaufmann in Litauen tausenden Juden (mehr als Oskar Schindler) zur Flucht verhalf.
Die Asyldiskussion nimmt auch in den Niederlanden immer neue Formen an, seit Aufnahmeeinrichtungen von außen deutlich erkennbar überlaufen waren und es weiterhin sind. Das Land hat heute mehr als 20.000 Migranten in Notunterkünften, das heißt in Turnhallen oder großen Zelten, untergebracht. Inzwischen ist offen von der Beschlagnahmung von Gebäuden zur Unterbringung von Asylbewerbern die Rede, wie die Partei JA21 beklagt.
Eine bessere Repräsentation wird möglich – auch in anderen EU-Ländern
Schon 2010 reagierte die Mehrzahl der Niederländer gelassen auf die informelle Koalition der Christdemokraten und Rutte-Liberalen mit der Wilders-Partei PVV. Bei den letzten Limburger Provinzwahlen lag die PVV übrigens mit 13,6 Prozent auf dem dritten Platz hinter den Christdemokraten und dem Forum voor Democratie (FvD) des EU-skeptischen Konservativen Thierry Baudet. Baudet und Wilders eint der Glaube, dass die geschlossenen Zirkel der Macht von Zeit zu Zeit aufgebrochen werden müssen, um dem Willen der Bürger wieder zu mehr Einfluss zu verhelfen.
Übrigens dürfte auch die neugegründete BoerBurgerBeweging (BBB), die aus den Bauernprotesten entstand, ins Provinzparlament einziehen. Der große Verlierer scheint demgegenüber das Forum foor Democratie (FvD) von Thierry Baudet zu werden, die vor vier Jahren noch rund ein Fünftel der Stimmen erhielt. All das sind – bei allem Auf und Ab – Indizien, dass in den Niederlanden (und anderswo) schrittweise Gelassenheit einkehrt, und demokratische Mehrheiten so anerkannt werden, wie sie sich bei Wahlen ergeben, und folglich eine bessere Repräsentation der Bürger und ihrer Interessen wieder möglich wird.
In anderen Ländern gibt es parallele Entwicklungen, etwa wenn man sich die Übernahme der französischen Républicains durch den Rechtskonservativen Éric Ciotti ansieht. Auch in Spanien gelang seit dem Frühjahr 2022 eine Neuausrichtung des konservativen Partido Popular (PP) unter dem neuen Vorsitzenden Alberto Núñez Feijóo, der sich offen für regionale Bündnisse mit der jungen Vox-Partei zeigte – etwa in der Provinz Kastilien und León.
In Italien und Schweden ist der populäre Protest – teils auf dem Weg der Duldung – schon an der Regierung. Die tolerierenden Schwedendemokraten gelten dabei durchaus als einflussreich, gerade was die Einwanderungspolitik betrifft. In Italien läutete die Regierungsübernahme eine auch von Beobachtern bemerkte „konservative Läuterung“ und Entdämonisierung der Fratelli d’Italia unter Giorgia Meloni ein, die allein schon durch ihre Teilnahme an Staatsbesuchen und Gipfeltreffen das Zentrum der europäischen Politik mitbestimmen wird.