Tichys Einblick
PVV und Wilders legen in Umfragen zu

Niederlande vor Neuwahlen? Wilders warnt vor einer Entwicklung zum „Libanon Europas“

In Den Haag wüten dieser Tage nicht nur ostafrikanische Asylmigranten. Auch die Regierungsbildung läuft alles andere als glatt. Die vermeintlichen Partner wollen auf Abstand bleiben, fürchten die Legitimierung ihres Erzgegners. Geert Wilders braucht Neuwahlen nicht zu fürchten: Er und seine Partei gewinnen stetig dazu.

Geert Wilders (PVV), Den Haag, Niederlande, 14.02.2024

IMAGO / ANP

Die brutalen Ausschreitungen von Asylmigranten aus Eritrea oder Äthiopien im Zentrum von Den Haag könnten der letzte Glockenschlag für die Suche nach einer neuen Regierung für die Niederlande gewesen sein. Die niederländische Polizei berichtet von Festnahmen und hat weit ausgreifende Ermittlungen angekündigt, nachdem Gegner eines Eritrea-Festes sich Straßenschlachten mit Polizei und Rettungskräften geliefert hatten. Die Polizei war streckenweise überfordert, setzte ihre Kräfte aber so klug ein, dass kaum Beamten zu Schaden kamen. Doch das könnte, wie gesagt, nur der letzte Tropfen sein, der ein Fass zum Überlaufen bringt.

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Schon vor zwei Wochen waren die Unterhandlungen zwischen Geert Wilders’ Partei für die Freiheit (PVV), der rechtsliberalen VVD, dem neugegründeten NSC und der Bauern-und-Bürger-Bewegung (BBB) ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Die neue Mitte-Rechts-Partei Nieuw Sociaal Contract (NSC) hatte sich da aus den Verhandlungen zurückgezogen. NSC-Vorsitzender Pieter Omtzigt berichtete, schon seit dem 10. Januar habe es praktisch keinen Fortschritt mehr zu inhaltlichen Fragen gegeben. Viel kritisiert wurden auch Geert Wilders’ Aussagen auf der Plattform X, die den Verhandlungen nicht immer geholfen hätten.

Doch die Wähler haben offenbar weniger Kritik an Wilders und seiner Partei als vielmehr an Omtzigt und der seinen: In den neuesten Umfragen hat die PVV stark zugelegt und könnte demnach 49 Sitze erringen, was schon fast ein Drittel der Kammer ausmacht (aktuell: 37 Sitze). Dagegen verliert der NSC stark und kommt nur noch auf knapp die Hälfte seiner derzeit errungenen 20 Sitze. Neun könnten es demnach bei Neuwahlen werden.

Die Niederlande der Hofnarr Europas?

Die Neugründung NSC verliert damit genauso rasch wieder an Boden, wie sie ihn gewann. Und bald könnten sich die Gewinne und Verluste materialisieren. Schon 30 Prozent der Wähler sind für Neuwahlen. Außerdem wird auch das politische Den Haag nach Monaten der Ergebnislosigkeit allmählich unruhig. Vollkommen unklar bleibt, wie der neue Sondierer Kim Putters mehr Erfolg haben sollte als sein Vorgänger. Immerhin hat Wilders den einflussreichen Sozialdemokraten selbst vorgeschlagen.

Doch am Ende scheint alles auf Neuwahlen zuzulaufen. Und so setzt auch Wilders seine viel kritisierte Kampagne in den sozialen Medien (X, früher Twitter) fort. Er beklagt „Hamas-Flaggen und antisemitische Slogans“ in niederländischen Städten, daneben „brutale Gewalt durch Eritreer“, nicht zuletzt immer mehr Asylzentren, die es bald in allen Dörfern geben werde. All das mache die Niederlande zu einem europäischen Libanon. Wilders verlangt demgegenüber eine Rückkehr der „alten, schönen Niederlande“. Er will das Land seinen Bürgern zurückgeben und warnt gelegentlich vor einem „Migrationstsunami“.

Das letztgenannte Element (Zentren in den Dörfern) ist das Ergebnis eines Gesetzes zur Verteilung von Asylbewerbern, das die möglichen Koalitionspartner während der Verhandlungen gegen Wilders’ strikte Warnung beschlossen haben. Auch dieser legislative Akt war nicht eben förderlich für die neue Regierungsbildung. Inzwischen kritisierte Wilders auch die vermehrte Ankunft von Ukrainern, die in den Niederlanden – ähnlich wie in Deutschland – vor allem „Wohnen umsonst, kostenlose Versorgung“ und – das ist ein Unterschied zu Deutschland – „Jobs“ suchten. Auch diese Aussage, die eine Tatsache umschreiben dürfte, wurde umgehend skandalisiert. Die reichen Niederlande seien, so schloss Wilders, einmal mehr „der Hofnarr Europas“.

Alles scheint darauf angelegt, Wilders zu isolieren

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Ein weiteres Problem der Verhandlungen: Die Partner zierten sich ausdauernd, wo es um die Entsendung von Ministern in die neue Regierung ging. Die VVD-Vorsitzende Dilan Yesilgöz (Nachfolgerin des noch amtierenden Premiers Rutte) wollte nur dann einen Ministerposten übernehmen, wenn NSC-Chef Omtzigt das Gleiche täte. Nun schlägt Omtzigt eine Minderheitsregierung von PVV, VVD und Bauern-Bewegung vor, die seine Partei dann tolerieren würde. Daneben wird die Möglichkeit einer „außerparlamentarischen Regierung“ in den Ring geworfen.

Omtzigt findet, dass eine eher lose Verbindung der Regierung mit dem Parlament nützlicher sei als das bisherige Modell. Koalitionsverträge seien in den letzten Jahren zu Büchern voller Details geworden: „Das ist erstickend.“ Ein Regierungsprogramm, das statt von Parteien von Ministern aufgestellt wird, scheint ihm vorteilhaft.

Doch dieses eigenartige und unklare Konzept – das ein wenig an „Regierungen der nationalen Einheit“ in Krisenzeiten erinnert – würde wohl noch weiter weg vom Wahlergebnis und den Mehrheitsverhältnissen im Parlament führen. Es scheint nichts weiter als eine Krücke zu sein, um die Wilders-Partei trotz ihrer Wahlerfolge weiterhin zu isolieren und jede „Kontaktschuld“ zu vermeiden. Dass das nicht gut gehen kann, zeigen die Wahlergebnisse und Wahlumfragen. Eine weitere Umfrage deutet in dieselbe Richtung: Danach führt Geert Wilders auch die Liste der beliebtesten Politiker an, dicht gefolgt von der Bauern-Führerin Caroline van der Plas. Alle anderen folgen mit einigem Abstand.

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