Zur Zeit läuft der Prozess gegen den US-Polizisten Derek Chauvin, aufgrund des Todes von George Floyd. Auf der Anklage steht u.a. Mord zweiten Grades (ohne Vorsatz) – nach deutschem Recht entspräche das ungefähr dem Tatbestand des Totschlags. In Minnesota stehen darauf bis zu 40 Jahre Haft.
Das offizielle Obduktionsgutachten bestätigte damals, dass Floyd entgegen der öffentlichen Ansicht nicht durch Chauvins Gewaltanwendung erstickt ist, die Todesursache vielmehr ein Herz-Kreislauf-Stillstand sei, der im Wesentlichen auch durch Herzprobleme und Einfluss von Rauschmitteln hervorgerufen wurde.
U.a. der damalige Chef des Minneapolis Police Departments Medaria Arradondo sagte nun aus und bezeugte, dass Chauvin „absolut“ gegen die Richtlinien der Polizei verstoßen habe. Er räumte aber auch ein: „Es ist zunächst vernünftig, ihn in den ersten Sekunden unter Kontrolle zu bringen“. Die Richtlinien der Polizei sahen das Stützen auf den Nacken mit „leichtem bis mäßigem“ Druck vor, nach Aussage von Arradondo war das zunächst auch angebracht. Als Floyd aber unter Kontrolle und mit Handschellen gefesselt war, sowie keinen Widerstand mehr leistete, hätte Chauvin davon ablassen müssen.
Chauvins Verteidiger brachte dann eine neue Perspektive ein: Aufnahmen aus der Bodycam eines andere Officers, der zum Zeitpunkt der Vorfalls direkt neben Chauvin kniete. Diese zeigen, dass Chauvin mindestens für 30 Sekunden nicht auf dem Nacken, sondern auf der Schulter von Floyd kniete – und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem es auf der allgemein bekannten Perspektive von Passanten so aussieht, als ob Chauvin auf dem Nacken von George Floyd knien würde. Der Verteidiger fragte den ehemaligen Polizeichef: „Auf der Aufnahme von Officer Kuengs Bodycam sieht es so aus, dass Officer Chauvins Knie mehr auf Mr. Floyds Schulterblatt war. Würden Sie dem zustimmen?“, Arradondo antwortete mit „Ja“ und ergänzte, dass er zum ersten mal aus einer Perspektive sehe, auf der das der Fall wäre.
Von Seiten der Anklage wurde bemängelt, dass die entsprechende Szene zu einem Zeitpunkt aufgenommen wurde, als Floyd bereits kollabiert war. Wie lange Chauvin tatsächlich auf dem Nacken und wie lange er in Wahrheit auf seiner Schulter kniete, gilt es nun zu klären.