Tichys Einblick
„Karawane Hoffnungsschimmer“

Neue Migrantentrecks aus Griechenland und der Türkei nach Deutschland

Gleich zwei Massen-Trecks Richtung Deutschland formieren sich derzeit in Nordwestgriechenland und der Türkei. Den Migranten wurde die aktive Unterstützung europäischer Hilfsorganisationen versprochen.

Migrants gather outside of a refugee camp in Diavata, a west suburb of Thessaloniki on April 5, 2019. - Hundreds of migrants and refugees gathered following anonymous social media calls to walk until the Northern borders of Greece to pass into Europe.

Sakis MITROLIDIS / AFP

Vorbemerkung: Der Bericht lag uns im Kern schon vor zwei Wochen vor. Wir wollten aber aber eine gesicherte Nachrichtenbasis haben.

Tausende von Migranten sind fest entschlossen, von Griechenland und der Türkei aus in Richtung West- und Nordeuropa aufzubrechen. Aus der Analyse der sozialen Netzwerke geht hervor, dass sehr professionelle Organisationsarbeit und eine große Nachfrage dahinterstecken. In Griechenland hat sich dabei ein Treck formiert und ist bereits abmarschiert. Die Organisatoren gaben der Menschenkarawane natürlich auch einen eigenen PR-Namen: „Karawane Hoffnungsschimmer“. Und selbstredend gibt es auch eine eigene Facebook-Seite, auf der die Organisatoren in arabischer Sprache Informationen über Ort und Zeitpunkt der Sammlung zum Abmarsch verbreiten. Der Migrantentreck wurde zuerst in der Gegend von Thessaloniki gesichtet, durchquerte einige Vorstädte der nordgriechischen Großstadt. Die Angaben, wieviele Menschen es sind, schwanken zwischen 700 und einigen Tausend.

In Thessaloniki sowie in der Nähe der Grenze zwischen Griechenland und Nord-Mazedonien gab es auch schon ernste Zusammenstöße mit der Polizei. Teils waren die Migranten der irrigen Meinung, die Grenze sei geöffnet worden. Teils wussten sie aber, das die Grenze geschlossen ist, und äußerten, sie würden auf eine Gelegenheit warten, notfalls mit Gewalt oder durch ihre schiere Anzahl die Grenzzäune zu überwinden. Dazu schickten vor allem männliche Migranten aus dem Lager Diavata Frauen und Kinder als eine Art Vorhut den Polizeikräften entgegen, um ihren Vormarsch zu erzwingen. Gewalttätige Migranten warfen anschließend Steine, die Polizisten setzten Tränengas und Blendgranaten ein. Ein bereitgestellter Regionalzug, der eine größere Zahl von Migranten zurück in ihre Aufnahmeeinrichtungen bringen sollte, wurde vorübergehend blockiert. Der Lokführer wurde genötigt, den Zug in einem Bahnhof in Grenznähe zu stoppen, indem ein Kleinkind auf die Geleise vor eine abfahrbereite Lokomotive gesetzt wurde.

In Ungarn wusste man’s vorher

Auch der Hauptbahnhof von Athen musste vorübergehend gesperrt werden. Migranten hatten Züge besetzt, um Fahrten an die Nordgrenze Griechenlands zu erpressen. „Es ist eine Lüge, dass die Grenze aufgemacht werden soll. Das wird es nicht geben“, erklärte dazu der griechische Migrationsminister Dimitris Vitsas. Das ungarische Institut für Migrationsforschung hatte bereits am 28. März 2019 eine sogenannte Schnellanalyse über die „Karawane Hoffnungsschimmer“ veröffentlicht. Die Prognosen, die die Ungarn machten, haben sich bislang als zutreffend erwiesen.

Auf der türkischen Seite scheint die Regierung – zumindest bisher – entschlossen, den Aufmarsch zu verhindern. Dieser „türkischen“ Karawane haben sich bisher etwa 40.000 hauptsächlich syrische Staatsbürger angeschlossen, aber das Institut rechnet aufgrund der Auswertung von sozialen Medien damit, dass sich die Zahl in nächster Zeit vervielfachen könnte, da die Teilnahme kostenlos ist, und versprochen wurde, dass westliche Organisationen den Treck unterstützen würden. Der Organisator des Trecks ist das „Forum Syrischer Vereine“, eine Organisation, die etwa 50 sogenannte zivile syrische Organisationen vereint.

Die ungarische Studie ist interessant, weil aus ihr schon vorab wichtige Rückschlüsse auf das Verhalten der von Schleusern und Scharfmachern angestachelten Migranten möglich wurden. So war vorab bekannt, dass dem versuchten Abmarsch aus dem Lager Diavata Vorbereitungen vorausgegangen sind, die denjenigen vom Anfang der Migrationswelle von 2015 sehr ähnlich waren. Nach syrischen Quellen soll der Koordinator der Aktion, Anas Badawi, den türkischen Treck kurzfristig abgesagt haben, doch dieser Nachricht haben andere Organisatoren widersprochen. Auf jeden Fall haben sich in Siedlungen, die nahe der syrischen Grenze liegen, so zum Beispiel in Sanhurfa und Gaziantep, Menschenmassen zusammengefunden, nachdem sich die Nachricht verbreitet hatte, dass Europa bereit sei, mehrere Tausend syrische Migranten aufzunehmen.

Sprengstoff für die EU-Wahl

Der versuchte Grenzübertritt einer großen Menschenmenge soll beim Ort Ioannia in der Nähe der albanischen Grenze sein, wo zunächst die Errichtung eines improvisierten Camps geplant ist. Angeblich sollen aus Athen und Thessaloniki auch Busse die Migranten dorthin transportieren. Vermutlich sollen die schon einmal bewährten Migrationsrouten durch Albanien, Montenegro, Bosnien und Kroatien benutzt werden. Die Teilnehmer wurden aufgefordert, Zelte und Lebensmittel für sieben bis zehn Tage mitzunehmen. In einigen Kanälen und Gruppen in sozialen Medien wird versprochen, dass die griechische Grenze für einen kurzen Zeitraum geöffnet werde. Bisher ist von etwa 20.000 registrierten Teilnehmern die Rede. Die Studie besagt weiter, dass bis zum 4. April weder die türkischen noch die westeuropäischen Medien über die sich organisierenden Migrantenkarawanen berichtet haben. Eine der Gründe dafür sei – so vermuten die Verfasser – , dass nach der irrigen Auffassung der Europäischen Union die Migrantenkrise vorbei sei. Inzwischen berichten etliche Medien:

Die sich verdichtenden Hinweise auf erneute Züge von Zigtausenden, die notfalls mit Gewalt nach Deutschland einwandern wollen, hat derweil eine enorme Sprengkraft. Sollte es noch vor den EU-Wahlen im Mai einen erneuten Ansturm auf Westeuropa geben, würde das die Chancen jener Parteien und Regierungen stärken, die der Migration und der illegalen Einwanderung gegenüber kritisch eingestellt sind. Auch die Türkei hat ein Interesse daran, das aufziehende Problem möglichst klein zu halten. Das könnte auch einer der Gründe sein, warum die Migranten, die sich in Südostanatolien zusammengerottet haben, noch nicht marschieren konnten. In Ankara ist das Interesse an einer möglichst starken Linken in einem neugewählten EU-Parlament sehr groß, weil das einerseits die Chancen auf neue Abkommen in Migrationsfragen und andererseits auf einen vollständigen EU-Beitritt des kleinasiatischen Landes erhöhen würde. Die Befürworter eines harten und aprupten Brexit dürften sich durch die Nachrichten aus Griechenland und der Türkei dagegen deutlich bestätigt fühlen.

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