Tichys Einblick

Netanjahus Sieg beendet das politische Patt in Israel

Israels Premier Benjamin Netanjahu hat entgegen den Umfragen und trotz eines anstehenden Korruptionsprozesses die Wahlen gewonnen. Er steht für Sicherheit, wirtschaftlichen Erfolg und ein Israel, das er wie eine Großmacht vertritt.

Amir Levy/Getty Images

Benjamin Netanjahus politische Erfolgsbilanz und sein Charisma sind vom Wähler belohnt worden. Er ist der ebenso überraschende wie eindeutige Wahlsieger bei der dritten Wahl in elf Monaten in Israel: vier Mandate mehr als sein Herausforderer. Ob es zur Regierungsmehrheit von 61 Mandaten reicht ist noch ungewiß. Die Umfrage-Institute und die Medien sind jedenfalls die Verlierer. Sie hatten den Anführer des Mitte-Links-Lagers Benny Gantz auf Platz eins prognostiziert. Das Votum des Wählers wird nicht ohne Auswirkungen auf den in zwei Wochen beginnenden Korruptions-Prozeß gegen den Wahlsieger bleiben.

„Es ist ein großer Sieg, der größte Sieg, den wir je errungen haben“, rief Netanjahu vier Stunden nach Schließung der Wahllokale seinen Anhängern zu. Der Jubel kannte keine Grenzen. Dass der viel Gescholtene vier Mandate mehr holt als sein Widersacher, damit hatte niemand gerechnet. Zwar ist noch unklar, wo die zwei Mandate herkommen, die Netanjahu für eine Regierungsmehrheit benötigt. Sicher aber ist, dass Staatspräsident Rivlin den Gewinner der 36 Parlamentssitze mit der Regierungsbildung beauftragen wird. 

Acht der 30 zur Wahl angetretenen Parteien sind von 71 Prozent der 6,45 Millionen wahlberechtigten Israeli ins Parlament gewählt worden. Das ist die höchste Wahlbeteiligung seit 1999 und mit die Ursache für Netanjahus Sieg. So wie es aussieht, wird er mit zwei orthodox-religiösen (je 10 und 7 Sitze) und einer national-religiösen Partei (6 Sitze) eine Koalitionsregierung bilden. Der Wähler hat sich für den nachweislich Erfolgreichen entschieden. In seiner inzwischen über 11jährigen Amtszeit hat Israel eine bespiellose wirtschaftliche Blüte erlebt. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich auf 370 Milliarden US-Dollar fast verdoppelt, die Arbeitslosigkeit liegt bei 3,7 Prozent und aus der Start-up-Nation ist ein geschätzter Partner der weltweiten Groß-Industrie geworden. 

Das selbstfahrende Auto, die individuelle Medizin von Morgen – ein möglicher Impfstoff gegen das Corona-Virus inbegriffen –, Sicherheit im Internet, Energie zu bezahlbaren Preisen, ausreichend Lebensmittel und Trinkwasser für eine explodierende Weltbevölkerung: bei all diesen Themen reden Israeli ein gehöriges Wort mit. 

Fast 400 Weltfirmen von Apple, Daimler bis Google und Microsoft unterhalten in Tel Aviv, Jerusalem und Haifa Forschungslabore. „Bibi“ wie ihn Freund und Feind nennen, bewegt sich in Washington, Moskau, Europas Hauptstädten, Afrikas Metropolen und in Neu Dehli mit dem Selbstbewußtsein eines Staatsmannes einer Großmacht. Dabei hat Israel nur etwa so viel Einwohner wie Österreich oder die Schweiz.

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Der Wähler wollte keine Experimente. Schon gar nicht die Alternative Benny Gantz, der nur mit der arabischen Einheitspartei eine Regierung hätte bilden können. Genau diese Vorstellung ist für die Mehrheit in Israel unerträglich. Sie akzeptieren die demokratische Grundregel, dass zwei Millionen arabische Israeli im Parlament gebührend vertreten sind. Aber eine Regierungsbeteiligung einer Partei, deren religiöse Wurzeln in den feindlichen Nachbarländern liegt, ist der jüdischen Mehrheit schwer zu vermitteln. Hinzu kommt: in den letzten Wochen verging fast kein Tag ohne Raketenangriffe aus Gaza und versuchten Messerattacken von Palästinensern aus der Westbank auf Zivilisten oder Polizeikräfte. Selbst am Wahltag plante ein Scharfschütze von Syrien aus einen Anschlag, der zum Glück abgewehrt werden konnte. 

Die Enttäuschung beim Herausforderer nach der ersten Hochrechnung war sichtbar. Hatten doch die Umfrage-Institute und die veröffentlichte Meinung Benny Gantz in den Tagen vor der Wahl vorab zum Wahlsieger hochgeschrieben. Auch der als Königsmacher gehandelte Avigdor Lieberman hat sein Ziel nicht erreicht. Er wollte um jeden Preis Netanjahu in Pension schicken. Jetzt muss er sich, mit sieben Sitzen abgeschlagen im Parlament begnügen. Der Wähler sieht in dem 70jährigen Netanjahu, der seine fünfte Amtszeit antritt, den richtigen Mann am richtigen Platz zur richtigen Zeit.

Gefahr droht ihm ab 17. März, wenn er in Jerusalem auf der Anklagebank sitzt. Drei Richter werden in den nächsten Monaten über die Klage des Generalstaatsanwalts entscheiden, ob der Ministerpräsident des Landes korrupt ist oder nicht. Ihm wird Betrug, Untreue und Bestechlichkeit vorgeworfen. Bei den Anklagepunkten geht es um den Verdacht der Beeinflussung der Berichterstattung von Zeitungen, online-Diensten und TV-Sender, um angeblich illegale Deals mit Unternehmen und Annahme von Luxusgeschenken befreundeter Geschäftsleute. Bei den Männern in „Spendierhosen“ handelt es sich um den Hollywood-Produzenten Arnon Milchan und den australischen Milliardär James Packer, die im Gegenzug rechtliche und politische Vorteile erhalten haben sollen, zum Beispiel Steuervergünstigungen in Millionenhöhe.

Netanjahu will bis dahin seine Regierung ernannt haben und hofft, dass sich die Richter von der Strahlkraft der gelösten Pattsituation und von der bisherigen Leistungsbilanz beeindrucken lassen. Was Netanjahu vor sich hat, überstand sein früherer Likud-Generaldirektor, Ex-Aussen- und Verteidigungsminister Avigdor Lieberman, wenngleich nicht als Amtsträger. Dessen Korruptions-Prozess endete 2013 mit einem Freispruch. Kurz darauf nahm er seine Amtsgeschäfte als Aussenminister im Kabinett Netanjahu wieder auf. 

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