Kaum ein offizieller Besuch war schneller angesagt und durchgeführt als dieser. Die Nachricht von der dänischen Asylwende war gerade in die Öffentlichkeit gedrungen, da sagte der österreichische Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auch schon seinen Besuch in Kopenhagen an, wo er sich über das neue dänische Asylgesetz und die Schritte zu dessen Umsetzung informieren wollte.
Hauptsächlich ging es aber um das andere Vorhaben der dänischen Minderheitsregierung unter Premierministerin Mette Frederiksen, wonach in Dänemark gestellte Asylanträge nicht mehr im Land beurteilt werden sollen, sondern in eigens dafür errichteten Zentren in Drittländern, wobei Namen wie Tunesien, Ägypten, Äthiopien oder Ruanda fielen.
Nehammer glaubt, dass mit den dänischen Plänen »das Asylrecht wieder auf den ursprünglichen Gedanken der Genfer Flüchtlingskonvention« zurückgeführt würde: »Denn es geht darum, dass es ein Recht auf Schutz vor Verfolgung gibt, aber kein Recht, sich das Land, in dem man leben will auszusuchen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen können Impulsgeber für Europa sein und Debatten einer neuen Asyl- und Migrationspolitik maßgeblich vorantreiben.«
Eine Vereinbarung über die außereuropäischen Asylzentren ist – laut Migrationsminister Tesfaye – weder »weit weg« noch steht sie in Kürze bevor, wie der Kurier meldet. Man verhandelt also, und ist optimistisch dabei. Dänische Investitionen werden anscheinend auch in diese Länder fließen, was die Unterredungen beschleunigen könnte.
»Das europäische Asylsystem ist gescheitert«
Das europäische Asylsystem ist aus seiner Sicht gescheitert: »Es ist ineffizient und ungerecht. Kinder, Frauen und Männer ertrinken im Mittelmeer oder werden entlang der Migrationsrouten misshandelt, während Schlepper ein Vermögen verdienen.« Dänemark und die EU im allgemeinen investierten zu viele Ressourcen in die Bearbeitung von Asylanträgen, die am Ende nicht angenommen werden. Tesfaye spricht dabei immerhin von der Hälfte der Anträge. Diese Zahl ist, geht man nach deutschen Erfahrungen, sogar zu hoch gegriffen, zeigt aber, dass die dänische Regierung die Sache nicht leichthin nimmt.
Daneben gibt es laut Tesfaye »riesige Probleme« bei der Abschiebung zurückgewiesener Asylbewerber in ihre Heimatländer und das stelle den »sozialen Zusammenhalt« und die innere Sicherheit gleichermaßen in Frage. Und natürlich untergräbt es das Vertrauen in ein Asylsystem, wenn solche Zustände und Folgen vorherrschen. »Ohne sozialen Zusammenhalt gibt es keinen Wohlfahrtsstaat.«
Die dänische Regierung will an die Stelle dieser Asylregelungen, die bisher in der EU weitgehend Konsens waren oder doch allgemeiner Usus sind, ein »neues, faires und humanes Asylsystem« setzen, von dem buchstäblich alle involvierten Länder profitieren sollen: Herkunfts-, Transit- und Zielländer der irregulären Migration. Denn alle, vor allem natürlich Transit- und Zielländer, hätten Vorteile von einem Ende der irregulären Migrationsströme.
Und genau diese Migrationsströme will die dänische Regierung unterbrechen und damit am Ende eine Minimierung der in Dänemark gestellten Asylanträge erreichen. Dazu wollen die dänischen Sozialdemokraten die Asylverfahren in Länder außerhalb der EU verlagern und dort auch den Schutz zur Verfügung stellen, falls er gewährt wird. »Aus unserer Sicht ist das notwendig, um die Anreize für irreguläre Zuwanderung in die EU zu brechen«, sagt Tesfaye dazu. Und natürlich werde das Königreich dabei seine internationalen Verpflichtungen erfüllen.
Keine Einbürgerung in der Hoffnung auf Integration
Die in Wien mitregierenden Grünen waren laut der Tiroler Tageszeitung wenig angetan von Nehammers Arbeitsbesuch. Die dänischen Pläne verstießen »gegen geltendes EU- und Völkerrecht«, formulierte der Sprecher der Grünen für Inneres, Sicherheit und Asylpolitik und mahnte eine »gesamteuropäische Lösung« an. Am Ende muss man vielleicht noch bemerken: Eine Zusammenarbeit zwischen Wien und Kopenhagen steht trotz des von Nehammer gezeigten Interesses wohl nicht sofort ins Haus. Dazu sind die »internationalen Verpflichtungen« der beiden Länder zu unterschiedlich. Eine Ausnahmeregelung in Sachen EU-Asylrichtlinie, wie sie Dänemark besitzt, können die Österreicher nicht vorweisen. Solange das so ist, bleibt es bei Planspielen – egal ob in Wien oder anderswo.