José María Gay de Liébana y Saludas ist bekannt für seine klaren Worte. Als 2011 in Spanien alles zusammenbrach, gehörte der Universitätsprofessor zu denen, die klar aussprachen, wie im spanischen Finanzsektor geschummelt und geschoben wurde mit Hilfe der Politiker. Das alles führt zu einer Pleitewelle bei den spanischen Sparkassen. Schließlich musste die EU zur Hilfe kommen. Ihm schlossen sich damals viele Konservative an, welche die regierende systemisch korrupte PP unter Mariano Rajoy aufs Schärfste angriffen. In diesen stürmischen Zeiten entstanden die neue extrem rechte Partei VOX und die extrem linke PODEMOS, inzwischen in der Regierung. Beide haben sich dem Kampf gegen Korruption verschworen. Viel erreicht haben sie aber nach Ansicht von Gay de Liébana y Saludas noch nicht: „Jetzt Europa um Almosen zu bitten, ist nicht ethisch. Das spanische Verwaltungssystem durch seine vielen zwischengeschalteten Vermittler und Berater ist immer noch ineffizient und in Teilen korrupt“, sagt der in Katalonien ansässige Ökonom. Dennoch, von dem geplanten 750 Mrd. Corona-Rettungspaket der EU wird Spanien nun erneut 140 Mrd. bekommen.
In Katalonien, wo immer noch um eine Unabhängigkeit von Spanien gerungen wird, hat die systemische Korruption der damaligen konservativen, ebenfalls nach weitreichenderer Autonomie strebenden Regionalregierung die inzwischen eher linke Separatistenbewegung hervorgebracht. „Es ist ein Ablenkungsmanöver von der Verbindung von Betrug und regionalem Nationalismus“, sagt die Chefin der spanischen Liberalen (Ciudadanos), Inés Arrimadas. Seit dem Regierungsantritt von Pedro Sánchez vor zwei Jahren wendete sich das Blatt. Er räumte in seiner eigenen korrupten PSOE auf und will Spanien modernisieren. Selbst die Monarchie hat inzwischen ihren Schutz verloren und musste sich in den vergangenen Jahren für ihre vielfältigen korrupten Machenschaften verantworten. Die nun richterlich untersuchten Geldgeschäfte des emeritierten Königs Juan Carlos sind eine Zäsur. Sie könnten eine zweite demokratische Transition in Spanien einläuten – dringend notwendig nach 25 Jahren EU-Zuwendungen, die dem bis 1978 autoritär regierten Land immer noch nicht zu einer wirtschaftlichen soliden Basis verholfen haben.
Spanien profitierte in 25 Jahren wie kein anderer von der EU
Allein die Strukturfonds – rund 140 Milliarden Euro in 25 Jahren – haben fast 50% der Infastruktur finanziert. „Es wurde in den vergangenen 25 Jahren in Straßen und Flughäfen, aber nicht in Forschung und Entwicklung investiert“, klagt der Ökonom Andrés Villena. Gebuttert wurde von Brüssel auch die immer wieder wegen schlechter Arbeitsbedingungen für Erntehelfer und Einsatz von Chemikalien in Verruf geratene spanische Landwirtschaft mit bisher 100 Mrd. Euro. Sie ist inzwischen der Hauptlieferant der Deutschen in Sachen Bioprodukten und einer der größten Schweinefleisch-Exporteure der Welt.
Einige Spanier wünschen sich eine EU-Intervention, um aufzuräumen
Sánchez will mehr Europa ohne Zweifel und auch ein „sauberes“ Spanien, aber die Widerstände im eigenen Land sind groß und auch innerhalb der EU. Die von ihm angestrebte gemeinsame Arbeitsmarktpolitik, eine europäische Gesetzgebung bei Einwanderung und Euroanleihen sind schwer durchzusetzen.
Regierung steht vor historischer Aufgabe
Spanien hat zuletzt Lob erhalten von der europäischen Antikorruptionsgruppe GRECO im Kampf gegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Vetternwirtschaft, aber noch immer gilt die spanischste Justiz als das schwächste Glied in der Kette. Deswegen seien die Gewalten nicht getrennt, würden Kosten vom Rechnungshof nicht richtig kontrolliert, Korruption in den autonomen Regionen und gäbe es immer noch fragwürdige Elemente im gesamten Bereich des Innenministeriums, sagt der spanische Intellektuelle und TV-Journalist José Miguel Monzón: “Unsere Richter sind nicht wie in Deutschland politisch unabhänig, damit haben wir in Spanien keine voll funktionierende Demokratie. Der Prozess ihrer Ernennung ist immer noch ein Machtspiel zwischen den zwei Volksparteien PP und PSOE”.