Das Neuköllner Sozialamt wird dichtgemacht, nämlich für zwei Wochen. So lange dauert die Verschnaufpause, die man zu brauchen glaubt. Denn das Personal ist knapp und die Belastung will kein Ende nehmen, vor allem auch durch die Anträge von Flüchtlingen und Migranten, die immer noch in besonders starkem Maße in die Bundeshauptstadt strömen.
Auch in Reinickendorf, dem Bezirk im Berliner Norden, in dem sich zufälligerweise auch die Erstanlaufstelle für Asylbewerber befindet, hat man das Sozialamt geschlossen. Auch hier wird über eine „immense“ Belastung geklagt, über „immer neue Gesetzesvorgaben, steigende Geflüchtetenzahlen und den Corona-Krankenstand“ – im Grunde alles vermeidbare Belastungen. Eine Mitarbeiterin des Neuköllner Amtes fasste es gegenüber der Welt so zusammen: „Wir sind nicht mehr am Limit, wir schon drüber.“
Daneben richtet sich ein angsterfüllter Blick der Beamten auf den 1. Januar 2023, an dem das neue Bürgergeld, aber auch das reformierte Wohngeld in Kraft treten sollen. Das wird offenbar der nächste Papier- und Antragsberg. Dann wird sicher mehr Personal eingestellt, das den Staat und die Kommunen wiederum mehr kostet.
In Berlin versucht man, sich am Zelt- und Leichtbaumarkt zu platzieren
Neben dieser Belastung der „Dauer-Infrastruktur“, die eigentlich für die Bürger da ist, wird ein steigender Bedarf für Provisorien deutlich. Und man kann nicht sagen, dass Sozialsenatorinnen in ganz Deutschland an dieser Idee Gefallen gefunden hätten – vielmehr stimmt: Ob es ihnen gefällt oder nicht, sie können nicht anders. So scheint sich in Berlin alles auf den Ex-Flughafen Tegel als Hauptstandort für die vorläufige Unterbringung von Neuzuwanderern zuzulaufen. Seit März wurden 49.000 Aufenthaltsanträge für 85.000 Ukraine-Flüchtlinge in der Hauptstadt gestellt. Laut Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) leben aber sogar 100.000 Ukrainer in der Stadt. Hinzu kommen 12.000 Asylbewerber. Das ist insgesamt schon ein Niveau, das die Migrationskrise von 2015 klein aussehen lässt, als 42.000 Asylbewerber in der Stadt ihre Zuflucht suchten.
Daneben denkt Kipping angeblich an die Berufung ihres linken Weggefährten Sebastian Scheel zum Leiter des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten. Scheel könnte demnach weitere Immobilien akquirieren, zumal er „die Prozesse im Umgang mit Immobilien“ kenne. Der kurzzeitige Bausenator schied Ende 2021 aus seinem Amt aus, kurz nachdem er versucht hatte, dem grünen Baustadtrat Florian Schmidt aus seinem Vorkaufsdebakel um die „Diese eG“ mit halbgaren Tricks herauszuhelfen. Der stets gut gekleidete „Armani-Kommunist“ wollte in seiner Amtszeit eigentlich die Berliner Mieten drücken – wozu es dann nicht mehr kam.
Vorerst wird Tegel also wohl genügen müssen, wo man angeblich „Spezialisten für Logistik und Nothilfe“ mit „guten Beziehungen … in der Katastrophenhilfe“ engagiert hat und ihnen in „lukrativen Beraterverträgen“ teures Geld hinterherwirft, um den Migrationsnotstand zu organisieren. Bei der Morgenpost klingt es so, als sei der Markt für Zelte und Leichtbauhallen ein hartes Pflaster, auf dem deutsche Kommunen und Bundesländer schlechte Karten haben.
Auch der Personalbedarf zum Unterhalt der kommenden Zeltstädte sei beträchtlich und schwer zu finden: 200 Mitarbeiter in Betreuung, Sicherheit, „Catering“ für angenommene 4.000 Bewohner. Woher das ganze Geld für Personal, Zelte, Baukosten usw. kommen soll, kann man sich beim hochverschuldeten Land Berlin denken. Die Kosten bleiben jedenfalls einstweilen geheim. Das könnte sonst wohl zu Missverständnissen, ja Irritationen führen (oder wie hatte es einst Jean-Claude Juncker ausgedrückt? Oder war es Thomas de Maizière?).
Bremen hat die Zelte schon hinter sich gelassen: Nun kommen die Sterne-Hotels dran
Den Weg zu Zelten und Leichtbauhallen ist man in Bremen schon vor Monaten gegangen. Zuletzt beschloss man im September, einen Zeltplatz an der Herzogin-Cecilie-Allee auf gut die doppelte Kapazität (dann 2.200 Plätze) zu vergrößern. Kostenpunkt: elf Millionen Euro für 18 Monate. Derzeit kommen mehr als tausend Migranten im Monat nach Bremen. Insgesamt sind heute um die 7.000 Flüchtlinge und Asylbewerber in der Hansestadt unterzubringen.
Nun will die Bremer Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) laut Bild zusätzlich vier Hotels anmieten, jedes zum Preis von einer Million Euro. Diese Hotelmiete über dem ortsüblichen Niveau erklärt sich angeblich durch die „Vollausstattung der Einrichtung“. Die benötigten vier Millionen Euro sollen zudem am regulären Haushalt vorbei, durch Selbstermächtigung des Senats, beschlossen und ausgegeben werden. Das bringt die Oppositionsparteien FDP und CDU auf die Barrikaden, die das „absolut anrüchig“ und „inakzeptabel“ finden.
Die Nutzung von Hotels, Hostels, privaten Grundstücken und Gebäuden ist dabei seit Beginn der Ukraine-Fluchtwelle in deutschen Städten üblich, wie das Hamburger und Berliner Beispiel zeigen. Bisher wurde freundlich um die Zurverfügungstellung gebeten. Jetzt wird dauerhaft angemietet. Und die Berliner Sozialsenatorin hat Beschlagnahmen für die Zukunft nicht ausschließen wollen.
Umnutzungen wie Aufnahmestopps gehen weiter
Im niedersächsischen Peine wird ein Impfzentrum, mitten im örtlichen Unternehmenspark gelegen, bis Mitte Dezember zum „Flüchtlingsheim“ umgestaltet. Brandenburg an der Havel verlängert den Mietvertrag für die Rolandkaserne, in der bereits Asylbewerber wohnen. So sieht die funktionierende Verwaltungstätigkeit in Deutschland aus. Allerdings strecken auch immer mehr Städte die Waffen angesichts der Dauerbelastung.
Der Landkreis Bautzen, dicht an der tschechischen und polnischen Grenze gelegen, bat Landesinnenminister Armin Schuster (CDU) um einen Aufnahmestopp. 5.300 Ukraine-Flüchtlinge und Asylbewerber hat der Kreis schon aufgenommen. Weitere 400 sollen noch dieses Jahr dazukommen. Man bekam eine „vorübergehende Reduktion“. Der benachbarte Landkreis Görlitz mit Grenzen mit Polen und Tschechien bleibt hochgradig belastet durch die neuen Arme der Balkanroute.
Übrigens verkünden auch Lebensmittel-Tafeln bundesweit – von Herne bis … – Aufnahmestopps der anderen Art, die wiederum höchst unsozial die Ärmsten dieser Gesellschaft treffen. Die Rede ist von einer Verdoppelung der bedürftigen Kunden. Ein Drittel der bundesweit rund 960 Tafeln mussten inzwischen Aufnahmestopps verhängen. Die Tafeln selbst mokieren sich allmählich, man sei kein Rundumversorger für Flüchtlinge und Bedürftige: „Wir unterstützen, wir versorgen nicht. Das ist Aufgabe des Staates“, sagte die Bundesgeschäftsführerin Sirkka Jendis vor kurzem im Angesicht von Innenministerin Faeser und Migations-Tausendsassa Gerald Knaus.
Als unlängst 80 „afghanische Geflüchtete“ in ein Hohenauer Romantik-Hotel einziehen sollten, regte sich allerdings der Unmut der Gemeinde Hohenau gegen diese Entscheidung des zuständigen Landratsamtes. Der Bürgermeister insistiert laut dem Regional-Onlinemagazin da Hog’n: „Das ist ein historisches Gebäude bei uns in der Gemeinde Hohenau: Der Komponist Georg von Pasterwitz ist hier geboren. Uns ist bewusst, dass 1,5 Millionen Flüchtlinge auf der Balkanroute unterwegs sind und wir dezentrale Unterkünfte benötigen, nur: Es muss vom Verhältnis her stimmig sein.“ Auch die Kindergärten und Schulen am Ort seien voll. Da sei schlicht keine Perspektive – nicht einmal für die 80 Ortskräfte plus Familienanhang.
Den Antrag zur Umnutzung stellte übrigens der Besitzer des Hotels. Die niederbayrische Gemeinde muss ihm allerdings nicht folgen. Bald schon könnten die Sachzwänge so groß sein, dass auch Landkreise und Gemeinden solchen – eigentlich unpopulären – Vorhaben stattgeben könnten.