Pedro Sánchez liebt diesen Moment, wenn er mit seinem perfekt sitzenden Anzug und seiner athletischen Figur vor die ausländische Presse treten kann. Besonders wenn deutsche Parteifreunde ihn einladen, kann er seinen Kritikern zuhause zeigen: „Schaut her, ich kann auch mit den schwierigen Deutschen.“
Sánchez, der fließend Englisch und Französisch spricht, hat bereits mehrfach bewiesen, dass er ein perfekter internationaler Gastgeber ist, genauso wie sein Vorgänger und interner Parteikritiker Felipe González, der Spanien in den 1970er und 80er Jahren in die EU geführt hat, aber am Ende in verschiedene Korruptionsskandale verwickelt war. Der inzwischen sehr behäbige González macht keinen Hehl daraus, dass er kein Fan von Sánchez ist. Beide Sozialdemokraten haben jedoch eines gemeinsam, glaubt der Spezialist für internationale Beziehungen an der spanischen Universidad Europea, Frederic Mertens de Wilmars: „Sie wissen, wie sie das meiste aus der EU für sich rausholen. Spanien hat dem deutschen Steuerzahler viel zu verdanken, unter anderem sechs LNG-Terminale, die das Land nun in die Lage versetzen, in Brüssel Vorschläge einzubringen, die auch für sie von enormem wirtschaftlichem Nutzen sind.“
Midcat soll von der EU finanziert werden
Als Midcat wird die fehlende Gas-Verbindung zwischen Frankreich und Spanien bezeichnet. Vom katalanischen Hostalric bis ins französische Barbaira müssen noch 226 Kilometer an Rohren verlegt werden, um einen Transport vom Maghreb bzw. den spanischen Häfen nach Deutschland oder Frankreich zu ermöglichen. Auf jeder Seite sind das ungefähr 100 Kilometer. Eine Gas-Verbindung Frankreichs und Deutschlands nach Italien, das mit Algerien eine Erhöhung der Gaslieferungen aushandeln konnte, gibt es bereits. Sánchez will, dass das Projekt bis zur EU-Präsidentschaft Spaniens im Juli 2023 steht. „Die Kosten betragen jedoch sicherlich mehrere Milliarden Euro,“ sagt Mertens. Und die Deutschen hätten mit Nord Stream 2 schon ein solches mit öffentlichen Mitteln finanziertes Projekt in den Sand gesetzt. Der Maghreb sei ein ähnlich instabiler Partner wie Russland, warnt er.
Spanien hat nicht ideologisch, sondern pragmatisch gehandelt
Sánchez hat derzeit gegenüber Frankreich und Deutschland einige Asse in der Hand. Die Strom- und Spritpreise dort sind vergleichsweise moderat dank einer durchgeboxten preislichen Trennung des iberischen Strom- und Gasmarktes, was Brüssel nur genehmigt hatte, weil Portugal und Spanien bisher wenig Energie exportieren. Am spanischen Großhandelsmarkt wurde die Megawattstunde im August 2022 für durchschnittlich 154,89 Euro gehandelt, 67 Prozent unter dem Niveau des deutschen Marktes und 69 Prozent niedriger als in Frankreich. Auch einschließlich der Kosten der „iberischen Lösung“, steht Spanien derzeit wesentlich besser da als Deutschland, das immer mehr industrielle Investitionen verliert wegen der hohen Energiepreise. Zudem ist Spaniens Energiemix seit 20 Jahren nachhaltiger als der deutsche: Kohle spielt de facto keine Rolle mehr, Nuklearenergie wurde zurückgefahren. Erneuerbare Energien, hier vor allem Hydraulik, machen dagegen fast bereits 50 Prozent des Stromverbrauchs aus, weswegen Spanien auch einer der EU-Hauptproduzenten von grünem Wasserstoff ist.
Die Übergewinnsteuer macht Sinn
Fraglich ist aber noch, wie das Gas aus der Mitte Spaniens dann nach Deutschland kommt, per Midcat oder per Schiff? Nachfragen beim spanischen Gasnetzbetreiber Enagás oder bei Iberdrola können keine Klarheit bringen. Auch geopolitisch könnte der Midcat-Plan nach hinten los gehen. Derzeit gibt es von Algerien zwei Pipelines nach Spanien, eine direkt und eine, die über Marokko führt, derzeit aber kein Gas nach Europa exportiert, weil Algerien nicht will, dass der wegen Gebietsstreitigkeiten in der Westsahara verhasste Nachbar wirtschaftlich davon profitiert. Hier ist noch einige Überzeugungsarbeit notwendig, damit diese dauerhaft Frieden miteinander schlieβen und die EU nicht mehr mit wilden Drohungen unter Druck setzen. Nur wenn diese Länder sich demokratisieren, dürfte gesichert sein, dass weniger Menschen über den Strom von Gibraltar nach Europa kommen und die radikale Islamisierung Afrikas gestoppt werden kann. „Am Midcat hängt viel mehr als nur Gas und das wissen alle, die mit der Idee spielen,“ sagt Mertens.