Tichys Einblick
Nach den Wahlen in Umbrien

Merkel wirkt bis nach Italien: Salvini und Meloni profitieren

Angela Merkels Aura des Niedergangs strahlt bis nach Italien aus. Bei den Regionalwahlen in Umbrien wurde die Niederlage der deutschen Regierungsparteien in Thüringen zum Pluspunkt für das Oppositionsbündnis von Matteo Salvini und Giorgia Meloni.

Matteo Salvini

Cosimo Martemucci/SOPA Images/LightRocket via Getty Images

Wie, fragen sich jetzt wohl einige, was hat denn die Kanzlerin Angela Merkel mit der Regionalwahl in Umbrien zu tun? Nun, in Umbrien schlossen die Wahllokale erst am Sonntagabend um 23 Uhr, damit auch die Geschäftstüchtigen sonntags gut partizipieren konnten. Interessierte Bürger und Wähler nahmen daher auch noch andere Nachrichten am Abend wahr, nämlich auch das Wahlergebnis aus dem deutschen Thüringen – mit dem Zuwachs der AfD, ein europäischer Bündnispartner der „Souveränisten“ von der Lega, und der niederschmetternden Niederlage der CDU, für die ja Angela Merkel Verantwortung trägt.

Dass die SPD ebenso verheerend in Thüringen unterging, war dagegen nur eine Randnotiz wert. Denn die „Roten“ schaffen sich gerade auch in Italien selbst ab. Dass aber eine Kanzlerin, ihre eigene Partei nimmer im Griff hat, und nunmehr eine Landtagswahl nach der anderen verliert, das wird in Italien schon wahrgenommen – zumal gestern in Umbrien auch das gelbrote-Bündnis aus den Cinque Stelle und den Sozialisten der PD eine klare Niederlagen einstecken musste.

Botschaft an Rom
Regionalwahlen in Umbrien: Salvini holt historischen Sieg
Ein Grund dafür ist auch, und Matteo Salvini sowie Giorgia Meloni haben immer darauf hingewiesen, dass es nicht angehen könne, dass eine Nation wie Italien ihre Politik auf Kommando von Merkel nach Deutschland ausrichten solle, oder von Macron nach Frankreich. Ausgerechnet eine Angela Merkel, die wohl eifrig interveniert hatte hinter den Kulissen, als es darum ging, Neuwahlen und damit die Lega von Salvini an der Macht zu verhindern. Giuseppe Conte parierte, nickte übermotiviert alles ab, um das zweite Kabinett ohne Neuwahlen zu starten. Diese Regierung, so sagen die Verbündeten Giorgia Meloni von den Fratelli d’Italia und Matteo Salvini von der Lega unisono, würde sich zu Gunsten von Berlin und Paris auf Biegen und Brechen anbiedern. Was wüssten denn Merkel oder Macron von den Gegebenheiten im Bel Paese und was gut für die Italiener sei? Zwei Staatenlenker, die daheim selbst Probleme zuhauf haben, wollen andere schulmeistern?

Ausgerechnet eine Angela Merkel, deren Nation vom Euro wie kein anderes EU-Mitglied profitiert habe, möchte die Regierung in Italien mitbestimmen? Wo sind wir denn, so der Tenor. Und eine breite Schicht der Wähler, immerhin über ein Drittel bei Umfragen, folgt der Opposition von Salvini. Umbrien ist der klare Beweis. In Rom, am Regierungssitz im Palazzo Chigi bebten die Grundmauern. Wer sich an einer Merkel festklammert und zu ihrem Lakaien mutiert, dem klebt offenbar das Pech am Stiefel. Diesen Salvini mit seinem Mitte-Rechts-Bündnis wird man wohl so schnell nicht los.

Was Matteo Salvini im Großen und Ganzen geleistet hat, liest sich in etwa so: In nur fünf Jahren hat sich die Situation in Italien komplett umgekehrt. Von einem regierenden Mitte-Links-Bündnis anno 2014 haben die Wähler auf Bundes- sowie Regionalebene eine rote Regierung nach der anderen abgewählt,. Schon bis zur EU-Wahl heimste die Lega mit Salvini einen Sieg nach dem anderen ein.

Und die Situation könnte sich mit der Abstimmung in der Emilia-Romagna am 12. Januar und den Wahlen in den Regionen Kampanien, Ligurien, den Marken sowie in Apulien und der Toskana für die jetzige gelbrote Regierung noch zuspitzen, auch in Venetien stehen im kommenden Jahr Wahlen an.

Salvini und die offensive Römerin Giorgia Meloni können Massen mobilisieren, wie sich jüngst in Rom zeigte. Im Jahr 2014 noch gehörten die Provinzen Trient, Friaul-Julisch Venetien, das Piemont, Ligurien, die Emilia-Romagna, die Toskana, Umbrien, ja, die Marken und die Abruzzen zur Mitte und den Linken oder Roten. Genauso Molise, Latium, Apulien, die Basilikata, und Kalabrien, sowie die Inseln Sizilien und Sardinien. Vom Mitte-Rechts-System und Bündnis wurden nur die Lombardei, Venetien und Kampanien, verwaltet.

Vom matten Glanz der einstigen roten Premiers Renzi und Gentiloni kann Giuseppe Conte, der sichtlich Gefallen gefunden hatte an der Rolle des von der EU Hofierten, momentan nur träumen.

50 Jahre sozialistisches Umbrien – vorbei

In Umbrien wurde die „Hegemonie“ der Sozialisten nach 50 Jahren gebrochen, nun liegt es an Salvinis Kandidatin und Juristin Tesei, die Region umzubauen. Mit satten 20 Prozentpunkten Vorsprung ist das Resultat so klar wie bitter für Renzis Nachfolger.

Dann machte auch noch ein Foto in den Medien die Runde, ein Bild der Verlierergesichter aus dem gelb-sozialistischen Bündnis, in Narni aufgenommen, mit Di Maio, Zingaretti, Kandidat Bianconi und Giuseppe Conte, siegesgewiss, das nun für alle Art von Schadenfreude herhalten muss. Der Sieg von Donatella Tesei, die als Kümmererin auftrat, könnte tatsächlich schwerwiegende Konsequenzen für die Conte-Regierung haben, auch wenn dieser die Wahl in Umbrien und das Ergebnis von gestern, herunterspielen wollte. Schlechte Verlierer mögen die Italiener gar nicht.

Bei den Linken begannen auch sogleich die internen Schuldzuweisungen, wer denn dieses miserable Abschneiden zu verantworten habe. Einige Medien titelten, das Ergebnis sei für die gelbrote Regierung wie ein Schlag ins Kontor, von einer „Prügelstrafe“ war die Rede. Orthodoxe „Grillini“, also echte Fünfsterne-Mitglieder, sollen sich wohl gefreut haben, da sie mit der PD eigentlich nichts zu tun haben wollten. Viele meinen, an der Seite der PD, könne man die Bewegung gleich „begraben“, was ja auch die Stimmenzahl von kaum mehr als sieben Prozent zu belegen scheint. Schlimmer geht’s fast nimmer.

Und, fast wie in Deutschland, fühlen sich die italienischen Sozialdemokraten nur auf Grund ihrer jahrelangen Tradition dazu berufen, die Deutungshoheit über Alles und Jeden zu definieren. Die Senatorin Monica Cirinnà von der PD, eine Politikerin, die schon mal gern Plakate im Plenarsaal hochhält, meinte im Studio von Radio Cusano Campus, ja, auch die PD habe zwar Fehler gemacht, aber, die Schuld liege klar bei den Fünfsternen („Wir dachten, wir könnten den Schaden eindämmen, ich bin nicht davon überzeugt, dass wir sie eindämmen“) und mit dem Finger in Richtung M5S: „Die M5S wurde als Protestbewegung geboren und stellt dann fest, dass die Regierung etwas anderes ist, sie sind eine Gruppe, mit sehr umstrittenen Menschen darin …“, die sich anmaßten Dinge zu verwalten, „die sie nicht verwalten können…“. Diese Schlammschlacht danach ist natürlich weiterhin viel Wasser auf den Mühlen des Rechtsbündnis von Salvini und Meloni. Die PD und Cinque Stelle betreiben, so scheint es, nur Nabelschau, kleben an ihren Sesseln, statt eine Politik für die Bürger zu machen.

Ex-Premier Renzi gescheitert

Und auch Matteo Renzi kam ganz schlecht weg. Die neue Bewegung „Italia Viva“ des früheren PD-Premierministers ist wohl ein Rohrkrepierer.  Viele Meinungsmacher konstatierten, ob bei il Giornale oder Il Fatto Quotidiano, die Wahl in Umbrien dokumentiere auch den Zusammenbruch des „Anti-Salvini-Paktes“.

Jetzt befindet sich Giuseppe Conte in Erklärungsnot, weil er sich immer von Umbrien distanziert hat und die Wahlen als nicht repräsentativ für die Regierungsarbeit ansehen mochte, wohl in der Ahnung, dass sich ein Desaster zusammenbrauen würde. Zu präsent sind noch dessen Bilder am Tresen mit Merkel, sie um Rat gegen den Erfolg der Lega bittend, ja, ins Ohr säuselnd.

Allen Ernstes meinte Premier Conte zwar: „der (Stress-)Test ist nicht zu übersehen“, jedoch könne dieses Ergebnis die Regierungsarbeit nicht beeinflussen. Matteo Salvini konterte in der ihm eigenen trockenen Art: „Conte soll seine Arroganz ruhig weiter fortsetzen …“. Es sei ein wunderbarer Tag, so Salvini, einen Songtext zitierend, für alle, die hart gearbeitet und an die Lega geglaubt hatten.

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Er sei, so Matteo Salvini, überzeugt, dass es für die Italiener keine andere Alternative als freie Wahlen gebe auf Bundesebene. Bündnispartnerin Giorgia Meloni, die enorm an Boden gut gemacht hat, meinte, „wir haben gemeinsam gewonnen“, aber die Arbeit höre nicht auf mit diesem Sieg. Matteo Salvini hat zwar mehr Stimmen, auch in den Beliebtheitswerten. Doch selbst unter denjenigen, die die Lega gewählt haben, steigt wohl die Zahl derer, die Giorgia Meloni als ihre „Lieblingspremierministerin“ bevorzugen würden.

Möglicherweise lässt, wenn die nächsten Wahlen ähnlich ausgehen und das gelb-rote Bündnis endgültig zermürbt wird, Salvini Meloni sogar den Vortritt, um wieder  Innenminister zu werden. Die Römerin Meloni gilt derzeit als diejenige unter Italiens Politikern, die den Mut und das Herz der Mitte-Rechts-Wählerschaft auch außerhalb einer Partei wecken und berühren kann, indem sie die Dinge so benennt, wie sie zu benennen sind. Einigen wiederum wirkt sie einen Tick zu offensiv (immer genau dann, wenn sich Salvini etwas zurücknimmt).

Meloni wäre Italiens erster weiblicher Premier, an die Spitze gekommen ganz ohne Quotendiskussionen.

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