Die italienischen Wahlen kennen einige für deutsche Gewohnheiten sehr ungewöhnliche Rituale. Dazu gehört, dass zwei Wochen vor der Wahl keine Umfragen mehr veröffentlicht werden dürfen. Ähnlich ungewöhnlich sind die langen Wahlzeiten: Am Sonntag sind die Wahllokale von 7 Uhr bis 23 Uhr geöffnet. Bei regulären Wahlen war und ist es übrigens nicht ungewöhnlich, dass auch bis Montagmittag noch gewählt werden darf.
Zu den Wahlriten gehört auch die Wahlstille vor dem Urnengang. Das gilt auch für den vorangehenden Samstag. Die letzten Wahlveranstaltungen enden deswegen am Freitag, häufig auch schon am Donnerstag. Das rechte Lager lud deswegen schon am 22. September zur gemeinsamen Abschlussveranstaltung. Wahlbündnisse organisieren demnach eine einzige Abschlussveranstaltung für alle Parteien. Auch das: ungewöhnlich für den deutschen Wähler, aber Tradition. Die Reihenfolge der Sprecher zeigte dabei schon eine gewisse Rangordnung. Zuerst durfte Silvio Berlusconi, dann Matteo Salvini, zum Abschluss Giorgia Meloni reden. Das war noch vor anderthalb Jahren deutlich anders.
Berlusconi: „Werden die Steuern nicht erhöhen“
Silvio Berlusconi, der sich trotz seiner geschrumpften Forza Italia (FI) – ihr wird ein Ergebnis von 8 Prozent zugerechnet – kaum mit der Rolle eines bloßen Mehrheitsbeschaffers zufriedengeben wird, demonstrierte an diesem letzten offiziellen Wahlkampftag nochmals Geschlossenheit. „Italien will nicht von der Linken regiert werden“, sagte der Ex-Premier. „Wir sind uns einig, dass wir nicht unsere Hände in die Portemonnaies der Italiener stecken oder die Steuern erhöhen.“
Ob Berlusconi damit der Vision einer EU-Armee folgt, oder lediglich eine Aufstockung der Verteidigungsetats aller europäischer Länder vorsieht, ließ der alternde Cavaliere offen. Berlusconi ist in Wahlzeiten allerdings für seine großspurigen Ankündigungen bekannt, weshalb man bei solchen Äußerungen eher abwarten sollte, was davon übrigbleibt. Am Ende könnte eine neue italienische Regierung vor allem auf der Erfüllung des 2-Prozent-Zieles der Nato beharren. Ähnlich wie Deutschland gibt Italien derzeit nur rund 1,5 Prozent seines BIPs für die Verteidigung aus.
Salvini: Gegen Dieselverbot und Runfunkgebühren
Matteo Salvini betonte, dass die Rechte nach dieser Wahl fünf Jahre zusammen regieren werde. Die Instabilität seit 2011 soll damit ihr Ende finden. Als besonderen Trumpf spielte Salvini die Ankündigung aus, das Diesel- und Benzinerverbot, das die Europäische Union ab 2035 angesetzt hat, mit einem Referendum zu beantworten: „Wenn Europa denkt, Arbeiter in Italien zu entlassen, um China einen Gefallen zu tun, indem es Dieselautos verbietet, dann wird die nächste Regierung ein Referendum abhalten, um die Italiener zu fragen, ob sie mit diesem Unsinn einverstanden sind.“
Die Chefin der Fratelli d’Italia (FdI), Giorgia Meloni, nahm dagegen die staatsmännische Rolle vorweg. Stichwort Verfassungsänderung hin zum Präsidialsystem. Kaum ein anderes Thema hat die Linke in den letzten Tagen genutzt, um die vermeintlich autoritären Absichten der kommenden Regierung so sehr zu unterstreichen wie der anberaumte Umbau nach gaullistischem Vorbild. Dieselbe Verfassung, die noch 2016 der PD-Ministerpräsident Matteo Renzi über ein Referendum umfassend umbauen wollte, gilt nun demselben linken PD als unantastbar aufgrund ihres „antifaschistischen“ Inhalts.
Meloni: „Wir werden eine Nation auf der Grundlage von Leistung aufbauen“
Meloni versprach, dass die Reform kommen würde, wenn ihr die Italiener eine Mehrheit verschafften. Natürlich freue sie sich, würden die Linken daran mitarbeiten, die Institutionen des Landes effizienter zu machen, doch „wenn die Italiener uns genügend Stimmen geben, werden wir es auch so tun“. Ohne Zwei-Drittel-Mehrheit wird es dazu freilich ein Referendum brauchen und das letzte Mal, als die italienische Verfassungsordnung grundlegend reformiert werden sollte, schickten die Italiener den Verantwortlichen in die Wüste. Das war damals der genannte Matteo Renzi.
Überhaupt, die Linken: Zum Abschluss folgte die Abrechnung. Während die Rechten ihr Programm und ihre Punkte verteidigt und vorgestellt hätten, seien die Linken nur darauf aus gewesen, anzugreifen und die Parteien in eine „Schlammschlacht“ zu ziehen – „ein Gebiet, das dem Wesen der Linken entspricht“. Die Linke habe „ihren Kopf verloren“, sei panisch geworden, gar gewalttätig, weil sie darum fürchte, ihr „konsolidiertes System der Macht“ zu verlieren. Daraufhin kündigte Meloni gegenüber der Menge an: „Das Italien der Linken geht seinem Ende entgegen.“ Ob die Prophezeiung in Erfüllung geht – das bleibt nun den Italienern am Sonntag an den Urnen überlassen.