Tichys Einblick
Parteilichkeit der deutschen Medien

Journalisten lieben Affären um Trump, aber ignorieren Macrons Klima-Kritik

Manipulation entsteht auch durch Weglassen: Praktisch keinen Widerhall fand in deutschen Medien Macrons Kritik am "Green Deal" und der generellen Klimapolitik der EU. Allenfalls Kritik an Habecks Staatssekretär Graichen findet statt – Macron dagegen stellt die Grundsatzfrage.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor dem Elysee-Palast, 14.05.2023

IMAGO / NurPhoto

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist dabei, die gesamte europäische Klimapolitik in Frage zu stellen; zudem arbeitet er energisch an neuen Standortvorteilen für Frankreichs Wirtschaft und wirbt weltweit mit großem Erfolg um Investitionen. Er plädiert in seinen jüngsten Reden und Interviews sinngemäß für ein „Europa first“ – wobei wohl eher ein „France first“ gemeint ist.

Das alles sind Themen, die die Bundesregierung und die deutsche Öffentlichkeit aufrütteln sollten, geht es hier doch sowohl um das Herzensthema dieser Ampel-Regierung als auch um die ureigensten Interessen der deutschen Wirtschaft und damit um den Wohlstand der Deutschen. Allerdings widmen die Medien dieses Landes unvergleichlich mehr Schlagzeilen und Sendezeiten den Sex-Vorwürfen gegen den Ex-Präsidenten Amerikas, Donald Trump, als den folgenreichen Provokationen aus Paris.

„Klimakleber des Journalismus“

Einige deutsche Medien – wie die „Welt“ oder auch der Hessische Rundfunk berichteten knapp über Macrons Reden und Treffen, aber deutlich als Randthemen gekennzeichnet. Für Zeitungen wie „Le Monde“ oder „Financial Times“ war die Forderung des französischen Präsidenten nach einer „regulatorischen Pause“ in der Klima-Politik Schlagzeilen und lange Berichte wert. Nicht so den deutschen Medien.

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„Sacre Bleu – es sind seltsame Zeiten, in denen selbst Europa beginnt, an der Weisheit seiner grünen Agenda zu zweifeln“, schrieb etwa „The Wall Street Journal“ sichtlich beeindruckt. In der deutschen Öffentlichkeit gab es kaum Reaktionen – kein Wunder angesichts der dünnen Berichterstattung über Entwicklungen, die den grünen Ideologen im Land sicher nicht gefallen werden. Schließlich hat Macron in den vergangenen Tagen mehrfach die Klimapolitik der EU direkt und indirekt in Frage gestellt.
Moratorium in der Klimapolitik – nur ein Randthema?

Nirgendwo, insbesondere nicht in den USA und China, gebe es mehr Regulierungen als in Europa, klagte Macron und fragte am vergangenen Mittwoch vor Unternehmern und Managern, ob angesichts einer Deindustrialisierung in Frankreich noch mehr Umweltvorschriften wirklich sinnvoll seien.

Macron kritisierte nicht nur bei dem Treffen mit der Wirtschaft deutlich die Pläne in Brüssel und Berlin nach noch mehr Maßnahmen für den Klimaschutz. Ohne den Begriff zu verwenden, sprach sich Macron für ein Moratorium in der Klimapolitik aus. „Wir setzen um, was wir beschlossen haben, aber wir müssen aufhören, immer mehr zu beschließen.“ Sonst riskiere Europa seine wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit. Sowohl von der EU-Ratspräsidentin Ursula von der Leyen als auch von der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament kamen erstaunlich verständnisvolle Reaktionen auf das Vorpreschen Macrons.

Nur in Deutschlands Medienlandschaft blieb all das fast unbeachtet. War es schon genug, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck und sein fragwürdiger Staatssekretär Patrick Graichen im Zentrum der Kritik standen? Es war, als ob die deutschen Medien versuchten, den Konflikt auf die persönlichen Verfehlungen Graichens einzuhegen, um die grüne Politik insgesamt nicht kritisieren zu müssen.

Deutschland ist Schlusslicht beim Wachstum

Macron dagegen verwies auf die enormen Probleme der europäischen Industrie mit den strengen Energiesparvorschriften. Die wachsenden Investitionen deutscher Unternehmen im außereuropäischen Ausland und die geringen Wachstumsprognosen in der EU waren ebenfalls nur Randthemen. Berichte darüber könnten wohl die Energiepolitik der Bundesregierung gefährden.

Am Dienstag empfing Macron im Schloss Versailles etwa 200 Unternehmer und Spitzenmanager aus aller Welt, darunter Elon Musk. Denn Frankreichs Präsident wirbt schon seit langem weltweit um Investitionen und gilt inzwischen auch wegen seiner relativ pragmatischen Industriepolitik als Topziel für ausländische Investoren in EU-Europa.

Zum vierten Mal in Folge haben die Wirtschaftsprüfer von „Ernst & Young“ Frankreich als attraktivsten Investitions-Standort Europas bewertet. Das Treffen in Paris trug den Titel „Entscheide Dich für Frankreich“ – sinngemäß bedeutet das auch „Frankreich first“. Ein solches Denken in Berlin ist derzeit kaum vorstellbar.

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