Ein Tag, drei Termine. Matteo Salvini macht in Umbrien keine halben Sachen. Am 25. September ist der Lega-Chef am Trasimenischen See: um 9:45 in Passignano sul Tresimeno, um 10:45 in San Feliciano und um 12:30 in Castiglione del Lago. Die Regionalwahlen in Umbrien stehen einen Monat später an. Und der „Capitano“ setzt alles daran, den linken Partito Democratico (PD) aus dieser Region zu boxen. Kein leichtes Unterfangen: Mittelitalien gilt seit jeher als Bastion der Roten.
Aber nichts scheint mehr unmöglich. Verantwortlich sind dafür regionale wie nationale Faktoren. Auf regionaler Ebene hat der PD mit der Ex-Ministerpräsidentin Catiuscia Marini Sympathien verspielt. Ein Skandal im regionalen Gesundheitswesen hat den PD seit April 2019 im Griff. Die Finanzpolizei ermittelte nicht nur gegen den Landeschef – sondern auch gegen Marini, die daraufhin von ihrem Amt zurücktrat. Die Wahlen wurden daher um ein Jahr vor den eigentlichen Termin vorgezogen.
Auf nationaler Ebene könnte dem PD die neue Regierungskoalition zu schaffen machen. Ein Jahr hatten die Erben der sozialistischen und kommunistischen Parteienlandschaft Italiens Zeit, die massive Niederlage bei den Parlamentswahlen vom März 2018 zu verdauen. In der Opposition zeichnete sich eine langsame Erholung ab. Der Verlierer: die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), deren Glanz im Angesicht des umtriebigen Innenministers Salvini und der Ideenlosigkeit der eigenen Vertreter verblasste. Bei der EU-Wahl im Mai überholte der PD sogar wieder den M5S an den Wahlurnen.
Mit dem Ausscheiden von Salvinis Lega aus der Regierung und dem neuen Schulterschluss von M5S und PD stehen zugleich unpopuläre Reformprojekte an: so die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Zeitgleich stellt man in Rom die Weichen für eine Öffnung der Häfen. Bereits im ersten Monat der gelb-roten Regierung stieg die Zahl der Migranten, die über das Mittelmeer kamen, auf 1.900 Personen. Das sind – so ätzt Salvini auf Twitter – 100 Prozent mehr als im Vorjahr.
Und noch etwas hat sich geändert: PD und M5S treten nun gemeinsam bei Wahlen an. Ein Schritt, den Salvini als Vizepremier konsequent ausgeschlossen hatte: die Lega blieb im Wahlkampf bei den Verbündeten im konservativen Lager, während er in Rom mit den Basislinken zusammenarbeitete. Seit Jahren hat sich Italien von einem Zwei-Block-System zu einem Drei-Block-System verändert, bei welchem der M5S losgelöst von Mitte-Rechts und Mitte-Links als eigener Block antrat.
Tempi passati. Vor wenigen Tagen haben PD und M5S einen gemeinsamen Kandidaten nominiert: Vincenzo Bianconi. Die Strategie: retten, was zu retten ist. 2015 holte der PD in Umbrien allein 35 Prozent, die Lega lag bei 14 Prozent. Aktuelle Umfragen sehen den PD bei 25 bis 27 Prozent, die Lega dagegen bei 32 bis 36 Prozent. Die Sozialdemokraten brauchen die Sterne, um ihre Macht in einem ihrer Stammländer zu halten. Doch trotz der Schützenhilfe des M5S (in den Umfragen bei derzeit 17 bis 21 Prozent) sehen die Umfragen das rechte Lager unter Führung der Lega immer noch vorne. Der „Bipolarismus“ ist nach Italien zurückgekehrt – aber keiner weiß, ob der Zusammenschluss M5S-PD nicht auch noch jene Basislinken der Sterne vertreiben könnte, welche die „Kastenpartei“ PD als ihren Erzfeind ansehen.
Nicola Zingaretti, der seit März 2019 an der Spitze des PD steht, muss aber noch weiter einstecken: denn der interne Rivale und Ex-Premier Matteo Renzi zieht einen gnadenlosen Ego-Trip durch. Der einstige Bürgermeister von Florenz betreibt offen die Spaltung des PD und ist mit einigen loyalen Mitstreitern aus der Partei ausgetreten. In den beiden Kammern des italienischen Parlaments haben sich 26 Abgeordnete und 15 Senatoren Renzis Bewegung „Italia Viva“ angeschlossen. Der PD ist damit nur noch drittstärkste Kraft in Abgeordnetenhaus und Senat. Die Selbstzerfleischung der italienischen Linken gefährdet zwar die Regierungsarbeit offiziell nicht – Renzi stützt Giuseppe Conte und die gelb-rote Regierung weiterhin – aber die offenen Brüche kommen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Für Salvini ist die kommende Regionalwahl also ein gefundenes Fressen. Er kann sie zum Referendum über die neue Regierung machen. Die prognostizierte Wahlniederlage der Regierung, trotz Zusammenschluss zweier Lager, dazu auch noch in einer traditionell roten Region, bedeutete auch für Rom ein deutliches Signal. Gewiss: Umbrien ist klein, und im Konzert der italienischen Landschaften eher von mäßiger Bedeutung. Es wäre aber zugleich die neunte Regionalwahl in Folge, die Salvinis Lager gewonnen hätte. Sie wäre dann nicht nur ein willkommener Auftakt zur Oppositionsarbeit – sondern könnte das Menetekel für die nachfolgenden Wahlen in Kalabrien (November bis Januar) und die Emilia-Romagna (Januar 2020) sein. Und wenn Salvini es schafft, den PD im roten Umbrien zu schlagen, dann kann er es auch mit der Herzkammer in der Emilia-Romagna aufnehmen. Das wäre dann ein Schlag, von dem sich seine Gegner nicht mehr so leicht erholen könnten.
Marco Gallina schreibt vorzugsweise auf http://www.marcogallina.de/.