Die Bürgermeister von Lyon und Marseille haben weitere Spezialkräfte und einfach Sicherheitskräfte aller Art angefordert. In Lyon ist es der Grüne Grégory Doucet, der sich zu diesem Schritt durch „nie gesehene Unruhen“ gezwungen sah. Am Samstagabend soll die CRS 8 (Compagnie républicaine de sécurité) in Lyon ankommen. Es handelt sich um eine neue Spezialeinheit für den Kampf gegen städtische Unruhen.
Mehr als 1.300 Festnahmen in einer Nacht. Das ist die Bilanz vom Samstagmorgen. Allein 406 Personen wurden in Paris und seinen Banlieues festgenommen, 752 andernorts durch die Polizei, 153 von der Gendarmerie, die eher für den ländlichen Bereich zuständig ist. Es gab 2.560 Brandstiftungen im öffentlichen Raum, 1.350 Mal wurden Fahrzeuge angezündet, 266 Gebäude wurden zum Opfer der Flammen, darunter 26 Rathäuser und 24 Schulen. 31 Polizeihauptwachen (Kommissariate) wurden angegriffen, 16 kommunale Polizeiwachen und elf Kasernen der Gendarmerie. 79 Polizisten und Gendarmen wurden verletzt, allein 27 in Lyon.
Damit sei die Gewalt im Vergleich mit der vorherigen Nacht leicht zurückgegangen, sagte Innenminister Gérald Darmanin. Trotzdem gleichen die Zahlen dem Tagesbericht aus einem Bürgerkrieg. Darmanin hatte am Freitagnachmittag noch einmal weitere 45.000 Polizisten, Gendarmen und Elite-Kämpfer mobilisiert. Nach der Bestattung des 17-jährigen Nahel M. am Samstag werden weitere Unruhen erwartet.
Erstaunlich viele Clicks hatte eine Meldung des TV-Senders CNews, in der Staatspräsident Emmanuel Macron am 27. Juni die Errichtung eines neuen Militärkrankenhaus in Marseille ankündigte, mit dem Frankreich „auf einen möglichen Krieg von hoher Intensität“ vorbereitet werden soll.
Orte der Kultur und des Lernens angegriffen
Nach der größten Bibliothek von Marseille, zentral im ehemaligen Alcazar-Theater untergebracht, brannte eine Mediathek im lothringischen Metz.
Es war die weniger bedeutende Mediathek Jean Macé im Stadtteil Borny, die zum Glück keine alten Manuskripte oder Bücher aufbewahrte. Denn was sie enthielt, ist nun zerstört. Dennoch und trotzdem gehört diese Vernichtungstat zu den unverkennbar krampfhaften Seiten dieser Revolte, die sich gegen die Güter wendet, die auch jungen Migranten einen Aufstieg aus der eigenen Misere erlauben könnten. Bibliotheken und Mediatheken sind Orte, an denen Kulturgüter zu relativ bescheidenem Preis oder gar gratis angeboten werden. Einige Bekanntheit erlangte dieses Video von einer Schule bei Lyon, in dem eine Frau entsetzt ausruft: „Bitte nicht die Schule!“
Bemerkenswert ist die Aufmerksamkeit vieler Inder für die Unruhen in Frankreich. Die indischen Kommentatoren fühlen sich an die Verwüstungen durch Muslime in der Kultur ihres Landes erinnert – auch wenn diese mehr als 800 Jahre zurückliegen. Inder beklagten daher in Echtzeit die Ausschreitungen gegen Ordnungskräfte, die Brandstiftungen, die Verbreitung von Terror in einst halbwegs friedlichen Straßenzügen.
Besonders aber zeigten sie sich durch die Brandstiftung an der Marseiller Bibliothek beeindruckt. Ein Nutzer schreibt: „830 Jahre, nachdem neun Millionen Bücher in Nalanda von Islamisten verbrannt wurden…“ Die buddhistische Universität von Nalanda – vielleicht die erste Institution weltweit, die diesen Namen verdient – war im 5. Jahrhundert gegründet worden und bestand etwa 700 Jahre bis zum Jahr 1202 (andere meinen 1193), als ein islamischer Eroberer sie mitsamt ihren neun Millionen Texten niederbrannte.
Muslimischer Aufstand gegen das weiße Frankreich?
Daneben gehören auch öffentliche Verkehrsmittel zu den beliebten Zielobjekten der Täter. Geht man davon aus, dass es sich zumeist um jugendliche Täter handelt, so wird deutlich, dass sie zunächst ihre eigene „Lebenswelt“ attackieren: Busse und ÖPNV, Schulen und Supermärkte werden angezündet, angeeignet, ausgeplündert. In diesem bekannte Umfeld fühlen sich diese Leute offenbar sicher. Die Luxusläden als Objekte der Begehrlichkeit kommen danach, aber mit großer Sicherheit. Und über allem thront die sinnlose Gewalt.
Auch in Marseille herrscht, wie angedeutet, inzwischen das Chaos: Auf eine evangelische Kirche wurden die Worte „der letzte Prophet ist Mohammed – Jesus ist nicht Gott“ geschmiert.
Arabischstämmige Jugendliche, offensichtlich von der kriminellen Sorte, versuchten das Sicherheitsrollo eines Juweliers aufzuschweißen. Einer sagt doch glatt noch: „Das ist zu gefährlich, wallah.“ Tatsächlich wurden Berichten zufolge dutzende Geschäfte geplündert. Zudem gab es anlasslose Explosionen auf der Straße. Oder vielmehr: Zum Zweck der Plünderung wurden Feuerwerkskörper eingesetzt, um die normale Bevölkerung zu verschrecken und zu terrorisieren.
Auch in diesen Videos kann man die „Wallah“-Rufe der kriminellen Unruhestifter hören.
Angeblich wurde auch ein Waffen- und Munitionsdepot der Polizei – wohl schon das zweite – und ein Waffenladen geplündert. So bewaffnet sich eine kriminelle Chaoten-Miliz zum Kampf.
Doch in Marseille greifen auch Spezialeinheiten der Polizei (RAID) durch, und der Bürgermeister der Stadt hat klargemacht, dass er jede Unterstützung durch weitere Sicherheitskräfte annehmen wird.
In Angers sollen sich diese Szenen zugetragen haben, in denen einige französische Jugendliche einen Angriff von Vermummten abwehren.
Stimmen von außen: Polen will nicht Frankreich werden
Interessant sind weiterhin die Stimmen von außen. Eine Bengalin fragt, ob Polen es besser getroffen hat oder Frankreich in Sachen Immigration.
Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki konnte sich im Umfeld von EU-Beratungen über das „gemeinsame Asylsystem“ nicht eines Kommentars über die Geschehnisse in Frankreich enthalten: „Geplünderte Geschäfte, in Brand gesetzte Polizeiautos, Barrikaden auf den Straßen – das geschieht jetzt im Zentrum von Paris und vielen anderen französischen Städten. Wir wollen solche Szenen nicht auf polnischen Straßen. Wir wollen solche Szenen in keiner Stadt in Europa.“ Polen wolle daher an der bisherigen, 2018 gefundenen Lösung zum EU-Asylstreit beharren und weiterhin „den Grundsatz der freiwilligen Aufnahme von Einwanderern verteidigen“. Morawiecki schließt seinen Tweet mit den Worten: „Stoppen Sie die illegale Migration. Sicherheit geht vor.“
Der italienische Außenminister Antonio Tajani hob in einem Statement hervor, dass es sich um eine innere Angelegenheit Frankreichs handele, sagte dann aber: „Es gibt offensichtlich ein Unbehagen vor allem in den großen französischen Banlieues, und das ist explodiert, als es diese sehr traurige Episode gab, die nicht hätte passieren dürfen.“ Der Außenminister warnt wie alle seine Kollegen in Europa davor, sich den Ausschreitungen zu nähern.
Sandrine Rousseau: Armut und Ausgrenzung als Grund für die Unruhen
Derweil plagen die französische Linke Gewissensnöte. Sandrine Rousseau, Abgeordnete der Grünen (EELV) in der Nationalversammlung, stellte in den Raum, dass die Plünderungen etwas mit der „Armut“ der Plünderer zu tun hätten. Außerdem könnten, so Rousseau weiter, die Brandstiftungen auch durchaus mit der vorausgegangenen „Ausgrenzung“ zusammenhängen.
Kürzlich hat ein Satiriker in der Revue des deux mondes dieses spekulative ‚Kalenderblatt‘ aus dem September 2027 https://www.revuedesdeuxmondes.fr/les-cent-jours-de-sandrine-rousseau/ geschrieben: „30. September 2027. Hundert Tage, seit Sandrine Rousseau in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen den Kandidaten der weißen Suprematisten (François Bayrou) besiegt hat. Hundert historische Tage, da Frankreich – nunmehr eine inklusive, soziale und ökologische Republik – zum ersten Mal von einer menstruierenden Person regiert wird.“
Es ist vielleicht charakteristisch, dass in dem kritischen Text kaum vom Verhältnis der französischen Wokery zum Islam die Rede ist. Bisher beschäftigen sich auch die französischen Grünen eher mit den schützenswerten „Minderheiten“ – den edlen Indigenen und „rassisierten Frauen“ – und übersehen die Gewalt und Bereitschaft zur Revolte bei muslimischen Jugendlichen geflissentlich. Mit ihrem Tweet hat Sandrine Rousseau einen wichtigen Schritt hin zu einer grünen Islam-Politik in Frankreich gemacht. Wahlerfolge sind so keineswegs garantiert. Laut einer Umfrage befürworten inzwischen 70 Prozent der Franzosen den Einsatz der Armee gegen die Unruhestifter.