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Ungarische Fidesz-Partei von Viktor Orbán verlässt freiwillig EVP-Fraktion

Viktor Orbán reagierte auf den Vorstoß des EVP-Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber. Es sei mit der vielfach eingeforderten Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar, schrieb er, dass Regeln mit rückwirkender Gültigkeit verändert werden. Nun hat er seinerseits seine Abgeordneten aus der Fraktion abberufen.

IMAGO / Hans Lucas

Die Europäische Volkspartei (EVP) hat Ende Februar beschlossen, ihre bisher gültige Geschäftsordnung zu ändern, was weitreichende Folgen für die zukünftige Gliederung der Parteienlandschaft im EU-Parlament haben dürfte. Die EVP ist ein Parteizusammenschluss auf europäischer Ebene, der unter anderen die CDU/CSU, die österreichischen ÖVP des Sebastian Kurz sowie eine Partei aus Belgien und eine aus Luxemburg angehören. Bislang war auch die ungarische Fidesz, Partei des Viktor Orbán, Mitglied dieses Parteizusammenschlusses und damit auch der größten Fraktion im Europäischen Parlament. Doch nun haben ihre Abgeordneten auf Anweisung des Parteichefs und ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament verlassen. Die ungarische Ministerin Katalin Novák hat einen entsprechenden Brief von Orbán über Twitter veröffentlicht. Es ist der bisherige Höhepunkt einer Eskalation, die durch einen Brief von Manfred Weber (CSU), Fraktionschef der EVP, ausgelöst wurde.

Weber und der Pole Donald Tusk, Vorsitzender der Parteienfamilie, befinden sich schon seit längerem auf einem Rachefeldzug gegen Fidesz und ganz persönlich gegen Viktor Orbán. Weber hatte vor der Wahl des EU-Kommissionspräsidenten – der er gerne geworden wäre – erklärt, sollte Orbán für ihn stimmen, werde er das Amt nicht annehmen, weil er nicht von „Rechten” gewählt werden wolle. Seitdem scheint er auf irgendeine verquere Weise Orbán für das Scheitern seiner Ambitionen verantwortlich zu machen. Tusk wiederum ist von jener PiS aus dem Amt des polnischen Ministerpräsidenten vertrieben worden, die heute der wichtigste europäische Verbündete von Fidesz ist, und so haben beide mehr als politische Gründe dafür, den Ausschluss von Fidesz aus der EVP zu betreiben. Sie können auf breite Unterstützung unter ihren Kollegen rechnen, so zum Beispiel auf die Luxemburger Christdemokraten, die schon lange den Rauswurf von Fidesz fordern.

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Am 26. Februar nun einigte sich die Fraktionsspitze unter Federführung Webers auf den Entwurf einer neuen Geschäftsordnung, die die Suspendierung und den Rauswurf ganzer Gruppen aus Partei und Fraktion leichter machen würde als bisher. Am 3. März hat die Fraktion den Entwurf angenommen.  Dass es bei der Änderung der Geschäftsordnung in Wahrheit um die causa Fidesz geht, wird nicht einmal geleugnet. „Die Fraktion (der EVP) wird das Instrument der Suspendierung einführen und nach derzeitigem Stand auf die ungarischen Abgeordneten anwenden“, sagte der dpa der CDU-Mann Daniel Caspary, der die deutsche Delegation leitet.

Die neue Geschäftsordnung (deren Text zur Zeit noch nicht öffentlich vorliegt) sieht nach Berichten vor, dass Parteibeschlüsse zur Suspendierung einer nationalen Partei auf Vorschlag des Präsidiums auch in der Fraktion umgesetzt werden können, wofür eine einfache Mehrheit ausreichen würde. Aber es würde auch reichen, wenn 15 Prozent aller EVP-Abgeordneten aus vier Delegationen die Suspendierung vorschlagen. Das müsste dann mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden. Noch ist es fraglich, wie sich die deutsche Delegation verhalten wird, die die meisten Abgeordneten stellt. Bisher war die Haltung der CDU das größte Hindernis für den Rauswurf von Fidesz, ob es unter dem Parteivorsitzenden Laschet so bleibt, ist noch offen.

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Viktor Orbán reagierte auf den Vorstoß der EVP in einem an Weber gerichteten Brief. Es sei mit der vielfach eingeforderten Rechtsstaatlichkeit nicht vereinbar, schrieb er, dass Regeln mit rückwirkender Gültigkeit verändert werden, und ausschließlich dem Ziel dienen, Mitglieder der Fidesz-Fraktion abzustrafen. „Da es Ihnen nicht gelungen war, genügend Stimmen einzusammeln, um uns zu bestrafen, versuchen Sie nun die Regeln rückwirkend zu ändern und auf ein bereits laufendes Verfahren anzuwenden.“ Orbán schrieb weiter, dass er nicht akzeptieren könne, dass die Vertretung von fast zwei Millionen Wählern im EU-Parlament auf diese Weise behindert werde. Deshalb werde die Fidesz-Fraktion die EVP verlassen, sollte der Entwurf der neuen Geschäftsordnung verabschiedet werden.

Die Fidesz-Partei hatte schon vorher auf eigene Initiative ihre Mitgliedschaft vorläufig suspendiert, versuchte aber so lange es ging, den endgültigen Bruch zu verhindern. Und man musste sich schon fragen, warum Orbán und Fidesz so lange darauf bestanden haben, Mitglied einer Fraktion zu sein, mit der sie politisch so gut wie gar nichts verband, im Gegenteil, deren Ansichten man schärfstens ablehnte. Dies geschah ausschließlich aus Rücksicht auf die – trotz intensivster Medienpropaganda – guten deutsch-ungarischen Beziehungen. Deutschland ist der mit Abstand größte ausländische Investor und einer der wichtigsten Arbeitgeber in Ungarn. Deutschland genießt – in Erinnerung an Helmut Kohl – immer noch großes Ansehen im Lande, das erst allmählich zu bröckeln beginnt. Orbán äußerte sich öffentlich immer nur in höchsten Tönen über Deutschland und Merkel, obwohl alles, was er politisch und kulturell vertritt, zugleich als Kritik an Deutschland und Merkel verstanden werden muss – und womit er vielen seiner Unterstützer oft genug Rätsel aufgab.

Dieser Balanceakt wird jetzt wahrscheinlich nicht mehr fortführbar sein. Als natürliche Heimat im EU-Parlament bietet sich für Fidesz die Fraktion „Europäischer Konservativer und Reformer“ (ECR) an, zu der auch die polnische PiS gehört, und die von dem großartigen Althistoriker und Philosophen Ryszard Legutko geführt wird. Ob es zu einem Bruch mit der EVP kommt, und wenn ja, wie es danach mit den deutsch-ungarischen Beziehungen weitergeht, hängt in großem Maße vom neuen CDU-Parteivorsitzenden Laschet ab.


Der Betrag wurde am 3. März, 12 Uhr, aktualisiert.

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