Macron verlängert, mit neuen Alliierten – Le Pen will weiterkämpfen
Matthias Nikolaidis
Die Mehrheit für Macron ist knapper als vor fünf Jahren, doch sie scheint errungen. Linke fragen bereits, von wem. Marine Le Pen gibt sich unverdrossen und sieht ihre Bewegung so stark wie nie. Sie wird nicht so schnell aufgeben, auch wenn Zemmour das zu hoffen scheint.
Am Ende war es Macron – der einstige Polit-Newcomer, Theater-Schauspieler und Finanzjongleur geht in die Verlängerung. Einen deutlichen Sieg nannte es einer seiner Minister auf dem Platz vor dem Eiffelturm, wo sich in Erwartung eines Sieges für diesen etwas gealterten „Mozart der Finanzen“ Anhänger und Unterstützer versammelt hatten. Der Ex-Sozialist und Außenminister Jean-Yves Le Drian sprach von einer erfolgreichen Mobilisierung der „republikanischen Werte“.
Tatsächlich hat Macron damit eine innere Transformation seiner Bewegung vollendet: Angetreten als Außenseiter, der die Franzosen zur wirtschaftlichen Vernunft führen wollte, hat er sich während der Wahlkampagne erneut eng mit der Linken des Landes alliiert, um den Sieg davon zu tragen. Dazu versprach er vor allem eine französische Version des „Levelling-up“, das Boris Johnson in Großbritannien entwickelte: Stadt, Banlieues und Land sollen mit staatlichen Hilfen überhäuft werden, Investitionen in die (möglichst ökologische) Industrie ergänzen das Programm, das dem französischen Hang zum Protektionismus entgegenkommt. Die linke Libération fragt bereits, wem er diesen Sieg verdankt – eine Gegengabe ist zu erwarten.
Gemäß den ersten Hochrechnungen gewann Macron die zweite Runde der französischen Präsidentschaftswahlen mit 58,2 Prozent der Stimmen. Marine Le Pen gewann die fehlenden 41,8 Prozent. Die Wahlenthaltung lag bei 28 Prozent, ein Wert, der nur im Jahr 1969 übertroffen wurde.
Am stärksten profitieren konnte Macron von den Wählern, die in der ersten Runde den Grünen Yannick Jadot gewählt hatten. Außerdem stimmte gut die Hälfte der Mélenchon-Wähler für ihn, nur ein Viertel für Marine Le Pen. Ähnlich war das Verhältnis bei den Ex-Wählern von Valérie Pécresse. Die Stimmen des vermeintlichen Establishment, des Frankreich-Syndikats der altgewohnten Regierungsparteien hat also gehalten. Marine Le Pen konnte nicht überdurchschnittlich von Mélenchon-Stimmen profitieren. Die Stimmen der Zemmour-Wähler der ersten Runde konnte Le Pen dagegen ganz überwiegend aufsaugen, auch wenn einige von ihnen überhaupt nicht abstimmten.
Beim Rassemblement national (RN), der Partei Martine Le Pens, nahm man das Ergebnis bald betrübt, bald gelassen hin. Vor fünf Jahren hatte Macron noch 66,1 Prozent errungen, Le Pen dagegen nur 33,9 Prozent.
Le Pen freudig – Zemmour betrübt
Kurz nach 20 Uhr sprach Le Pen vor ihren Anhängern von einem „strahlenden Sieg“ für ihre Bewegung, den auch dieser zweite Platz bedeute. Er sende das Signal an die Regierenden der EU, dass das französische Volk ein tiefes Misstrauen gegen sie hege, ein Misstrauen, das man nicht mehr ignorieren könne. Ausdrücklich bedankte sie sich bei den Wählern aus der Provinz und vom Land, auch in den Überseegebieten. Unter dem Jubel ihrer Unterstützer verkündete Le Pen, dass sie ihr politisches Engagement fortsetzen werde. Ihr nächstes Ziel werden die Parlamentswahlen in diesem Juni sein.
Éric Zemmour sagte in einem Statement, heute Abend haben „die, die Frankreich leidenschaftlich lieben“, verloren. Es sei ein Abend der Enttäuschung und der Traurigkeit – doch anscheinend auch der Verwunderung über die Wiederwahl dieses Präsidenten: „Seine Person war das Objekt einer massiven Ablehnung unserer Landsleute.“ Er fügte allerdings auch an, dass der Name „Le Pen“ damit schon zum achten Mal besiegt worden sei.
Jean-Luc Mélenchon begrüßte die Niederlage Le Pens, bemerkte aber auch, dass Macron durch seinen Sieg nicht gestärkt worden sei. Für Mélenchon hat schon seit geraumer Zeit der Kampf um den „dritten Wahlgang“ begonnen, der eben die Parlamentswahlen sein sollen. Dort hofft er nun auftrumpfen zu können.
Draghi und Johnson gratulieren
Unter den ersten Gratulanten, die in Frankreich wahrgenommen wurden, war der italienische Premierminister Mario Draghi, der sich derzeit wegen eines positiven Corona-Tests in seiner Heimatgemeinde in Isolation befindet. Er sprach von einer „großartigen Nachricht für Europa“. Auch Boris Johnson gratulierte dem Sieger mit Verweis auf kommende Diskussionen.
Zum Abschluss scheint ein Stendhal-Zitat den Sinn des Tages, vor allem aus Sicht der unterlegenen Partei, zu erfassen: „Frankreich ist ein Land, in dem es wichtiger ist, eine Meinung zu Homer zu haben, als Homer gelesen zu haben.“
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