In einer Pressekonferenz im Élysée-Palast hat Emmanuel Macron seine Pläne für die nahende EU-Ratspräsidentschaft seines Landes, den Vorsitz im Rat der EU, vorgestellt. Es sind, so sagte er vor der versammelten Presse, die Prioritäten, Ambitionen und Vorhaben Frankreichs beziehungsweise seiner Regierung, die er in dem halben Jahr vorantreiben will, während man natürlich auch das „europäische Einvernehmen“ im Auge habe. Das ist, trotz aller Demutsfloskeln, eine andere Reihenfolge als im bundesrepublikanischen Diskurs. Der Franzose darf noch etwas machen in EU-Europa – auch zum eigenen Vorteil.
Trotzdem sind Macrons Vorschläge natürlich der Vergemeinschaftungslogik verhaftet. Es ist die herrschende Logik dieses Staatenbunds: Probleme sollen zu allen Zeiten besser durch gemeinsame Gremien, Entscheidungen und Maßnahmen der 27 Partner gelöst werden. So will etwa auch die neue Bundesregierung die migratorischen Krisen an den EU-Außengrenzen durch Frontex-Einsätze ‚lösen‘. Macron machte nun einen anderen Vorschlag: Der französische Präsident will der Schengen-Zone ein ähnliches Ministergremium geben, wie es schon die Euro-Zone im EU-Finanzministerrat (Ecofin) besitzt.
Der von Macron vorgeschlagene Ministerrat soll regelmäßig tagen und im Krisenfall zum Taktgeber des EU-Grenzschutzes werden. Macron wünscht sich einen Krisenmechanismus, der Mitgliedsstaaten unterstützt, die Migrationskrisen an ihren Grenzen erleben. Bekannt ist daneben, dass sich Macron für eine Verteidigungsunion und für eine europäische „Souveränität“ einsetzt – auch wenn der letztgenannte Begriff von ihm kaum durchdacht zu sein scheint. Macron sagte am Donnerstag: „Ein souveräneres Europa ist ein Europa, das fähig ist, seine Grenzen zu meistern.“ Hier ergeben sich viele Fragezeichen. Zu hinterfragen wäre etwa, was Macron unter dem „Meistern“ oder, sagen wir ruhig, „Beherrschen der Grenzen“ versteht. Im übrigen dürfte Macrons Vorschlag eng mit den Vorschlägen der EU-Kommission koordiniert sein, die bereits seit einem guten Jahr eine Reform der Schengen-Zone samt Außengrenzschutz und EU-Asylbehörde im Blick hat. So will er auch die Asylregeln innerhalb der EU harmonisieren.
Zemmour: „Macron ist ein realitätsferner Ideologe, der Frankreich schaden will“
In Frankreich liest man die Rede Macrons natürlich auch als ein Signal im eingeläuteten Wahlkampf um die Präsidentschaft des Landes. So präsentierte Macron sich und seine Vorschläge auch explizit im Gegensatz zu den Auffassungen „zahlreicher“ Politiker, die sich in diesen Dingen lieber auf die einzelnen Nationen verlassen würden. Die „Europäer“ müssten an dieser Stelle geeint bleiben.
Am Abend desselben Tages warnte Präsidentschaftskandidat Éric Zemmour vor Macron als einem „realitätsfernen Ideologen“, einem „europäischen Föderalisten, der Frankreich schaden will“. Zemmour kritisierte insbesondere die von Macron befürwortete „europäische Souveränität“, die natürlich die französische Souveränität auslöschen würde.
Dem Minister für Wirtschaft und Finanzen, Bruno Le Maire, und damit indirekt auch dem Präsidenten warf Zemmour außerdem vor: „Sie haben die Staatsschulden in weit höherem Maße als die anderen europäischen Staaten ansteigen lassen. Sie haben keine einzige Reform des Staates durchgeführt, auch keine Rentenreform.“ Zemmour schlägt eine Erhöhung des Rentenalters von 62 auf 64 Jahre vor. Dagegen schlug Macron in seiner Élysée-Rede eine weitere Aufweichung der Regeln für die Euro-Zone vor. An die Stelle des alten „Budgetrahmens aus den 90er Jahren“ will er einen „glaubwürdigen und vereinfachten“ Rahmen setzen.
Zemmour griff Macron auch auf Nachfrage nicht konfrontativ an. Es sei die Wahl des souveränen französischen Volkes nicht des Präsidenten, einen Kandidaten zu wählen, sagte Macron in durchaus präsidialer Art. Er scheint in einem zweiten Wahlgang auch auf die Zemmour-Wähler setzen zu wollen. Auch das zeigt, wie die Kandidatur des jüdischen Journalisten die Verhältnisse im französischen Präsidentschaftswahlkampf verändert hat.