Tichys Einblick
Überheblichkeit kam vor dem Fall

Kabul-Tragödie: Die naive Politik von Biden, Maas & Co. führte direkt ins Inferno

Die Taliban standen schon in den Randbezirken von Kabul, da war man im Außenministerium noch mit Wahlkampf-Radtouren beschäftigt - der Evakuierungsflieger startete erst am heutigen Montagmorgen aus Hannover. Ähnliches in den USA: Donald Trump forderte Joe Biden nun auf, "in Schande" zurückzutreten.

Heiko Maas und Joe Biden am Sonntag. Die selbsternannten professionellen Politiker erleben live das kolossale Scheitern ihrer Politik

IMAGO / photothek und IMAGO / ZUMA Wire

„Amerika ist zurück“, das war das Motto von US-Präsident Biden direkt nach seinem Amtsantritt. Es sitzt wieder einer von uns im Weißen Haus, das war die Stimmung von vielen Medien und Politikern in Berlin. Statt einem wilden „Twitter-Cowboy“ kommt jetzt ein professioneller Staatsmann, der am gleichen Strang zieht, wie Kanzlerin Merkel und die EU.

Amerika ist zurück – zurück im Jahr 1975, als man in Saigon in Süd-Vietnam die letzten Diplomaten vom Dach der US-Botschaft ausfliegen musste. Daran zumindest erinnern die Bilder der letzten Stunden aus Afghanistan. Was sich in Kabul abspielt, ist ein kolossales, kaum in Worte zu fassendes Desaster. Einige der modernsten Armeen der Welt überlassen ein ganzes Land chaotisch einer Bande islamischer Terroristen. Es ist allen voran ein politisches Versagen: An erster Stelle der Regierung Biden, aber auch der Regierungen in Europa und insbesondere der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.

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Bidens Regierung trägt für den Horror von Kabul in Summe die Hauptschuld. Er ist für den völlig überhasteten Abzug der US-Truppen verantwortlich. Sein ursprüngliches Ziel war es, Afghanistan am symbolträchtigen 11. September zu verlassen, am Jahrestag der Angriffe auf das World Trade Center wollte er das Land wieder an die Terrorunterstützer von damals, die Taliban, zurückgeben – so jedenfalls prognostizierten es die Kritiker im Falle eines US-Abzugs. Sie sollten mehr als Recht behalten.

Biden verlegte das Enddatum für den Abzug vor, auf den 30. August. Im schlimmsten Fall sechs Monate nach dem Abzug würden die Taliban zurück an der Macht sein hieß es da, und überhaupt, das sei gar nicht ausgemacht. Denn wenn die Taliban gegen Menschenrechte verstoßen würden, dann werde man ihnen die internationale Anerkennung und Hilfslieferungen verwehren. So als würde man mit diplomatischem Kleinklein eine Terrorbande einschüchtern, die dafür bekannt ist, Menschen hinzurichten, weil sie fernsehen.

Anfang letzter Woche kontrollierten die Taliban dann plötzlich schon zwei Drittel des Landes, Tag für Tag fielen neue Provinzhauptstädte an die Taliban: „Die Islamische Lernendenbewegung Afghanistans”. Sie marschierten immer weiter gen Kabul. „Ich bereue meine Entscheidung nicht“, das sagte US-Präsident Biden noch vergangenen Dienstag zu Reportern. Man werde „unter keinen Umständen“ Bilder wie im vietnamesischen Saigon 1975 sehen, sagte er noch im Juli.

Der US-Truppenabzug war schon zu über 95 Prozent abgeschlossen. Am Freitag sorgte dann eine neue Prognose aus dem Pentagon für aufsehen: Kabul könnte schon binnen 90 Tage an die Taliban fallen. Da dauerte es nur noch zwei Tage bis diese im afghanischen Präsidentenbüro posierten. Am Samstag gab sich Afghanistans Präsident noch kämpferisch, kündigte eine Gegenoffensive an, am nächsten Morgen kam dann aus Kabul die Nachricht es werde eine „friedliche Machtübergabe“ an die Islamisten geben. Der Präsident floh per Jet nach Tadschikistan, Stunden später gaben die Taliban in seinen Büros im Präsidentenpalast eine Pressekonferenz: Kabul war gefallen.

„Wer nicht aus der Geschichte lernt, ist gezwungen, sie zu wiederholen. Hoffen wir, dass wir keine weitere Vietnam-Erfahrung machen und unsere Lektion gelernt haben. Saigon meldet sich ab.“ Das war die letzte Nachricht des CIA-Agenten Thomas Polgar, der 1975 in der südvietnamesischen US-Botschaft die letzten Akten verbrannte und als einer der letzten Amerikaner in den Morgenstunden des 1. Mais 1975 per Hubschrauber das Land verließ.

Die Taliban erbeuten zurückgelassenes, hochmodernes Kampfgerät: Neben zahlreichen Hubschraubern, Schützenpanzern, auch Kampfdrohnen, die sich ideal für terroristische Zwecke eigenen. Russland, China & Co. werden sich freuen, einige dieser streng geheimen US-Produktionen zu erwerben und zu untersuchen.

Die US-Botschaft ist inzwischen evakuiert, man hat alles inklusive des US-Sternenbanners an den Internationalen Flughafen Kabul gebracht, den wohl letzten Ort in Kabul, den die Taliban noch nicht unter Kontrolle haben. Dort spielen sich jetzt chaotische Szenen ab.

Hunderte ausländische Diplomaten, Hilfsarbeiter, Reporter, auch Deutsche Staatsbürger, versuchen das Land zu verlassen. Die Bundesregierung hat es vollkommen versäumt, die eigenen Bürger und Verbündeten rechtzeitig zu evakuieren. Denn gefährlich ist auch die Lage für afghanische Ortskräfte, Übersetzer und Mitarbeiter diplomatischer und militärischer Einrichtungen Deutschlands. Manche von ihnen waren Seite an Seite im Einsatz mit NATO-Truppen und müssen nun den Tod fürchten. Die Bundeswehr zog dort schon Ende April 2021 ab.

Seitdem vergingen mehr als drei Monate, in denen praktisch nichts geschah – und jetzt ist man abhängig von der Gnade der Taliban. Das heißt, untätig war man nicht: Ein 27 Tonnen schwerer Findling, das Kernstück des Ehrenhains für das Andenken an gefallene deutsche Soldaten in Masar-i Scharif, wurde bereits nach Deutschland ausgeflogen, genau wie 22.500 Liter Bier, Wein und Sekt der Bundeswehr – treue Verbündete nicht. Während Kabul in die Hände der Taliban fiel, war in Berlin einfach Wochenende. Erst am Montag früh (!) – nachdem Kabul vollständig gefallen war – hebt ein Airbus A400M der Bundeswehr aus Hannover ab, die Maschine soll über Zwischenstopp in Baku im Laufe des Tages irgendwann in Afghanistan ankommen. Die Maschine steht auf dem Flughafen seit Tagen bereit, durfte aber nicht starten. Dafür trägt Bundesaußenminister Heiko Maas die politische Verantwortung. In der Nacht von Sonntag auf Montag konnten erste Mitarbeiter der deutschen Botschaft schließlich von den Vereinigten Staaten außer Landes gebracht werden.

Der für Afghanistan zuständige Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen (SPD), präsentierte sich am Sonntag auf Instagram grinsend bei einer „politischen Radtour“ zuhause im Wahlkreis.

Denn Außenminister Heiko Maas wusste es ja besser. Im Juni sagte der noch: „All diese Fragen haben ja zur Grundlage, dass in wenigen Wochen die Taliban das Zepter in Afghanistan in der Hand haben werden. Das ist nicht die Grundlage meiner Annahmen. Wir gehen aber davon aus, […] dass die Kampfhandlungen zunehmen werden. Gleichzeitig gibt es aber einen Friedensprozess zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung, der ja nicht ausgesetzt worden ist, und den ich auch nicht für unerreichbar halte.“

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In Afghanistan ist gerade nur eines sicher: Der „Friedensprozess“ ist jetzt definitiv vorbei, die Taliban sind nämlich nun die unbestrittenen Machthaber. All die leeren Phrasen über „Dialog“ und „politische Lösungen“ und Drohungen zum Abdrehen der Fördergelder sind auf die harte Realität getroffen: dass die Taliban nämlich, anders als vielleicht Heiko Maas, kein Interesse an einem Platz beim UN-Kaffeekränzchen haben und ihnen deutsches Geld ziemlich egal ist. Steinigungen, Hände abhacken, und Säuren in Gesichter unverschleierter Frauen zu kippen, das interessiert die Trupps am Hindukusch mehr.

Monate, Wochen und zuletzt Tage vergingen, ohne dass Deutsche und Verbündete rechtzeitig in Sicherheit gebracht wurden. „Wir sind für alle Szenarien vorbereitet“ sagte der Bundesaußenminister noch vor wenigen Tagen. Das deutsche Versagen in Kabul hat einen Namen: Heiko Maas. Und das Versagen bringt zahlreiche Menschen aktuell in direkte Lebensgefahr.

Das amerikanische Versagen dagegen verkörpert niemand besser als Joe Biden. Ex-US-Präsident Donald Trump forderte seinen Nachfolger am Sonntag zum Rücktritt auf. Es sei an der Zeit, dass dieser „in Schande“ zurücktrete „für das, was er in Afghanistan zugelassen hat“.

Mit dem bisherigen Tiefpunkt seiner Präsidentschaft bewies Biden, was einst sogar Obamas Verteidigungsminister Robert Gates über ihn sagte: „Er hat sich in den letzten vier Jahrzehnten in nahezu allen wichtigen Fragen der Außenpolitik und der nationalen Sicherheit geirrt.“

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