Tichys Einblick
Attentat auf David Amess

Londoner Polizei: Mord an britischem Abgeordnetem war terroristischer Vorfall

Der Messermord an einem Abgeordneten der Konservativen in seinem Wahlkreisbüro entsetzt Großbritannien. Nach wenigen Stunden stufte die Anti-Terror-Einheit der Londoner Polizei das Verbrechen als terroristischen Vorfall ein. Das spricht für Hinweise auf ein islamistisches Motiv.

IMAGO / ZUMA Press

Der konservative Abgeordnete David Amess wurde am Freitagabend in seinem Wahlkreisbüro, das sich in einer methodistischen Kirche in Leigh-on-Sea (Essex) befand, erstochen. Der mutmaßliche Täter, ein 25-jähriger britischer Staatsbürger, ist laut der Times und anderen Medien somalischer Herkunft und Muslim. Der Täter machte keinen Fluchtversuch und konnte am Tatort verhaftet werden. Auch die Tatwaffe, ein Messer, konnte sichergestellt werden. Amess erlitt angeblich mehr als ein dutzend Stichwunden, an denen er trotz der Behandlungsversuche der herbeigeeilten Sanitäter verstarb.

Ein Mitglied der Regierung sagte am Abend, es gebe noch keinen eindeutigen Beweis für ein terroristisches Motiv. Allerdings hatte sogleich die Londoner Anti-Terror-Polizei die Ermittlungen übernommen. Das Telephon und der Computer des Verdächtigen wurden auf Verbindungen zum islamischen Extremismus untersucht. Allerdings blieb man nach allen Seiten offen, was das Motiv angeht, wie es zunächst hieß.

Die Frage nach einer möglichen psychischen Erkrankung des mutmaßlichen Täters wurde zwar gestellt, aber nicht positiv beantwortet (im Gegensatz zu dem, was im deutschen Fernsehen teils schon am Freitagabend behauptet wurde). Auch die parlamentarische Arbeit von Amess wurde unter die Lupe genommen, um mögliche Hinweise auf ein Motiv zu erhalten. Ein Twitter-Post mit dem Photo seines Wahlkreisbüros hatte zahlreiche Likes und Retweets erhalten.

Später in der Nacht wurde der Vorfall offiziell zum terroristischen Vorfall erklärt, obwohl man weiterhin von einem Einzeltäter ausgeht. Das kann eigentlich nur bedeuten, dass man eindeutige Hinweise auf eine islamistisches Motiv hat.

Angriff auf die Demokratie

Der Speaker im House of Commons, Sir Lindsay Hoyle, sagte, man dürfe nicht vor dem Angreifer in die Knie gehen. Abgeordnete müssten noch immer in der Lage sein, ihren Wählern zu begegnen. Niemals dürfe man sich »diesen Menschen« ergeben – »Menschen, die nicht an unsere Werte und an das, was wir tun, glauben«.

In Großbritannien hat man einige Erfahrungen mit Morden an aktiven Abgeordneten. Zwischen 1979 und 1990 wurden vier Abgeordnete durch IRA-Attentate getötet. Nach dem Mord an der Labour-Abgeordneten Jo Cox kurz vor dem Brexit-Referendum im Sommer 2016 waren die Sicherheitsvorkehrungen für Wahlkreisbüros verschärft worden.

Innenministerin Priti Patel sprach von einem »Angriff auf die Demokratie selbst«. Amess war ein Brexit-Anhänger und Katholik, setzte sich für Tierwohlbelange und gegen Abtreibungen ein. Er gehörte dem Unterhaus seit 1983 an und vertrat seit 1997 den Wahlkreis Southend West in Essex. Im März hatte er die Zunahme der »sinnlosen Morde«, zumal der Messermorde in Großbritannien beklagt.

Die Flaggen an Regierungsgebäuden und dem Parlament wurden auf Halbmast gesetzt. Abgeordnete aller Parteien bekundeten ihren Respekt vor dem Toten. Boris Johnson sprach von einem der freundlichsten und liebenswürdigsten Menschen in der Politik, der sich häufig für die Verletzlichsten eingesetzt hatte. Der israelische Außenminister Yair Lapid kondolierte noch am Abend.

Anzeige
Die mobile Version verlassen