Tichys Einblick
Olympischer Unfriede

Linker Abgeordneter: Israelische Sportler nicht willkommen bei Olympia in Paris

Den olympischen Frieden stören einige Äußerungen aus der Linksunion. Israelische Sportler seien nicht willkommen in Frankreich, ätzte ein Abgeordneter. Die Israelis sollen – wie die Russen und Weißrussen – unter der olympischen Flagge antreten. Viele sehen darin den alten Antisemitismus der extremen Linken.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

„Give peace a chance“, Thomas Bach hielt den weißen Schal mit den fünf olympischen Ringen hoch, mitten im olympischen Dorf bei Paris, dessen Aufbau und umgebende Infrastruktur angeblich sogar den Begriff und die Realität der nördlichen Banlieues wegzaubern soll. In Frankreich beginnen dieser Tage die Spiele der 33. Olympiade. Die Idee des „olympischen Friedens“ ist ein Topos aus der Antike. Nun kann Frieden in diesem Zusammenhang sehr vieles und Verschiedenes bedeuten, auch auf der Weltbühne. Ein IOC-Präsident wird natürlich niemals genaue Angaben zu den von ihm gewünschten Friedensschlüssen machen. Gemeint ist wohl doch eher der olympische Friede.

Ähnlich unbestimmt forderte auch Emmanuel Macron einen „politischen Waffenstillstand“ während des kommenden Sportfestes. „Die Spiele werden im Herzen des Lebens des Landes sein, und die Welt wird dank ihnen in Frankreich zu Besuch sein“, sagte Macron, ohne allerdings definitiv zu verkünden, dass er die Politik – und die Benennung eines Premierministers – bis zum Ende der Spiele ganz ruhen lassen will. Aber so konnte man ihn verstehen.

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Bald wird die Welt wohl geblendet sein vom Bogenschießen vor dem Invalidendom oder von den Radrennen zwischen Eiffelturm und den Palästen von Versailles. Bei den kommenden Olympischen Spielen gibt es weniger Sportstätten zu sehen als die Architektur der Hauptstadt selbst. Immerhin, aber ist es mehr als eine schöne Kulisse? Welche Ereignisse werden sich in ihr abspielen? Das weiß man noch keineswegs.

Daneben machen sich etwa die Pariser Gastronomen ernsthafte Sorgen. Gerade im malerischen Zentrum sind ihre Bistrostühle und Tische von hässlichen Bauzäunen eingezwängt, und hinein kommt nur, wer – wie während Macrons „Krieg gegen Covid“ – einen QR-Code vorweisen kann. „Die Pariser Innenstadt ist Fort Knox geworden“, heißt es, und das treibt die Umsatzerwartungen in den Keller. Für den Freitag wird, mit der Eröffnungszeremonie, ein allumfassender Stau auch des Autoverkehrs erwartet. Wer immer Paris noch mit dem Auto verlassen will, dem wird geraten, vorher zu fahren. Wie schon bei der EM hierzulande kann man sich fragen, wovor die Regierenden so viel Angst haben. Vor dem Frieden?

Dem Parlamentsbenjamin wird der Handschlag verweigert

Friede und Verständigung hatten keine Chance in der Nationalversammlung, wo viele Abgeordnete der Linken, der radikalen Linken und sogar der Macronie dem jüngsten, neugewählten Parlamentarier den rituellen Handschlag verweigerten, mit dem sozusagen das Neue selbst im Parlament begrüßt wird. Das Problem war das Vorhersehbare: Der 22-jährige Flavien Termet ist Mitglied des Rassemblement national (RN).

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Marine Le Pen hat die Bedingungen im neuen Parlament als eine „Unrechtszone“ beschrieben, der kluge RN-Abgeordnete Laurent Jacobelli sprach von „einer Art institutionellem Wilden Westen“, zu dem die Nationalversammlung geworden sei: Die größte Partei des Parlaments, seine, ist nicht im Präsidium des Parlaments und nicht im für die Arbeit wichtigen Bureau vertreten; in den Gängen des Parlamentsgebäudes höre man Beleidigungen, verweigerte Handschläge. Hinzu kämen noch die Mauscheleien nicht nur zwischen der politischen Macronie, der Linken wie auch den Republikanern, nachdem im zweiten Wahlgang schon fleißig Wählerstimmen „verkauft“ wurden.

Unter denen, die den Handschlag für den „Benjamin des Parlaments“ verweigerten, waren auch die Grüne Sandrine Rousseau und der sozialistische Aspirant auf das Premierminister-Amt, Olivier Faure, auch eine Ex-Ministerin aus der Macron-Partei Renaissance war dabei. Man könnte sagen, dies sind nicht die schlimmsten Ausfälle der letzten Tage. Indem sich Frankreich auf die Olympischen Spiele vorbereitete, kam ein weiteres Thema auf die Tagesordnung.

Derselbe blinde Hass wie 1972

Thomas Portes, Abgeordneter der radikalen Linkspartei „Aufsässiges Frankreich“ (La France insoumise, LFI) aus dem Département Seine-Saint-Denis in der nördlichen Banlieue, sagte die fatalen Sätze: „Ich bin hier, um zu sagen: Nein, die israelische Delegation ist nicht willkommen in Paris. Die israelischen Sportler sind nicht willkommen bei den Olympischen Spielen in Paris.“ Portes sagte die Worte, die so viel Empörung ernten sollten, bei einer Demonstration zur Unterstützung der Sache der Palästinenser, die am 20. Juli in Paris stattfand.

Es waren zwei leicht verschiedene Aussagen, die aber doch auf das Gleiche hinauslaufen. Der Vergleich mit den russischen und weißrussischen Sportlern liegt nahe, die nur unter neutraler Flagge teilnehmen dürfen – aus anfangs sechs russischen Sportlern, die unter diesen Bedingungen dabei sein wollten, sind inzwischen 15 geworden. Was Portes hier sagt, geht aber darüber hinaus. Laut dem Video-Dokument wünschte er sich keine Teilnahme der israelischen Sportler an den Spielen.

Yonathan Arfi, Präsident des Repräsentativen Rats der jüdischen Institutionen Frankreichs (Crif), ordnete das als Mangel an Anstand des LFI-Abgeordneten ein, was ihn an die Spiele von 1972 erinnert, als elf israelische Sportler von palästinensischen Terroristen getötet wurden. Thomas Portes, weiß Arfi, legitimiere schon seit dem 7. Oktober die Hamas. Nun verpasse er den israelischen Sportlern, die ohnehin zu den am meisten bedrohten des Wettkampfs gehören, eine „Zielscheibe auf ihrem Rücken“.

Jordan Bardella erklärte praktisch sinngleich: „Indem er die israelischen Athleten preisgibt, bestätigt Thomas Portes, Abgeordneter von La France insoumise, dass seine Partei, die die Hamas unterstützt, von einem virulenten Antisemitismus angetrieben wird. Es ist derselbe enthemmte und blinde Hass, der 1972 bei den Olympischen Spielen in München israelische Athleten tötete.“

Israels Flagge und Hymne sollen unterdrückt werden

Die Auseinandersetzung ist in jedem Fall sehr ernst. So ernst, dass sogar der extremen Linken am Sonntag eine Präzisierung in den Sinn kam. Portes erklärte nun: Der Außenminister solle Druck auf das IOC ausüben, um das Zeigen der Flagge und das Spielen der Hymne Israels während der Spiele zu verbieten, also so wie es im Fall Russlands gehalten wird. Weitere Parteimitglieder sprangen Portes zur Seite und forderten nun wie er, die Israelis sollten unter olympischer Flagge antreten wie die Russen.

Die Partei ruft also nicht zum Ausschluss israelischer Sportler auf, wohl aber zum Ausschluss Israels von den Spielen. Das geht mit erheblichem Gaslighting einher, als ob etwa die israelische Fahne von den israelischen Bürgern zu trennen wäre. Diese Linie verkündete der nationale Koordinator von LFI, Manuel Bompard, ausgerechnet auf dem ihm sehr kritisch gesonnenen Sender CNews. Bompard, der wiederum als Mundstück des inoffiziellen Parteiführer Jean-Luc Mélenchon gilt, machte zudem eine „Hasskampagne“ gegen Portes aus. Auch das ist eher schon grob irreführend.

In der Debatte mit Premierminister Gabriel Attal und Jordan Bardella, Kandidat des RN, hatte Bompard einen kleinen Anstecker in Form eines auf der Spitze stehenden roten Dreiecks getragen – was als Symbol einer direkten Unterstützung nicht nur für die Sache Palästinas, sondern der Hamas gesehen wird. Nun sagen Linke wie Bompard oder auch Mélenchon, das Dreieck entstamme dem symbolischen Raum der nationalsozialistischen Lager, wo es als „roter Winkel“ für politische Häftlinge stand. Kurzum, die LFI-Leute lassen hier zumindest eine islamogauchistische Ambivalenz zu und „kreuzen“ derart „alle Kästchen an“.

Plötzlich regen sich alle auf, doch vor der Wahl geschah anderes

Was folgte außerdem? Ein betretenes Dementi vonseiten der Regierung. Der geschäftsführende Außenminister Stéphane Séjourné musste ausdrücklich klarstellen, dass die israelische Delegation eben doch willkommen sei im heutigen Frankreich. Doch Séjournés Wahlbündnis hatte ja dabei geholfen, dass Dutzende von LFI-Kandidaten in dieses Parlament gewählt wurden. Und dieselbe Macronie installierte nach den geschehenen Wahlen zahlreiche Linksradikale in hohen Parlamentsämtern.

Innenminister Gérald Darmanin detektierte „antisemitische Untertöne“ in den Reden von Portes und anderen. Aber in der Tat: Zeigen die LFI-Positionen nicht, dass man einer Nichtexistenz des Staates Israel positiv gegenübersteht? Portes war schon zuvor die Teilnahme Israels an der Eröffnungszeremonie missfallen. Viele betrachten Portes als geistigen Brandstifter. Der Anführer der Republikaner im Senat, Bruno Retailleau, fand die Aussagen schlicht „zum Kotzen“.

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Nicolas Estrosi, Bürgermeister von Nizza, forderte sogar die Auflösung der Partei von Portes. Solange es die Partei LFI noch gibt, würde er jede öffentliche Beihilfe für sie streichen, die Parteimitglieder hätten sich selbst aus der Nation ausgeschlossen. Doch auch Estrosi gehört einer Partei an, „Horizons“ aus der Macron-Koalition. Und die nahm ebenfalls an dem Komplott gegen die RN-Wähler, zu dem die Wähler anderer Parteien verführt und gedrängt wurden, teil – verschenkte (oder verkaufte) Stimmen an die Linken und nahm deren Stimmen dankend entgegen.

Es regten sich also alle auf. Zugleich fällt auf, dass nicht nur die Provokationen gegen die Völkerfreundschaft mit Israel, sondern auch die gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Dinge in Frankreich derzeit ausschließlich von der (offenbar ermutigten) radikalen Linken kommen. Es scheint so, dass Portes gerade in seinem Wahlkreis nördlich von Paris auch auf die Stimmen der Nordafrikaner und Muslime setzt, die dort häufig in der Mehrheit sind, aber bisher weniger wählen gehen, wie auch die deutlich niedrigere Wahlbeteiligung in den Vierteln zeigt.

LFI hat aber nicht nur Portes und Bompard zu bieten, die die abenteuerlichsten Forderungen mit der größten Selbstverständlichkeit vorbringen. Daneben gibt es die EU-Abgeordnete Rima Hassan (auch LFI), die Israel schon gewohnheitsmäßig als „genozidalen“ und kolonialistischen Staat bezeichnet. Hassan hatte die „Aktion“ der Hamas in einem Radio-Interview als legitim bezeichnet. Der Partei-Große Mélenchon zieht es derweil vor, Universitätsrektoren und Präfekten als „Nazis“ anzusehen und auch zu bezeichnen, wenn sie ihm – aus Gründen der öffentlichen Ordnung – pro-palästinensische Kundgebungen verbieten. Im Juste-Milieu des Landes findet man so etwas provozierend, ja verrückt. Tut man aber etwas gegen die Umtriebe von LFI? Bei den jüngsten Wahlen war das Gegenteil der Fall.

Die oberflächlichste Nicht-Schau, die es geben kann

Marine Le Pen erinnerte auf X daran, dass auch der heutige Herausgeber des Internet-Magazins Médiapart, Edwy Plenel, der viele Jahre als leitender Redakteur bei Le Monde verbrachte, 1972 seine Solidarität mit der palästinensischen Organisation „Schwarzer September“ erklärt habe. In der Tat war das so: Plenel war 20 Jahre alt und schrieb unter dem Pseudonym Joseph Krasny für die kommunistische Wochenschrift Le Rouge. 2018 hat Plenel sich zwar von den Äußerungen distanziert, aber auch daran erinnert, dass sie „nichts Außergewöhnliches in der extremen Linken der Epoche“ waren, wie auch Schriften von Jean-Paul Sartre zeigen könnten. In Plenels Text von 1972 hieß es:

„Die Aktion des Schwarzen Septembers hat die olympische Maskerade bersten lassen und die einvernehmlichen Abmachungen erschüttert, die die arabischen Reaktionäre mit Israel treffen wollten (…). Kein Revolutionär darf sich vom Schwarzen September distanzieren. Wir müssen die Aktivisten dieser Organisation bedingungslos gegen die Repression verteidigen (…). In München wurde das so tragische Ende – laut Philistern aller Art, die kein Wort über die Ermordung der palästinensischen Aktivisten verlieren – von den imperialistischen Mächten und insbesondere von Israel gewollt und herbeigeführt wurde. Es wurde kaltblütig beschlossen, ins Blutbad zu gehen.“

Natürlich ist diese Schlussthese absurd, pure Ideologie und beruht auf der oberflächlichsten Nicht-Analyse, Nicht-Schau der Geschehnisse in München, die es geben kann. Médiapart weist in einem aktuellen Artikel darauf hin, dass es sich bei dem Verlangen von Portes und anderen nach einem Ausschluss der staatlichen Symbole Israels „um eine Forderung“ handelt, die „seit mehreren Monaten von Unterstützern der palästinensischen Sache geäußert wurde“. Auch der alte Text von Plenel zeigt es: Nichts Neues unter der Sonne, und so sollen die Forderungen angeblich legitim sein. Heute ist es die nationale Rechte und Le Pen, die widerspricht: „Dieser offen zur Schau getragene Antisemitismus hat keinen Platz in unserem Land.“

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