Als Bundeskanzler Olaf Scholz auf seiner Südamerika-Tournee das deutsche Lieferkettengesetz präsentierte, dürfte er verblüfft auf die allgemeine Ablehnung reagiert haben, erwartete er doch sicher gefeiert zu werden. Aber sogar Lula, der sozialistische Präsident Brasiliens, reagierte negativ auf das deutsche Gesetz, das nun auch bald zum EU-Gesetz werden soll.
Ohne Kinderarbeit hält bei den Familien oft der Hunger Einzug
Durch das Lieferkettengesetz werden allerdings Familien, die nur mit Kinderarbeit überleben können, in den Hunger getrieben. Das ist das Ergebnis eines deutschen Allmachtsdenkens, das die eigene Wohlstandsidylle auf die ganze Welt projiziert.
Afrika ist nicht konkurrenzfähig
Bei der Umsetzung der neuen Regeln komme es darauf an, dass sie den Menschen „am Anfang der Lieferkette“ helfen, sagte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) zu einer gemeinsamen Reise mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Ziel der fünftägigen Reise sind unter anderem Orte der Kakao- und Textilproduktion in Afrika.
Ghana und die Elfenbeinküste produzieren etwa 70 Prozent des weltweiten Kakaos. Wegen der in den vergangenen Jahren gesunkenen Kakaopreise auf dem Weltmarkt setzen viele Bauernfamilien ihre Kinder für die Arbeit ein. Damit steckt Kinderarbeit in der Schokolade im Supermarkt. Ghana ist auch einer der größten Importeure von Kleidung. Eine heimische Produktion findet kaum statt.
Wer einmal in Afrika gelebt hat, weiß, dass die Märkte von chinesischen und nicht von deutschen Billigprodukten überschwemmt werden. Das Problem sind also nicht europäische First- oder Second-Hand-Textilen. Das Problem sind nicht chinesische Textilien, die diese wiederum in Bangladesh fertigen lassen, sondern das Problem ist, dass Afrika offensichtlich vollkommen überfordert ist, eine eigene Produktion aufzustellen, die nur einigermaßen konkurrenzfähig ist.
China, Indien oder Südamerika werden nicht auf die deutsche Linie einschwenken. Nein, vielmehr werden chinesische Rohstoffabnehmer und Produzenten den selbstauferlegten Nachteil Deutschlands ausnutzen und seinen Einfluss verstärken.
Warum bevorzugt Afrika Infrastruktur aus China?
Die deutschen Medien haben sich auf finstere Verschwörungstheorien geeinigt, wie China Afrika von sich abhängig macht. Ein wesentlicher Teil der Wahrheit wird dabei fast immer unterschlagen. Das soll an einem Beispiel erläutert werden:
Wenn Deutschland eine Straße bauen lässt, geht das nach häufiger Erfahrung eher so: Erst einmal werden ein paar hundert Afrikaner eingestellt, die nach den Verhandlungen „auf Augenhöhe“ Vorschusszahlungen erhalten. Danach ist oft genug die Baustelle leer, die Arbeiter verschwunden. Wenn dann das Geld verbraucht ist, tröpfeln die Arbeiter wieder ein. Aber plötzlich sind dann die Sicherheitsleute inklusive Lagerinhalt verschwunden, wichtiges Material fehlt. Es dauert ewig, bis das Material wieder aus Deutschland anlandet. Dann kommt ein lokaler Machthaber und sagt, der Straßenverlauf ginge über sein Stammesgebiet. Er verlangt deswegen Geld für das Überqueren seines Stammesgebietes. Am Ende kommt mit der deutschen Entwicklungshilfe „auf Augenhöhe“ oft auch der Versuch, Afrikaner zum Feminismus und zum Ökologismus zu erziehen. Die Afrikaner wollen aber das Geld und Infrastruktur ohne Umerziehung.
Nachdem das Geld der westlichen Entwicklungshilfe („Hilfe zur Selbsthilfe“) versickert ist, sagen sich viele Afrikaner am Ende: China und Russland versorgen uns mit Infrastruktur, billigem Öl und Gas, ohne uns umerziehen zu wollen.
Das sind die Realitäten, die in den Medien häufig verschwiegen werden. Genau mit diesen Problemen haben heute deutsche Investoren zu kämpfen und genau hier liegt der Grund, warum bisher die meisten Entwicklungsinitiativen gescheitert sind.
Das Lieferkettengesetz aus Sicht der Entwicklungsländer
Die gut gemeinte Moral hinter dem Lieferkettengesetz lautet vereinfacht etwa so:Die armen Textilarbeiter in Bangladesh werden von uns Westlern ausgebeutet. Sollen Adidas und andere Textilproduzenten den Armen doch statt 100 Euro pro Monat einfach 150 bezahlen und die Arbeitsbedingungen verbessern. Das ist doch das Mindeste, was Adidas für unser gutes Gewissen tun kann.
Sehen wir uns doch in der Dritten Welt um. Eine Stadt in Bangladesh, Indien, Vietnam oder Burma. 10 Textilfabriken. Eine produziert für Adidas und erhöht den Lohn der Arbeiter von 100 Euro auf 150 Euro im Monat, zusätzlich verbessert die Fabrik die Arbeitsbedingungen. Aus Sicht der Arbeiter sind die Bedingungen in dieser einen Fabrik nun traumhaft. Die Arbeiter der neun anderen Fabriken, die für das eigene Land, für China, Afrika, Südamerika usw. produzieren, erhalten natürlich nach wie vor 100 Euro und sie arbeiten unter viel schlechteren Bedingungen. Aber diese sind immer noch viel besser als die Bedingungen auf dem Reisfeld. Genau deshalb sind sie ja vom Land in die Fabrik arbeiten gegangen. Die Fabrikarbeit für 100 Euro hat ihre Lebensbedingungen deutlich verbessert.
Nun ist also die Adidas-Näherin noch privilegierter, als sie es schon vorher war. Die Nudelsuppenverkäuferin erhält nämlich nur 70 Euro, der junge Kellner sogar nur 50 Euro und damit immer noch mehr als der Reisbauer auf dem Land, der afrikanische Käufer eines T-Shirts aus Bangladesh hat meist noch weniger.
Korruption verschärft sich
Durch Projekte wie das Lieferkettengesetz werden also neue soziale Ungleichgewichte geschaffen. Es passiert dann, was in solchen Situationen immer passiert: Korruption zieht ein.
Der Personalchef wird die Stellen verkaufen. Er sagt der Näherin: Du bekommst statt 100 Euro nun 150 Euro Lohn bezahlt. Sieh dich um, die Verkäuferin auf dem Markt bekommt nur 70 Euro. Wenn du also 150 Euro bekommst, gibst du mir 50 Euro, dann hast du immer noch 100 Euro, also deutlich mehr als deine Kollegin in der Nachbarfabrik.
Das weiß natürlich der Chef der Personalchefs und der sagt: Gebt mir 20 Prozent von jedem Arbeiter, den ihr zu den Bedingungen der verrückten Deutschen einstellt, und das weiß der ChefChef, der will 10 Prozent vom Chef, und der ChefChefChef will 5 Prozent vom ChefChef … Es entsteht eine der in der Dritten Welt beliebten Korruptionspyramiden. Je weiter oben, desto mehr bekommt der Chef. Und die haben viel bezahlt, um ihren Posten zu bekommen. Also muss sich das Ganze lohnen.
Das Ergebnis des Lieferkettengesetzes in den Entwicklungsländern
Und was ist das Ergebnis des Lieferkettengesetzes? Jeder will etwas vom Kuchen abhaben, die korrupten Strukturen werden ausgebaut, ein paar Arbeiter haben etwas mehr und die „guten“ Deutschen mit dem besonders schlechten Gewissen erkaufen sich ein gutes Gewissen.
Letztlich ist also das Lieferkettengesetz eine Art Ablasshandel für das schlechte Gewissen moralisierender Europäer. Für die Länder der Dritten Welt ist es kontraproduktiv, weil es noch korruptere Strukturen schafft und damit soziale Unordnung und noch größere Konfusion bringt.
Das Ergebnis des Lieferkettengesetzes für die deutsche Wirtschaft
Es gehen auf diese Weise sogar Arbeitsplätze in der Dritten Welt verloren, weil sie teurer werden. So hat Adidas wieder in Deutschland produziert, allerdings nicht mit Menschen, sondern mit Robotern. Jetzt brauchte niemand mehr gegen die Ausbeutung von Adidas-Beschäftigten in der Dritten Welt zu protestieren, weil es dort gar keine Beschäftigten mehr gibt.
Das Lieferkettengesetz erschwert jedoch auch die „Diversifizierungsbemühungen der deutschen Industrie und konterkariert in vielen Bereichen sogar ein stärkeres Engagement in Afrika“, kritisierte Wolfgang Niedermark vom Bundesverband der Deutschen Industrie kürzlich. Bereits jetzt würden sich Unternehmen wegen bürokratischer und rechtlicher Hürden vom afrikanischen Markt verabschieden. So hätten 65 Prozent der befragten Unternehmen in einer bisher nicht veröffentlichen BDI-Studie angegeben, dass das Lieferkettengesetz ihre Afrika-Aktivitäten erschweren würde.
Lösung sozialer Probleme in den Entwicklungsländern
Letztlich können diese sozialen Probleme nur innerhalb der betreffenden Gesellschaft gelöst werden. Zwänge von außen schaffen nur neue Probleme, über die sich deutsche Politiker und Medien gar nicht im Klaren sind. Ihnen geht es wie weiland Pilatus, der immer seine Hände in Unschuld wäscht, nicht wirklich um die Sache, sondern nur darum, sich selbst moralisch auf die Schulter zu klopfen.
Ein besseres Leben muss sich jedes Land selbst schaffen, denn Chancen gibt es, wie der epochale Aufstieg der asiatischen Tigerstaaten zeigt. Südkorea, Singapur, Malaysia und China brauchten kein Lieferkettengesetz. Hier waren Kennzeichen des Erfolgs ein starker Staat, eine starke Arbeitsethik und eine Verringerung der Geburtenzahl. Was in den Entwicklungsländern zählt, ist der Erfolg – ein westliches schlechtes Gewissen und ein deutsches Moralisieren stößt auf Unverständnis.