Tichys Einblick
Erleichterung der irregulären Migration

Lesbos: Neue Ermittlungen gegen vier NGO-Mitglieder

Vier weiteren NGO-Mitarbeitern in der Ägäis wird nun von griechischen Sicherheitsbehörden die Erleichterung der irregulären Migration, der Bruch des griechischen Einwanderungsgesetzes und Spionage gegen Küstenwache und Armee vorgeworfen.

IMAGO/LePictorium

Und wieder geht Alkmene auf. Der Name der Operation der griechischen Behörden bezieht sich auf die mythische Mutter des Herakles, deren Name übersetzt etwa »die Stärke des Mondes« bedeutet. Und so ist vielleicht zu erklären, dass bisher noch in jeder Pressemitteilung des Polizeidirektion Nord-Ägäis von monatelangen Ermittlungen die Rede war. Die Polizeidirektion hat nun zum dritten Mal über Ermittlungsfortschritte zum illegalen Agieren von NGOs in der Ägäis informiert. Und wieder wird der Fall an die zuständige Staatsanwaltschaft übergeben. Diesmal geht es um vier NGO-Mitglieder und sechs Drittstaatler, also außereuropäische Migranten, die laut Presseberichten aus Syrien und Afghanistan stammen.

TE unter NGO-Beschuss
Der Kampf um die Pressefreiheit geht in die nächste Runde
Den sechs Beschuldigten wird ein ganz ähnliches Vorgehen vorgeworfen wie den 35 Beschuldigten, die aus der ersten Operation Alkmene resultierten. Man könnte es die Methode »Alarm Phone« nennen, die weniger auf der Bereitstellung eigener »Rettungsschiffe« beruht, sondern auf der Navigationshilfe für Migrantenboote, auf der Benachrichtigung der griechischen Behörden und auf dem Druck, der über soziale Medien auf diese ausgeübt wird.

Daneben wird den Beschuldigten vorgeworfen, sich über die Abfahrtsorte an der türkischen Küste und genaue Abfahrtszeiten ausgetauscht zu haben. Zudem seien auch wiederum Informationen über die griechische Küstenwache, zu militärischen Einrichtungen und Fahrzeugen sowie über die Asylzentren auf den Ägäis-Inseln übermittelt worden. Den Beschuldigten wird folglich die Erleichterung der illegalen Einreise sowie die Verletzung des griechischen Einwanderungsgesetzes in mehreren Punkten, die Erschwerung der Arbeit der griechischen Behörden und Spionage vorgeworfen.

Polizei: Illegale Einreise in 2.500 Fällen erleichtert

Von einigem Interesse sind die Herkunftsländer der vier NGO-Aktivisten, die Hinweise auf die Identität der beteiligten NGOs geben können. In seiner Pressekonferenz vom September 2020 hatte der Polizeipräsident der Nord-Ägäis, Eleftherios Douroundous, sich standhaft geweigert, die Nationalitäten der 33 NGO-Mitglieder zu nennen, die aber durch die Indiskretion von Beamten oder politischen Entscheidungsträgern bereits in verschiedenen Artikeln landeten. Es waren demnach mehr als zwanzig Deutsche, daneben eine Österreicherin und eine Norwegerin und einige weitere Nationalitäten, die allerdings wenig Aufschluss boten. Zu welchem organisatorischen Netzwerk die Deutschen und die Österreicherin gehörten, konnte man spätestens in dem Moment wissen, als der Spiegel breit über NGOs in der Ägäis berichtete und dabei auch die führenden Mitglieder zweier Vereine – der deutschen NGO Mare Liberum und der österreichischen Josoor – mit Namen nannte. Hinweise auf die beiden NGOs hatten sich zuvor auch in der griechischen Presse zuhauf gefunden.

Nun geht es laut Presseberichten um zwei Briten, einen Amerikaner und erneut einen Norweger. Beobachter der Szene sind sich fast sicher, dass es sich um Tommy Olsen handelt, der schon seit Jahren als einflussreiche Figur im Geschäft der irregulären Migration entlang der türkisch-griechischen Seegrenzen auftritt. Für jede Woche und jeden Monat veröffentlicht er den auch für seine NGO namengebenden »Aegean Boat Report«, in dem die illegalen Ankünfte auf den verschiedenen Ägäis-Inseln mit Akribie verzeichnet sind. Man mag sich fragen, woher Olsen, der sich als überzeugter Einzelkämpfer gibt, diese Informationen hat, und so liegt der Verdacht nahe, dass er entweder selbst mit den irregulären Migranten kommuniziert oder Mittelsleute dies für ihn übernehmen.

NGOs errichteten unter humanitärem Vorwand einen »Schattenstaat«

Laut der griechischen Polizei hat Olsen durch seine Arbeit die illegale Einreise von 2.500 Migranten erleichtert und damit teils wohl erst ermöglicht, jedenfalls angezogen. Die anderen drei NGOs arbeiten laut Informationen der Zeitung Kathimerini mit Olsen zusammen. Eine von ihnen scheint im Lager Vial auf der Insel Chios Dinge des täglichen Gebrauchs an Migranten verteilt zu haben. Die Beschlagnahmung der Handys einer Britin und einer US-Amerikanerin im Mai hätten, so ein hochrangiger Beamter, bedeutsame Erkenntnisse hervorgebracht. Der Eindruck verstärkt sich, dass über die Aufnahmezentren selbst eine Verbindung und Kommunikation auch an die türkischen Küsten hergestellt wurden, so dass Migrationsströme von dort praktisch planbar wurden.

Seit letztem Jahr kursieren Videos von Chat-Verläufen, in denen in arabischer Schrift verfasste Mitteilungen mit anderen abwechseln, in denen einem »Tommy« für seine Hilfe und Unterstützung gedankt wird. Es geht, soweit man die Nachrichten entziffern kann, vor allem um die Navigation von Booten zu griechischen Inseln und Kleininseln. Karten zeigen die Position der Boote, und im Nachrichtenverlauf sind die dringenden Anweisungen zu lesen: »Sie müssen nach rechts fahren!« Auch die Nachricht »Told Greek Coast Guard« kommt vor, und zuletzt das »Thanks Tommy«. Zwischendurch wird nach der Anzahl der Bootsinsassen gefragt. So erhält man wohl die Daten für einen »Aegean Boat Report« – doch daneben assistiert man so der irregulären und nach griechischem Verständnis illegalen Einwanderung.

Der Twitterer, der diese Chat-Kommunikation dokumentiert hat, schrieb in seinem Tweet: »Der organisierte Zirkel, der die illegale Einreise von Ausländern ins Land befördert, ist nichts Gesichtsloses, sie haben Namen, und einige von ihnen sind noch immer in Griechenland. Außer mit der Türkei arbeiten sie auch mit Einheimischen zusammen, die unter dem Vorwand der humanitären Hilfe einen Schattenstaat aufgebaut haben.« Man könnte den Nutzer Stavroforos schlicht gut informiert nennen, denn das ist der Eindruck, der sich aufdrängt, wenn man auf mehr als fünf Jahre NGO-Tätigkeit in der Ägäis zurückblickt. Von Anfang an sahen es einige NGOs als ihre erste Aufgabe an, nicht etwa die Lebensbedingungen der Asylbewerber in den Lagern zu verbessern, wie es ein populärer Mythos wollte, sondern die Einreise weiterer Antragsteller zu befördern.

Aegean Boat Report: Haben niemals Menschen geschmuggelt

Da die NGO »Aegean Boat Report« auch in der angesehenen Tageszeitung Kathimerini im Zusammenhang mit den neuen Ermittlungen erwähnt wird, hat sie eine schriftliche Erklärung zu den Vorwürfen abgegeben. Darin bestreitet sie, jemals am Menschenschmuggel beteiligt gewesen zu sein, und bezweifelt, dass es heute in der Ägäis einen Schmugglerring gäbe. Das ist auch nicht unbedingt die Behauptung der ermittelnden Behörden, sie sprechen von der »Erleichterung« der illegalen Einreise und weiteren Verletzungen des Migrationsgesetzes und allerdings, und das scheint mindestens genauso schwerwiegend, von Spionage gegen die griechischen Behörden.

Der »Aegean Boat Report« hat laut dem Schreiber der Erklärung kein Gesetz gebrochen, weder internationales, noch EU-Recht noch griechisches Recht. Das gelte leider nicht für die Regierung von Kyriakos Mitsotakis.

Es läuft auf ein Duell zweier Parteien hinaus, die einander gegenseitig Rechtsbruch vorwerfen – einmal Bruch des internationalen, einmal des nationalen Rechts. Nach dem Aegean-Boat-Report-Leiter Tommy Olsen wären die Kontakte mit Migranten also jeweils nur spontaner Natur und beschränkten sich darauf, ihnen weiterzuhelfen, da sie sich nun einmal auf der Ägäis befinden. Genau das scheint aber einer der Vorwürfe der griechischen Behörden gegen ihn und seinen Verein zu sein.

Polizeipräsident Douroundous: Viel tun und wenig sagen

Der Prozess gegen die Beschuldigten vom September steht freilich noch aus. Auch die Kathimerini berichtet das mit einem Stirnrunzeln: Als Grund werden »Verzögerungen durch die Pandemie« angegeben, was auf den ersten Blick wenig überzeugt. Auf TE-Anfrage teilte die Polizeidirektion Mytilini mit, die Akten lägen auch weiterhin bei der örtlichen Staatsanwaltschaft. Es handelt sich um umfangreiches Material, das anscheinend immer noch ausgewertet wird.

Der Polizeipräsident der Inselregion gibt sich derweil verschlossen wie eine Sphinx, wenn er in einem Radiointerview die von seinem Gegenüber begrüßten Worte sagt: Die Effizienz des Ermittlers bestehe darin, viel zu tun und wenig zu sagen. Für solche Dienstgeheimnisse gibt es anscheinend viel Verständnis in der griechischen Gesellschaft. Oder könnte es sein, dass Douroundous mit seiner Pressemitteilung und den Polizeiermittlungen schon den Hauptteil der Arbeit getan hätte? Reicht es aus, den NGOs Strafverfahren anzudrohen, um ihnen die Handlungsgrundlage auf den griechischen Inseln zu entziehen?

Die österreichische NGO »Josoor« berichtet vom Entzug eines Stipendiums aufgrund »falscher Anschuldigungen in Griechenland«. Andere wie die an einer Kreuzberger Adresse sitzende NGO »Alarm Phone« scheinen das Schwergewicht ihrer Tätigkeit auf die Gewässer vor der libyschen Küste verlagert zu haben. Es gibt aber auch Tweets, die nahelegen, dass die deutschen NGOs ihre Aktivitäten in der Ägäis keineswegs eingestellt haben, vielmehr die griechischen Inseln bereisen und sich auch weiterhin Gedanken über »Hotspots for people on the move« machen. Ihnen ist darin zuzustimmen, dass der Aufenthalt in einem Aufnahmezentrum für irreguläre Migranten von niemandem empfohlen wird.


TE hat mehrfach über ähnliche Praktiken von NGOs berichtet, die auf diese Weise den Menschenschmuggel von der Türkei nach Griechenland befördern. Auch hier geht es um logistische Unterstützung und Informationen über Standorte der Küstenwache, Abfahrts- und Ankunftsorte. Mittlerweile sieht sich TE rund einem halben Dutzend Abmahn- und Folgeverfahren ausgesetzt und musste auf Betreiben der Organisation Mare Liberum vorerst informative Beiträge aus dem Netz nehmen; auch Presseberichte aus Griechenland und Mitteilungen der dortigen Behörden. Nichts soll über das Treiben in Deutschland bekannt werden. Diesen Maulkorb fechten wir an und werden dies bis zur Letzt-Entscheidung bringen. Solche Verfahren ziehen sich über Monate und Jahre. Das wissen die Kläger und wollen uns so zum Einlenken zwingen. Da sie von Kirchen und dem Staat gefördert werden, setzen sie darauf, dass sie den längeren Atem haben. Sie werden sich täuschen. Wir fassen den Kampf um die Pressefreiheit als unsere Aufgabe auf, nachdem viele Blätter sich auf die Seite von „Mare Liberum“ geschlagen haben und ihren Agitationsjournalismus weiter wider die Wahrheit betreiben.

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