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Investoren in Südafrika gesucht

Kugelhaufenreaktor – ein Projekt nimmt wieder Fahrt auf

Der Kugelhaufenreaktor schien am Ende, doch jetzt nimmt das Projekt in Südafrika wieder Fahrt auf. Das Besondere an dem Reaktortyp: Wenn der Reaktorkern nicht mehr gekühlt wird, beginnt er nicht zu schmelzen oder zu brennen. Die Kernspaltung schläft langsam ein, der Reaktor schaltet sich selbstständig ab. Von Wolfgang Kempkens

Aufnahme vom 01.12.2006

picture-alliance/ dpa | Ralf Krüger

15 Jahre lang, von 1994 bis 2009, arbeitete das Unternehmen PBMR am Pebble Bed Modular Reactor, dessen Initialen dem Entwickler in Südafrika den Namen gab. Dann war das Geld alle, und die Regierung des Landes war nicht bereit, die Lücke zu füllen. Der Kugelhaufenreaktor, wie das Konzept in Deutschland heißt, schien am Ende – zumindest in Südafrika. Doch jetzt nimmt das Projekt wieder Fahrt auf.

Der südafrikanische Technologieberater und Finanzier Koya Capital hat eine Vereinbarung mit Stratek Global unterzeichnet, dem Nachfolger von PBMR, die die Finanzierung und den Bau eines solchen Kernkraftwerks mit umgerechnet 450 Millionen Euro sichert. Bereits in fünf Jahren soll es fertig sein und außer Strom auch Prozesswärme liefern. Der Reaktor wird in einer Fabrikhalle komplett montiert und per Tieflader zum Zielort gebracht. Fast zwei Drittel der Anlage werden sich unterhalb der Erdoberfläche befinden.

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Das Konzept stammt aus der Kernforschungsanlage Jülich (KFA), die heute Forschungszentrum Jülich heißt. Rudolf Schulten, Professor für Reaktortechnik an der Technischen Hochschule Aachen und an der KFA, hat es in den 1960er Jahren entwickelt und mit einem Kernkraftwerk vor den Toren der KFA realisiert. In Deutschland fiel das Konzept in Ungnade, weil der erste kommerzielle Reaktor dieses Typs, der Thorium-Hochtemperaturreaktor 300 (HTR 300) mit einer elektrischen Leistung von 300 Megawatt in Hamm-Uentrop, an einigen Kinderkrankheiten litt.

PBMR und Physiker der Tsinghua Universität in Peking ließen sich davon nicht abschrecken und begannen, das Konzept weiterzuentwickeln. Unter anderem verzichteten sie auf die in Deutschland realisierte hohe elektrische Leistung. Der südafrikanische Reaktor wird sich mit 30 Megawatt begnügen, die beiden kommerziellen Anlagen in Shidaowan in der ostchinesischen Provinz Shandong kommen auf jeweils 105 Megawatt.

Kugelhaufenreaktor heißt die Anlage, weil der Brennstoff – Uran und Thorium – feinst verteilt in tennisballgroßen Kugeln aus Grafit steckt. Während das Uran gespalten wird und mörderische Hitze erzeugt – bis zu 900 Grad Celsius –, sammelt das Thorium fleißig Neutronen ein, sodass es sich in Uran verwandelt, das wiederum als Brennstoff dient. Das reduziert den Bedarf an frischem Uran, und Thorium ist auf der Erde in großen Mengen verfügbar. Die Wärmeenergie wird aus dem Reaktorkern mit dem nicht brennbaren Edelgas Helium abtransportiert. In einem Wärmetauscher erhitzt es Wasser. Der entstehende Dampf treibt einen ganz normalen Turbogenerator an, wie er auch in Kohlekraftwerken genutzt wird. Teurere Spezialturbinen, wie sie in konventionellen Kernkraftwerken eingesetzt werden, sind nicht nötig.

Zu den hervorstechendsten Merkmalen dieses Reaktortyps zählt seine Gutmütigkeit. Wenn der Reaktorkern nicht mehr gekühlt wird, beginnt er nicht zu schmelzen oder zu brennen. Die Kernspaltung schläft langsam ein, der Reaktor schaltet sich selbstständig ab. Das ist in zwei aufsehenerregenden Experimenten in Deutschland und China bereits bewiesen worden.

Stephen Edkins, Leiter des Bereichs CleanTech bei Koya Capital, erklärte, sein Unternehmen habe sich im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung vom Potenzial der Technologie überzeugt und arbeite nun daran, weitere Investoren zu finden, um noch vor Jahresende mit dem Bau zu beginnen. „Es gilt, einen Maßstab für saubere, zuverlässige Energie für Afrika und die ganze Welt zu setzen“, so Edkins. „Es setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass die Kernenergie der beste Weg ist, um den erheblichen Bedarf an sauberer Grundlaststromversorgung in Afrika und weltweit zu decken.“

Weil dieser Kraftwerkstyp, den Stratek Global HTMR-100 nennt, sehr wenig Kühlwasser benötigt, sei er für Afrika und andere Länder mit Wassermangel eine ideale Ergänzung zur Solarenergie, so Edkins. Vermutlich wird der erste südafrikanische Kugelhaufenreaktor auf dem Gelände des Kraftwerk Koeberg in der Nähe von Kapstadt errichtet, wo auch der PBMR gebaut werden sollte.


Wolfgang Kempkens studierte an der Techni­schen Hochschule Aachen Elektrotechnik. Nach Stationen bei der „Aache­ner Volkszeitung“ und der „Wirtschaftswoche“ arbeitet er heute als freier Journalist. Seine Schwer­punkte sind Energie und Umwelt.

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