Vor allem die in Barcelona geborene liberale Partei Ciudadanos (Bürger), dessen Vertreterin vor Ort, Inés Arrimadas, im katalanischen Parlament demonstrativ Spanisch spricht, forderte Wahlen. Auch weil man sicher war, dass die Pro-Einheit-Parteien deutlich an Stimmen gewinnen würden. Aber jetzt kommt angesichts der Entwicklungen in Belgien und der radikalen Mobilisierungen in Katalonien bei einigen Zweifel auf, ob der vor zwei Wochen eingeschlagene Weg, Neuwahlen für die aufmüpfige Region auszurufen, der richtige war.
Mobilisierung der Massen aus Brüssel
Dazu trägt bei, dass die Ex-Regierung Kataloniens in Madrid in Untersuchungshaft sitzt und Puigdemont noch frei in Belgien herumläuft, dort in Talkshows auftritt und bei belgischen Medien Stimmung für seine Sache macht: die katalanische Republik. Gerne auch in perfektem Französisch. Am 17. November muss Puigdemont vors belgische Nationalgericht, damit entschieden wird, ob der Katalane der spanischen Regierung ausgeliefert wird. Damit wurde der ganze Wahlkampf extrem negativ für die spanische Sache beeinflusst, weil die Separatisten trotz aller Bemühungen von Premier Mariano Rajoy das Gegenteil zu erreichen, doch wieder als Opfer darstehen und es nun auch geschafft haben, Europa in ihren Aufruf mit einzubeziehen.
Ciudadanos setzt auf den Sieg und versucht Belgien zu ignorieren
Die 36jährige Ciudadanos-Chefin in Katalonien, Arrimadas, die gar nicht reinrassig katalanisch ist, sondern wie viele Einwohner der Region aus Andalusien kommt, hat dagegen weiterhin keine Angst vor dem Resultat der Wahlen zum Regionalparlament am 21. Dezember. Arrimadas will auch gar nicht mehr über Puigdemont reden, ignoriert die Fernsehbilder von seinen Gängen über den Wochenmarkt in Brüssel oder in den Cafés. Sie will Wahlkampf machen mit nutzwertiger Bürgerpolitik. Die junge und energische Frau ist fest davon überzeugt, dass der Block der pro-spanischen Parteien bei der anstehenden Wahl gewinnen wird.
Mehrheit für die Unabhängigkeit in den Umfragen
Dennoch: Derzeit fallen einige Umfragen so aus, dass die Unabhängigkeitsbefürworter die Mehrheit haben. In jedem Fall würden sie die stärksten Partei stellen, mit Abstand und damit auch die Regierung bilden, auch wenn die „Einheits-Befürworter“ mehr Stimmen hätten. Catalunya Sí que es Pot (Katalonien du schaffst es ) hätte gemäß dieser Umfrage mit elf Prozent der Stimmen eine Schlüsselrolle. Die Partei befürwortet ein Referendum, ist aber nicht offen für eine Unabhängigkeit, aber auch nicht wirklich dagegen. Sie würde unter der heutigen Sachlage keinen Block mit den anderen „Madrider Parteien“ eingehen, womit es keine absolute Mehrheit für eine Koalitionsregierung pro spanischer Einheit geben würde: „Damit wäre zu erwarten, dass nach den Wahlen wieder vor den Wahlen ist, womit die Unternehmensflucht aus der Region und auch die Unsicherheit über die Zukunft in keinster Weise gelöst wäre,“ glaubt Albert Peters, Chef des Kreis der deutschen Führungskräfte (KdF) in Barcelona.
Miguel Otero, politischer Analyst des in Madrid ansässigen spanischen ThinkTanks Real Instituto Elcano glaubt jedoch, dass in jedem Fall, egal wie die Wahlen ausgehen, beide Seiten, Madrid und Barcelona zum Dialog gezwungen wären und das dies in jedem Fall positiv wäre: „Alles, was sich im Rahmen der Legalität bewegt, sollte kein Problem für Spanien sein. Die Separatisten sind nicht verfassungsfeindlich als Partei, sie werden es nur in dem Moment, in dem sie versuchen, ihre Ziele unilateral durchzusetzen, wie sie es in diesem aktuellen Fall mehrfach gemacht haben.“
Unternehmensflucht aus Katalonien setzt sich fort
Aber die Untersuchungshaft scheint eher gut als schlecht für die Separatisten zu sein. Puigdemont hat erreicht, was er wollte: In Belgien, dem Land, wo die Brüsseler Institutionen ansässig sind, redet man in allen Zeitungen über ihn und zuhause ist die Gesellschaft weiter gespalten. Er gibt Pressekonferenzen auf Französisch und der Katalane fühlt sich als Weltbürger, lässt sogar mit ihm sympathisierende Bürgermeister nach Brüssel anreisen, um für die Republik zu protestieren. Ob diese Reisen von öffentlichen Geldern bezahlt wurden und auch die ganzen Medienkampagnen der Separatisten in Belgien, wird jetzt untersucht. Der Mob tobt.
Die Aussichten für Katalonien sind weiter düster
Für Peters, der die Interessen der deutschen Unternehmer vertritt, ist wichtig, dass endlich Klarheit und Ruhe einkehrt in Katalonien: „Investitionen – vor allem internationale – werden aufgrund der derzeitigen unsicheren Lage nicht getätigt. Dies wird Auswirkungen auf die spanischen Wachstumsraten der nächsten Jahre haben.“ Er warnt die illegal agierenden Separatisten, die bereits den Fortgang von 1.800 Firmen aus der Region zu verantworten haben: „Wer von unseren Unternehmern erwartet, sich an Recht und Gesetz zu halten muss gleiches bieten. Sonst geht man. Das ist die Basis jeder Beziehung in einem demokratischen Staat.“
Auch die Ratingagentur Moody’s hat in einem jüngsten Bericht eindeutige Ansagen an die Separatisten gemacht: „Bei einer nicht wahrscheinlichen Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien würde das neue Land die schützende Hand Spaniens verlieren und damit in grosse Schwierigkeiten bezüglich der ausstehenden Verbindlichkeiten geraten.“ Viele katalanische Firmen und Haushalte würden von der Pleite bedroht. Für die linkradikale Separatisten-Partei CUP, die gemäss der Umfrage von El País, nur auf sechs Prozent der Stimmen kommen würde am 21. Dezember, ist das jedoch das Opfer wert: „Sobald wir unser eigenes Geld verwalten und Madrid uns kein Geld mehr stiehlt, wird Katalonien wieder aufblühen.“
Stefanie Claudia Müller ist Korrespondentin für Deutsche Medien in Madrid und Autorin des Buches „Menorca, die Insel des Gleichgewichts“.