Spaniens Außenministerin Arancha González Laya lässt keine Zweifel an der Haltung ihrer Regierung zur irregulären Einwanderung: „Wir bekämpfen sie“. Es stimmt, dass das Land wenigen Asyl genehmigt und wenige Aufenthaltserlaubnisse verteilt, daran hat sich auch unter dem sozialdemokratischen Premier Pedro Sánchez nichts geändert. Richtig ist auch, dass González Laya versucht, präventiv zu handeln und in diesen Monaten viele der Herkunftsländer wie Senegal, Mauretanien und Ghana besucht hat, um schon im Vorfeld Auswanderung nach Spanien ohne Visum zu verhindern. Allerdings sind die Gesamtzahlen der irregulären Einwanderung nach Spanien bis jetzt nur wenig geringer als im letzten Jahr, als über 24.000 Menschen illegal übers Meer oder Land nach Spanien kamen. Über die Mittelmeer- bzw. vor allem die Atlantikroute sind sogar nach Angaben des Innenministeriums trotz Beteuerungen der Außenministerin und der Pandemiekontrollen rund sechs Prozent mehr Migranten gekommen als im Vergleichsraum 2019 (Stand 15. Oktober 2020).
Wie die spanische Online-Zeitung El Confidencial berichtet, geht die Prävention immer mit neuer spanischen Entwicklungshilfe in den Herkunftsländern einher. Derweil spricht die spanische Regierung hinter verschlossener Tür inzwischen ganz klar von Schlepperbanden, die derzeit wöchentlich Hunderte von Menschen nach Spanien schleusen, diesmal vor allem auf die Kanaren, einer der wenigen spanischen Regionen, die nicht so stark von der Pandemie betroffen sind. Insgesamt kamen in diesem Jahr 10.500 Immigranten auf irregulärem Weg hier an, vor allem auf Gran Canaria. Aber es landen in den vergangenen Wochen auch zunehmend Migranten in Murcia und der spanischen Exklave Melilla in Marokko.
Direkt von Marokko nach Spanien kommen wenige
Die direkte Route Marokko nach Spanien funktioniert dagegen derzeit weniger, weil das nordafrikanische Land die Grenzen seit Monaten weitgehend geschlossen hat, um die Covid-19 Infektionen niedrig zu halten. Nach Angaben des spanischen Innenministeriums ist die irreguläre Ankunft von aus Marokko kommenden Immigranten über die Meerenge von Gibraltar in diesem Jahr im Vergleich zu 2019 um 30 Prozent zurückgegangen. Die Polizei-Kontrollen sind stärker, aber auch der spanische Druck auf Marokko und die vereinbarten Finanzmittel aus der EU scheinen derzeit Wirkung zu zeigen.
Polemik auf den Kanaren wegen der anstehenden Wintersaison
Die autonome Region, eine der ärmsten Spaniens, hat das Feriengeschäft nach einer schwierigen Sommersaison bitter nötig, lebt sie doch wie keine andere vom Tourismus. Die Bürgermeisterin von Mogán, wo derzeit die meisten Schnellboote mit Immigranten landen, hat den Schuldigen für die aktuelle Krise ausgemacht: die Regierung in Madrid.
Premierminister Sánchez versucht derweil Hunderte von Rückführungen zu organisieren, die während der akuten Pandemie schwierig waren und sich erneut verkomplizieren durch die sich wieder schließenden Grenzen. Er war gerade in Algerien und reist in diesen Tagen noch nach Tunesien und Lybien, wo viele der Schlepperbanden sitzen. Die Zurückführungen “im kalten” (en frío) werden praktiziert, wenn auch nicht offen von der spanischen Regierung kommuniziert. Das Rote Kreuz in Gran Canaria sieht sich derzeit komplett überfordert mit der Situation, weil nicht klar ist, wo die Migranten untergebracht werden sollen.
Einige werden bereits aufs Festland gebracht, wie aus den spanischen Medien zu erfahren ist. Das gilt auch für solche, die auf den Balearen ankommen. In Madrid, wo die meisten schließlich landen, werden sie jedoch weitgehend alleine gelassen, wenn sie nicht minderjährig sind. Ohne die nichtstaatlichen sozialen Einrichtungen und vielen Hilfsorganisationen würden viele von ihnen auf der Straße landen. Die Regierung versucht, das Thema derzeit so wenig wie möglich in die Medien zu lassen, um einen Sogeffekt zu vermeiden. Einige kanarische Hoteliers fürchten derweil, wie in der spanischen Presse berichtet wird, um ihr Image angesichts der Bilder von strandenden Immigranten auf Gran Canaria. Tui und auch Lufthansa wollen Touristen an Weihnachten auf die Inseln bringen.