Spanien soll erneut eine linke Regierung bekommen. So schaut es jetzt, nach wochenlangem Tauziehen um die Macht, aus. Der Koalitionsvertrag mag spruchreif sein, doch eine Mehrheit hat die Koalition von Sozialisten (PSOE) und dem Linksbündnis Sumar deshalb keineswegs. Das ewige Patt bleibt damit Kennzeichen der spanischen Politik. Die katalanischen Separatisten sollen die Mehrheit bringen, verlangen aber eine Amnestie für ihre Vertreter.
Während das politische Madrid mit diesen Fragen beschäftigt bleibt, werden die Kanarischen Inseln erneut zum Ziel einer sich zuspitzenden Welle an illegalen Migranten. Nun kamen an einem Wochenende 1.622 Menschen aus Westafrika in kleinen Holzbooten auf der Inselgruppe an. Im gesamten Jahr bis zum 15. Oktober waren es laut des Madrider Innenministeriums fast 24.000. Doch allein im Oktober kamen laut UNHCR mehr als 10.000 Menschen auf diesem Weg auf die Kanaren.
Man kann also von einer stark steigenden Tendenz sprechen, die Handlungsbedarf signalisiert. Um das unter einem etwas anderen Blickwinkel zu beleuchten, weist der Journalist Jaime Pérez-Llombet darauf hin, dass „die 320 Migranten, die einem Fischerboot ankamen“, nicht in eine Airbus A220 oder eine Boeing 787 passen würden. Schon Anfang Oktober war von mehr als 900 Neuankömmlingen in 24 Stunden die Rede.
Glücklich ist an dieser Stelle, dass sich in Deutschland gerade die Lage drehen könnte. Von Olaf Scholz wird der Ausspruch überliefert: „Wegen der Migrationspolitik werde ich die Bundestagswahl nicht verlieren“, angeblich vor Wochen einem Vertrauten zugeraunt. So offenherzig hört man den zugeknöpften Kanzler sonst nicht. Es könnte also durchaus sein, dass Scholz das explosive Potential der illegalen Zuwanderung erkannt hat. Es wäre auch schwer, das nicht zu tun, es nicht zu erkennen. Denn die Fakten sind eindeutig: Deutsche Kommunen haben keinen Platz mehr, ebenso wenig das nötige Personal, um irgendeine Art von noch so provisorischer Passigmachung („Integration“) zu gewährleisten.
Spahn (CDU) will Grenzen „früher oder später“ schließen
Scholz hat, auch durch sein pseudo-markiges Interview mit dem Spiegel, den Startschuss für eine Rallye mit verschiedenen Unionspolitikern gegeben, die einen Wettbewerb der Forderungen zur deutschen Migrationspolitik begonnen haben. So macht Jens Spahn zum einen eine Voraussage, dass nämlich die EU-Außengrenzen „früher oder später“ ohnehin geschlossen würden. „Ob in 5 oder in 15 Jahren, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber es wird passieren“, sagte der CDU-Grande nicht ohne Geschick. Darum könnte man es ja auch gleich machen, ist der logische Schluss. Und so ergänzte auch Spahn, dass man die „irregulären“ Migrationsbewegungen auch „mit physischer Gewalt“ aufhalten solle.
Recht zu geben – nicht zuletzt weil TE dies schon seit langem sagt – ist ihm außerdem, wenn er dem neuerdings abschiebungsseligen Kanzler entgegnet, der entscheidende Schlüssel für die Lösung des Problems sei „die Begrenzung irregulärer Migration“. Fachleute sprechen hier von illegaler Migration, da hat Spahns innere Radikalisierungsspirale also noch etwas Luft nach oben. Radikal ist ja nicht immer schlecht, auch wenn es sich im Deutschen immer zentrifugal anhört. Dabei ist es eigentlich zentripetal, was vielleicht auch stört.
Proteste in spanischen Gemeinden gegen die Transporte
Auch in diesem Fall bleiben die Migranten aber nicht auf der Landmasse, an der sie zuerst den EU-Raum betreten. Schon begann am Dienstag der Transport von rund 240 neu eingetroffenen Migranten aus Subsahara-Afrika in die Gemeinde Torrox bei Málaga. Der Bürgermeister Óscar Medina (PP) beklagte sich, die Regierung habe ihn nicht ausreichend früh informiert, sicherte aber zu, der Rat werde alle erforderlichen Mittel bereitstellen, um „eine angemessene Betreuung für alle diese Personen, die fast ausschließlich Männer sind, zu gewährleisten“.
Ähnlich geht es in Mérida in der Extremadura zu, wo ein sozialistischer Bürgermeister bis zu 300 Migranten in einer alten Jugendherberge unterbringen will. Die migrationskritische Vox-Partei protestierte gegen diese Liebesgabe an den alten und vielleicht neuen Premier Sánchez. Der Bürgermeister von Mérida müsse zurücktreten, da er den Interessen der Bürger schade. Derweil werden in Medina del Campo in der Provinz Valladolid 150 afrikanische Migranten sogar in einem Luxushotel, dem Palacio de las Salinas, untergebracht. Das Grand-Hotel blieb, das muss gesagt werden, seit einem halben Jahr wegen Bauarbeiten geschlossen. Dennoch kritisierte ein Bürgermeister, wie diese Belegung in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durchgeführt wurde. Er sieht darin ein Zeichen für die „Illoyalität, Unhöflichkeit und geringe Ehrerbietung“ der sozialistischen Regierung.
Eine so großzügige Unterbringung scheint auf den Kanaren nicht immer sicher zu sein. In die Kritik geriet die Nutzung eines alten Industrielagers als Unterkunft minderjähriger Bootsmigranten. Hier kritisierte zudem der PP-Senator Sergio Ramos die Regionalregierung seiner eigenen Partei. Letztlich dürfte aber die Zentralregierung der Adressat von Ramos’ harscher Kritik gewesen sein. Diese sitze nämlich „mit verschränkten Armen“ und „mit dem Rücken zur Realität“ da, „ohne Maßnahmen zu ergreifen, um einer Realität Einhalt zu gebieten, die ein echtes soziales und humanitäres Drama darstellt“. Und weiter: „Die Kanarischen Inseln können diese Krise, die uns völlig überwältigt hat, nicht alleine bewältigen.“
Die Kritik an Engpässen führt nicht zu mehr Hilfsbereitschaft
Das sind einerseits offensichtliche Kritikpunkte, wobei andererseits nicht ganz klar ist, wie sie auf das spanische Elektorat wirken werden. Aber die Wellen der Hilfsbereitschaft sind wohl auch auf dem spanischen Festland schon lange ausgelaufen. Insofern erhöht auch solche Kritik den Druck subtil, aber merklich. Der Regierung fehle eine „klar definierte Migrationspolitik“. Was aber noch schlimmer sei, sie kümmere sich „wenig bis gar nicht darum, was auf den Inseln passiert und was die Kanarischen Inseln betrifft“. Das ist der bekannte Polit-Keil zwischen Provinz und Zentrale, der immer anzeigt, dass die Leitlinien einer Politik gerade gehörig aus dem Ruder laufen und nicht mehr akzeptabel sind für die Bürger in Städten und Dörfern.
Und auch wenn der Senegal als Zwischenstation der illegalen Migranten sogar Boote abfangen soll, wie der Welt-Journalist Tim Röhn berichtet, gibt es solche Bilder von den Küsten des Landes. Doch aus dem Senegal heraus ist auch von einer politischen Krise die Rede, die angeblich Menschen in die „wirtschaftliche und politische Flucht“ treibe. Es ist der Oppositionsführer, der dies auf Teneriffa behauptete, und so sind seine Worte durchaus mit Vorsicht zu genießen. Wirtschaftliche Gründe können dabei unbesehen zugestanden werden, die politischen mögen aber eng mit ihnen verknüpft sein. Denn natürlich leiden die Anhänger der Opposition in solchen, autoritär regierten Ländern immer eher Hungers, während andere abgreifen, was das Land zu bieten hat. Insofern handelt es sich um „wirtschaftliche und politische“ Gründe, aber nicht um eine echte Flucht vor Verfolgung.
Daneben kommen natürlich auch andere Länder als Ablegeorte in Frage, Mauretanien etwa oder Marokko, die alten Partner sozialistischer EU-Abgeordneter. Man erinnert sich an die Affäre Kaili & Co.
Da die Distanz vom Senegal zur Kanaren-Insel El Hierro um die tausend Kilometer beträgt, fragen sich einige mit Recht, wie die Migranten diese tage- und nächtelange Reise in wackligen Holzfischerbooten schaffen. Die Antwort wird auch hier gerne gegeben, dass es NGO-Schiffe seien, die unterstützend eingriffen, die Migranten erst einsammeln und sie dann kurz vor den Kanaren wieder aussetzen. Belege für die Behauptung sind noch keine bekannt. In jedem Fall könnte man beiden Problemen – den selbständig ankommenden Booten und den von NGOs unterstützten – wirksam begegnen, wenn es eine Nicht-Annahme-Politik auf den Kanaren und in Spanien gäbe.