Tichys Einblick
Misstrauensvotum gegen Trudeau rückt näher

Wokes Kanada, adieu – starkes Kanada voraus?

Es sind Nachrichten von einem herabgewirtschafteten Land, die den anhebenden kanadischen Wahlkampf beherrschen. Während Donald Trump die Kanadier zum Eintritt in die USA aufruft, will der Konservative Pierre Poilievre dem Land wieder Stärke geben. In den Umfragen liegt seine Partei seit langem vorn.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Sean Kilpatrick

Jetzt will seine Partei ihr Pferd während des Rennens austauschen. Parteiführer der links-liberalen LPC von der kanadischen Atlantikküste fordern, dass Justin Trudeau für einen neuen Parteichef und damit wohl auch Premierminister Platz macht. Aber eigentlich ist dieses Rennen für Justin Trudeau ohnehin vorbei – und am Ende wohl auch für seine Partei, die in den Umfragen weit zurückliegt und spätestens im kommenden Oktober eine krachende Niederlage erwarten muss. Die woke „Ära Trudeau“ nähert sich ihrem unaufhaltsamen Ende. Als erste war die Finanzministerin und Stütze Trudeaus, Chrystia Freeland, zurückgetreten.

Freeland war es gewesen, die im Februar 2022 mitgeteilt hatte, dass ebenso die Namen der Teilnehmer wie jene von Vereinen und gemeinsam genutzten Krypto-Wallets an die Finanzinstitute weitergegeben wurden, um den Protest der Trucker gegen die sinnwidrigen kanadischen Corona-Regeln zu brechen. Natürlich rechtfertigte sie auch die Anrufung des kanadischen Notstandsgesetzes zum selben Ende.

Am 16. Dezember verkündete Freeland überraschend ihren Rücktritt und gab als Grund an, dass sie sich angesichts eines drohenden Zoll- und Handelskonflikts mit der Trump-Regierung mehr Ausgabendisziplin gewünscht hätte. Dagegen wollte Trudeau an einem Ausgabenprogramm in Milliarden-Höhe festhalten und sogar mit einer Einmalzahlung an die kanadischen Steuerzahler punkten. Das sind durchschaubare Vorwahlgeschenke, die offenbar vor allem dem eigenen Machterhalt dienen sollen.

Freelands Rücktritt hatte aber noch einen anderen Aspekt: Denn natürlich weiß auch sie um die fundamentale Unpopularität Trudeaus und seiner Regierung im Lande. Wo der Premier geht und steht, trifft er auf den Protest der Bürger, denen es oftmals ein Bedürfnis ist, ihm mitzuteilen, wie sehr sie von der Regierung genervt sind. Nun kommt die Zeit des Bezahlens, und das wollte die Ex-Finanzministerin anscheinend nicht.

 

Wachstum nur bei Arbeitslosigkeit, Geldmenge und Schulden

„Kanada ist kaputt“ – dieser Slogan, den die Opposition in Umlauf brachte, ist in den letzten Monaten vielen zur Gewissheit geworden. Im Hintergrund stehen sehr konkrete Sorgen der Bürger über die Teuerung, die sich seit langem in vielen Online-Videos und Postings zeigen. Ihr alltägliches Leben kommt vielen Kanadiern heute nicht mehr bezahlbar vor, und das beruht leider auf harten Fakten. Die Wirtschaft ist zwar in den letzten zehn Jahren durchaus gewachsen, zugleich nahm aber auch die Bevölkerung Kanadas etwa um denselben Prozentsatz zu. Der Zugewinn wird also auf mehr Köpfe verteilt. Am Ende ist es ein Nullsummenspiel oder sogar ein Verlust für den einheimischen Kanadier, weil die neuen Zuwanderer oft weniger gebildet als sie sind.

Tatsächlich wuchs die Geldmenge noch deutlich stärker – und damit die Inflation. Auch die Arbeitslosigkeit und die Staatsschuld sind in den letzten Jahren gestiegen. Trudeau hat es geschafft, das früher als vorbildlich geltende kanadische Einwanderungssystem zu ruinieren, indem er integrationsresistente Zuwanderer aus Zentral- und Westasien zuließ und in gewisser Weise sogar anlockte (darin unterschied er sich nicht von Angela Merkel).

Doch kurz vor Weihnachten gingen die negativen Nachrichten für Trudeau weiter: Auf Freelands Rücktritt folgte die Absage aller anderen Parteien an den Noch-Premier, dessen Liberaldemokraten (LPC) über keine eigene Mehrheit verfügen. Sogar die einstigen Koalitionspartner von den Neuen Demokraten (NDP) haben angekündigt, einen Misstrauensantrag gegen Trudeau zu unterstützen, ebenso der separatistische Bloc Québécois und natürlich die Konservativen unter Pierre Poilievre.

Dieser Misstrauensantrag – irgendwie scheint sich das als internationaler Trend durchzusetzen – kann gestellt und abgestimmt werden, sobald das kanadische Unterhaus ab dem 27. Januar aus der Winterpause zurückkehrt. Das dürfte Trudeaus Ende sein, und er wird es sich sehr überlegen, ob er bei resultierenden Neuwahlen noch einmal antritt.

Trudeaus Rücktritt wird durch eine weitere Sache wahrscheinlich: Er und seine „Liberale Partei Kanadas“ liegen seit langem in der Wählergunst klar zurück hinter dem konservativen Herausforderer Pierre Poilievre. Und so kommen auch aus seiner eigenen Partei harsche Worte, etwa vom Abgeordneten Anthony Housefather, der meint: „Wir befinden uns in einer unmöglichen Situation, wenn er bleibt.“ Und so wollen viele „Liberale“ ein Bürgervotum über ihren langjährigen Anführer lieber vermeiden.

Klaus Schwabs Macht über Kanada würde enden

Die Misstrauens-Stimmen gegen Trudeau könnten also auch aus seiner eigenen Partei kommen. Daneben verfügt auch die NDP zusammen mit Konservativen und dem separatistischen Bloc Québécois über ausreichend Stimmen für eine Mehrheit gegen Trudeau. Die ehemaligen Verbündeten (NDP und Bloc) kleben höchstens noch wegen eigener Interessen am Status quo. Aber die Stimmung wendet sich immer klarer gegen den Premier.

Trudeaus (vielleicht nur kurzfristiger) Nachfolger könnte sein neuer Finanzminister Dominic LeBlanc sein, so wird nun gemunkelt. LeBlanc ist dabei kein Neuling, war schon vor 2015 Fraktionschef und Oppositionsführer im Unterhaus, stand später an der Spitze der verschiedensten Ministerien, die er fast im Jahrestakt wechselte. Er wirkt eher wie ein Trudeau-Soldat und Fortsetzer derselben Linie.

Wahrscheinlicher ist, dass der Konservative Poilievre nun an die Macht drängt. Seine Partei liegt seit Monaten deutlich vor Trudeaus LPC, zuletzt mit rund 25 Prozentpunkten. Poilievre ist kein zaghafter Mitte-Rechts-Politiker, sondern ein kraftvoller Antiwoker. Er will den Bürgern mehr von ihrem Geld lassen, daneben die Wokeness zurückdrängen und fossile Energien wieder zurück in die Mitte holen, wo die vom Schwab-Jünger Trudeau an den Rand gedrängt werden. Klaus Schwab mit seinem Davoser Forum hatte sich einst besonders der kanadischen Regierung Trudeaus gerühmt, die er (Schwab) mit seinen Gefolgsleuten „durchdrungen“ habe. Das bedeutet: Schwab maßte sich selbst eine durchaus trans-demokratische Kontrolle über die kanadischen Angelegenheiten an und freute sich, dass er es mit seinem alpinen Kaffeekränzchen der Mächtigen so weit gebracht hatte. Das könnte nun aber, langsam, langsam, zu Ende sein. Man wird schon beinahe müde es zu sagen, aber es ist zweifellos der erneute Wahlsieg Donald Trumps, der auch an dieser Stelle – wie zuvor in Deutschland – einen Spielstein der „alten Weltordnung“ ins Aus befördert.

Trumps Scherze zum Machtwechsel in Kanada

Derselbe Trump hat in den letzten Tagen darüber gescherzt (?) – niemand weiß das so genau –, dass der künftige „Gouverneur“ Kanadas das Land ja in eine Union mit den USA führen könne. So würden sich die Steuern unmittelbar um „mehr als 60 Prozent“ verringern, die kanadische Wirtschaft aber sich verdoppeln. Auf X überließ es Trump seinem Sohn Barron, diese Botschaft an den Mann zu bringen.

Verstehen wir das zunächst als burschikosen Ausdruck von Trumps Hoffnung einer größeren Harmonie mit Kanada, was die allgemein-politischen Vorstellungen und vielleicht auch konkret die Handelspolitik angeht. Man könnte freilich auch vom Geist des Wettbewerbs sprechen, einem agonal-kämpferischen Element auch im Verkehr der Staaten. So schnell werden sich jedenfalls die Kanadier nicht zu einem Beitritt entschließen, denn die Initiative dazu könnte offenbar nur bei ihnen liegen. Im selben Truth-Post erwähnte Trump auch Grönland und den Panama-Kanal, und dort sind seine Ansprüche schon eher imperialer Natur. Doch schon hissen erste Kanadier die US-Flagge an ihren Häusern und verstehen sich als „Nord-Amerikaner“, für die eine Aufnahme in die USA nichts Schreckliches hat.

Poilievre fordert eine „kleine Regierung“ und „große Bürger“

Für viele noch immer tonangebenden Medien – auch in Kanada – ist Pierre Poilievre der kommende Politiker im Trump-Stil. Poilievre kann weder mit diesem Etikett etwas anfangen noch mit den hergebrachten Kategorien von links und rechts, wie er in dem berühmt gewordenen Interview mit Apfel in der Hand sagte. Worum es ihm geht, ist die Wiederherstellung des allgemeinen Menschenverstands in der kanadischen Politik. Sein zentrales Beispiel ist die Aufblähung der Geldmenge an kanadischen Dollars um ein Drittel in wenigen Jahren, was hinreichend erkläre, dass Kanadier sich heute weder die Supermarktpreise noch die Ratenzahlungen für ihr Haus leisten können.

Im Gespräch mit der Toronto Sun spricht Poilievre von einer „kleinen Regierung“ und „großen Bürgern“, davon, dass sich Arbeit lohnen müsse und „Menschen von überall“ sich in Kanada damit etwas aufbauen können, dass Verbrecher im Gefängnis sein sollten, damit rechtstreue Bürger in Sicherheit leben können, und davon, dass ein Land Grenzen haben sollte. So hat Poilievre auch angemahnt, dass fast fünf Millionen Zuwanderer, deren Visa am Ende des kommenden Jahres 2025 ablaufen, Kanada auch wirklich verlassen. Die aktuelle Regierung hat gesagt, sie wolle sich auf das Wort der Migranten verlassen. Hier ist der Ausgang noch offen.

In der aktuell sich anbahnenden Auseinandersetzung mit den Vereinigten Staaten sieht Poilievre die Schwäche Trudeaus als besonderes Problem an. Natürlich müsse man den kanadischen Dollar stärken. Die kanadische Wirtschaft sei seit vielleicht 100 Jahren nicht so schwach gewesen im Vergleich mit der US-Wirtschaft. Und als Rezept gegen die Misere schlägt Poilievre tatsächlich eine Politik ähnlich der Trumps vor: eine „massive Steuersenkung“ auf Energie, Arbeit, Investitionen und besonders für die herstellende Industrie, um dieselbe und damit Arbeitsplätze nach Kanada zurück zu bringen, blitzschnelle Zulassungen für Bergwerke, Pipelines, Datenzentren, Staumauern zur Stromerzeugung. So will Poilievre sicherstellen, dass Kanada ein stolzes, unabhängiges Land bleibt – und nicht der 51. Staat der USA wird.

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