Am Sonntag hat in Kanada der zweite Tag der Demonstrationen gegen die Corona-Politik von Premierminister Justin Trudeau begonnen. Am Samstag waren mehrere als „Freiheitskonvois“ bezeichnete Fahrzeugketten in der Hauptstadt Ottawa angekommen. Danach waren tausende Menschen auf dem als Parliament Hill bezeichneten Parlamentsgelände zusammengekommen. In einigen Fällen waren Demonstranten tausende Kilometer angereist, um ihre Botschaft vor dem Büro des Premierministers im Stadtzentrum auf die Straße zu bringen.
„Es geht nicht nur um die Impfstoffe“, sagte Daniel Bazinet, Inhaber von Valley Flatbed & Transportation in Nova Scotia an der Atlantikküste gegenüber Euronews. „Wo soll das alles enden? So geht es vielen Menschen.“ Bazinet ist als Binnen-Kraftfahrer nicht direkt von dem neuen Gesetz betroffen, fährt aber dennoch in einem Konvoi aus 200 Fahrzeugen mit, um sich mit anderen Demonstranten in Ottawa zu treffen.
Trucker wollen auch nach der Demo bleiben
Immer noch ist die Zahl der Demonstranten und Fahrzeuge ungeklärt. In den meisten Medien ist die Rede von einigen hundert LKWs. Anhänger der Trucker gehen dagegen von tausenden Fahrzeugen aus. Die Polizei in Ottawa hatte am Freitag mit der Ankunft von 2.000 Trucks gerechnet, mittlerweile stellen sich die Beamten auf 2.700 Fahrzeugen ein. Bei der Hauptkundgebung vor dem Parlament erwarteten die Behörden 10.000 Personen, konnten jedoch im Anschluss nicht die genaue Zahl festlegen. Vorher waren kilometerlange Fahrzeugschlangen auf die Hauptstadt zugefahren.
Die Einfahrt des „Freiheitskonvois“ stellt die städtischen Behörden derweil vor massive Probleme. Viele Straßen seien wegen der LKWs nicht mehr passierbar, das Zentrum größtenteils blockiert. Es ist nicht bekannt, wann und wo die Demonstration enden soll. Einige der Fahrer hatten angekündigt, sich nicht mehr zu bewegen, bis ihre Forderungen erfüllt seien. Ein Truckbesitzer äußerte, dass er aufgrund der Blockade mindestens bis Sonntagabend festsitze, sich aber sowieso darauf einstelle, bis Dienstag zu bleiben.
Medienberichte verurteilten die „gewaltsame Sprache“ der Demonstranten und warnten vor Ausschreitungen. Flaggen der Konföderierten Staaten von Amerika, die sich im Sezessionskrieg wegen der Sklavenfrage abgespalten hatten, erregten Ärger, da sie als rassistische oder zumindest suprematistische Symbole gedeutet wurden. Beanstandet wurde zudem eine Flagge, die das Ahornblatt in der kanadischen Flagge durch ein Hakenkreuz ersetzt hatte, um Trudeaus Corona-Politik zu kritisieren.
Polizei spricht von einer friedlichen Kundgebung, Premier Trudeau bringt sich dennoch in Sicherheit
Nach Polizeiangaben blieben die Kundgebungen friedlich. Es lägen keine Berichte über Gewalt oder Verletzungen am Samstag vor. Sie plane aber am Sonntag „eine starke Präsenz“ aufrechtzuerhalten. Zu einem Vorfall kam es, als ein Konvoi auf dem Gelände des Nationalen Kriegsdenkmals seine Fahrzeuge stehen ließ. Ottawas Bürgermeister Jim Watson twitterte empört: „Auf heiligem Boden zu parken, der das Grab des unbekannten Soldaten umfasst, war ein Zeichen totaler Respektlosigkeit.“
Die Demonstranten fordern ein Ende sämtlicher Corona-Beschränkungen. Beim Protestzug erklangen Sprechchöre gegen Premier Trudeau. Mehrere Quellen – darunter der staatliche Rundfunksender CBC – berichteten, dass Trudeau und seine Familie am Wochenende an einem geheimen Ort untergebracht worden seien. Bestätigt wurde diese Meldung bisher von offizieller Seite nicht. Sicherheitsbehörden hatten davor gewarnt, dass gewalttätige Aktivisten die privaten Wohnungen von Abgeordneten belagern könnten. Trudeau hatte am Ende der Woche angekündigt, sich nach einer möglichen Infektion mit COVID-19 für ein paar Tage aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen. Eines von Trudeaus Kinder ist positiv auf das Coronavirus getestet worden.